Kapitel 11

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Euphorie empfand ich schon immer als ein schönes Gefühl. Ich liebte es, von einer Sache so felsenfest überzeugt zu sein, dass man alles dafür tun würde. Oftmals waren es Kleinigkeiten, die solch eine Euphorie auslösten. Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich unbedingt meine Mutter suchen. Es war meine Rebellionsphase, in der ich hauptsächlich zerrissene Jeans und schwarze T-Shirts trug. Mein Vater bekam davon nicht viel mit, da die Arbeit vorging. Meine Gefühle spielten verrückt und ich fühlte mich allein gelassen. Während alle Anderen Dinge mit ihren Eltern unternahmen, hatte ich kein Familienleben. Helen und Caty fuhren in den Urlaub, ich war zu Hause. In dieser Stille entwickelte sich in meinem Kopf ein Wunsch, der Wunsch meine Mutter zu finden und normal zu sein. Ich nahm mir vor, alles zu versuchen, um sie zu finden. Es war meine Mission, die ich unbedingt erfolgreich ausführen wollte. Die Idee allein artete gewaltig in meinem Kopf aus, ich machte mir unzählige Gedanken. Als ich jedoch zu dem Punkt kam, wo ich bloß mit der Suche anfangen sollte, war die Euphorie vergangen und ich gab auf, ohne überhaupt begonnen zu haben.
Heute hatte ich eine andere Sicht in Bezug auf meine Mutter. Ich wollte sie nicht sehen, niemals. Jedoch gab es trotzdem noch Euphorie, nur eben für andere Dinge. Ich wollte Geburtstage planen, meine Haare färben, Jason ignorieren, selbstsicher sein und Stärke zeigen. Die Euphorie für solche Dinge übermannte mich rasend. Das Problem dabei war nur eins: Euphorie war unglaublich schnell vergänglich.

"Du willst ihn tatsächlich suchen?", Helen spießte mit ihrer Plastikgabel ein Salatblatt aus ihrer Schüssel auf. Wir hatten uns einen großen Salatteller von Josh geholt und uns damit an den Strand zurückgezogen, da der Imbiss wieder einmal überfüllt mit Touristen war. Man sollte meinen, ein kleiner Strandimbiss konnte nicht für den Lebensunterhalt sorgen, aber dieser hier entpuppte sich als wahre Goldgrube.

"Habe ich denn eine andere Wahl?", erwiderte ich und beobachtete die Wellen, anstatt selbst meinen Salat zu essen. Mein Kopf wurde von Gedanken geplagt, die sich um meine neuen Erkenntnisse drehten.

"Kannst du ihn nicht einfach anrufen?", hakte Helen schmatzend nach und stocherte aggressiv in der Schüssel herum.

"Soll ich mich etwa heute Nacht von ihm retten lassen und ihn dann einfach nach seiner Telefonnummer fragen? Das klingt so, als würde ich mich an ihn heranschmeißen, als hätte ich romantisches Interesse an ihm. Wie merkwürdig wäre diese Situation denn bitte?", schnell hatte ich mich in Rage geredet.

"Ich denke, dass es wirklich merkwürdig ist, einfach so bei ihm aufzutauchen", entgegnete Helen und sah dabei von ihrem Salat auf.

Ich schluckte: "Er wird es verstehen. Er weiß, dass ich seine Hilfe brauche!"

"Aber dann könntest du ihn doch genauso gut auch anrufen!", warf Helen erneut auf, schüttelte unverständlich den Kopf und widmete sich wieder dem Salat.

"Verstehst du denn nicht, dass ich ihn sehen muss? Ich muss ihn wirklich kennenlernen, dringend. Er ist meine Chance, diese Träume endlich loszuwerden", argumentierte ich frustriert. Ich hörte Helen seufzen und wusste auf der Stelle, dass sie mit mir kommen würde. Sie würde über ihren Schatten springen, für mich. Das tat sie immer, selbst wenn unsere Ideen noch so verrückt waren. Ich war davon überzeugt, die Sommerferien sinnvoll zu nutzen und nach York zu fahren. Irgendwie würden wir Noah schon finden, solange er die Wahrheit gesagt hatte. Doch daran zweifelte ich nicht. Er wohnte dort, da war ich mir sicher und er konnte mir helfen. Es sollte das erste Mal sein, dass ich etwas wirklich durchzog und nicht vorher aufgab.

"Was ist mit deiner Mutter und dem Hypnotiseur?", fragte Helen schließlich. Sie rückte auf unserer Picknickdecke hin und her, bis sie eine bequeme Position gefunden hatte. Das war hier gar nicht so einfach, denn der Strand bestand aus lauter Steinen, anstatt aus Sand. Ich mochte es. Die Steine ließen alles robuster wirken und um einiges englischer.

Hinter dem NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt