34. [Lesenacht]

853 76 16
                                    

Pov. Luca

Ein Schauer jagte meinen Rücken hinunter und breitete sich blitzartig in meinen beiden Beinen aus. Mit jedem Wort, welches ich lesen musste, stieg die Intensität dieses ekelhaften Kribbeln immer weiter an, welches ich am ganzen Körper spüren musste.
Das einzige Gefühl, welches ich in diesem Moment wahrnehmen konnte, war Angst.
Angst vor Noah.
Angst vor dem, was mich erwarten würde.
Und ganz besonders große Angst hatte ich vor Sebastians Reaktion, die mich konfrontieren würde, wenn er im Endeffekt hiervon Wind bekäme.
Am liebsten hätte ich diese Nachricht jetzt  gescreenshottet und sie kurzerhand an Seppl geschickt, damit mir dieser aus der abartigen Situation heraus helfen konnte, in welcher ich nun fest steckte, doch diesen Ausweg konnte ich wohl komplett aus meinem Kopf verbannen.
Wenn es um Noah ging fühlte ich mich jedes Mal schwach und hilflos, obwohl ich mich normalerweise problemlos mit anderen Leuten messen konnte.
Zu meinem Bedauern schien er allerdings definitiv nicht zu dieser Art von Menschen zu gehören.

Wenige Minuten später piepste mein Handy erneut auf; wieder eine Nachricht von Noah.
Diesmal beinhaltete sie den Ort, an welchem er sich in knapp einer Stunde mit mir treffen wollte.

Meine innere Panik stieg mit jedem Schritt weiter an, den ich tätigte und wollte mich nichtmehr von diesen unangenehmen Gefühlen befreien.
Quälend langsam setzte ich ein Bein vor das andere und schleppte meinen Körper, welcher sich anscheinend mit jeder Faser dagegen wehren wollte, zu diesem Treffpunkt zu gelangen, Richtung Tür.
Die Zeit schien an mir vorbei zu rasen und kaum hatte ich die Haustür erreicht, waren beinahe schon 10 Minuten vergangen.

"Wo willst du denn jetzt noch hin?" riss mich plötzlich die Stimme meiner Mutter aus den Gedanken, als sie aus dem Wohnzimmer kam.

Ich hob den Kopf an und blickte geradewegs in ihre blauen Augen, welche mich eindringlich musterten.

Vereinzelte Wörter kamen aus meinem Mund gestottert, was das Misstrauen meiner Mutter lediglich immer weiter antrieb.

"Zu Sebastian." beendete ich mein Gestammel kurzerhand und schenkte ihr ein aufgesetztes Lächeln, in der Hoffnung, dass sie mir damit noch eher glauben würde.

"Ah.. na wenn das so ist. Komm aber nicht zu spät wieder!" meinte sie mahnend, konnte sich dann allerdings trotzdem kein sanftes Lächeln mehr verkneifen.

"Ich doch niiicht." sagte ich lachend und war im nächsten Moment auch schon aus der Tür verschwunden.

Sobald meine Füße auf dem Asphalt aufkamen, verflog das Lächeln schlagartig, welches gerade eben noch mein Gesicht geziert hatte.
Ich wollte im Moment tatsächlich nichts weiteres als einfach nur zu Sebastian zu kommen und mich bei ihm zweifellos sicher zu fühlen.

Quälend langsam machte ich mich auf den Weg und bemerkte, dass sich meine innere Panik wieder meldete und beinahe meinen kompletten Körper einzunehmen schien.

Als ich mich nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt dem besagten Treffpunkt näherte, welcher sich im Park befand, bemerkte ich langsam, dass es mittlerweile beinahe komplett finster geworden war.

Na ganz toll.
Dann auch noch in der Nacht.
Ich hätte mein Testament schreiben sollen.

Schon von weitem konnte ich eine Gestalt erkennen, welche sich auf dem vereinbarten Treffpunkt befand und langsam umher ging.

Vorsicht kam ich dem Punkt zwischen den beiden, großen Eichen näher und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich innerlich am abkratzen war.

Mittlerweile konnte ich Noahs Gesicht erkennen, welches von einer der Straßenlaternen bestrahlt wurde und sich suchend umblickte, als er mich bemerkte.
Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen, woraufhin er mir entgegen kam.

Das wars.
Mein Todestag ist gekommen.

"Kaum zu glauben, dass du echt gekommen bist. Ich hätt' dich für klüger gehalten." hörte ich Noah sagen, welcher vor mir zum stehen kam und mich eindringlich musterte.

"Hatt' ich irgendeine andere Wahl?" spuckte ich genervt aus und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Werd jetzt nicht zickig Baby." kam es wieder von Noah.

"Nenn mich nicht Baby." murrte ich mit einem scharfen Unterton in der Stimme und funkelte ihn wütend an.

"Tut Seppl doch auch?" lachte er entzückt und kam mir einen Schritt näher.

"Weil's auch nur Seppl darf." gab ich als Antwort zurück und konnte meinen Hass Noah gegenüber nicht verbergen.

"Ach komm." fing mein Gegenüber an, "tu nicht so, als wärst du ein unschuldiges, kleines Kind. Du bist das komplette Gegenteil."

Ein verwirrter Blick zierte mein Gesicht, da ich absolut keine Ahnung hatte, wovon dieser Sparten labberte. Noah schien zu verstehen, dass ich mir unter seinem Zeug nichts vorstellen konnte, weshalb er weiter sprach.

"Anders gesagt: du lässt dich von Seppl wie ein Sex Spielzeug verwenden und merkst selbst nichtmal, wie billig du bist. Angenommen ich würd' ich dir hierfür was zahlen, dann würdest du sogar freiwillig mitmachen." lachte er drauf los.

"Bist du eigentlich komplett behindert?!" fuhr ich ihn scharf an und ging einen großen Schritt zurück, was Noah nicht lange auf sich ruhen ließ, da er mir gleich hinterher kam.

Bevor ich hätte reagieren können, hatte Noah auch schon mein Handgelenk gepackt und ließ mich schmerzhaft aufzischen, da er ziemlich fest zudrückte und anscheinend keine Rücksicht auf mich nahm.

"Ich werd mich nicht wiederholen, Winzling. Du kommst jetzt mit zu mir und wirst keiner Menschenseele davon erzählen, was diesen Abend passieren wird. Verstanden?" knurrte Noah in mein Ohr und verfestige den Druck um mein Handgelenk nur noch mehr.

Beinahe schon flehend bat ich ihn darum, mein Handgelenk los zu lassen, doch keine Chance.
Es brauchte große Selbstbeherrschung, um in diesem Moment nicht in Tränen auszubrechen.
Meine Hand fühlte sich so an, als würde sie jeden Augenblick abfallen.

"Und bevor du auf die Idee kommst abhauen zu wollen", knurrte Noah wütend "Ich hab was über di-"

Ein gereiztes Räuspern, welches plötzlich hinter uns beiden erklang, ließ ihn innehalten.
Er wandte sich der Geräuschquelle zu und konnte anscheinend genauso wie ich nicht fassen, wer da vor uns stand.

Was um alles in der Welt macht Seppl um diese Uhrzeit hier??

Why me? || Lukay Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt