8. Seltsame Nächte

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Zwei Tage sind vergangen und er ist immer noch nicht aufgewacht. Ich habe ihm jeden Tag sein Auge gekühlt und den Verband von seiner Wunde gewechselt. Das Auge ist mittlerweile abgeschwollen und die Stichwunde sieht auch schon viel besser aus. Geschlafen und gegessen habe ich fasst nicht und das macht sich langsam bemerkbar. Evie hat mir auch schon angeboten mich abzulösen, aber ich will nicht. Ich würde sonst noch mehr Schuldgefühle bekommen, falls etwas passiert. Da ich so müde bin, schlafe ich schon nach ein paar Minuten ein. Ich will zwar nicht schlafen, aber ich bin schon zu lange wach.
Nach circa einer Stunde werde ich von einem Geräusch geweckt. Es ist Jacob der sich endlich bewegt. Ich setzte mich sofort neben ihn und nehme seine Hand. "Jacob? Bist du wach?" "Rose...?" "Ja?" "Du siehst furchtbar aus." Ich gebe ihm einen leichten Schlag auf den Arm und lache. "Aber du siehst auch nicht gut aus. Was ist in Devil's Acre passiert?" "Ich musste dort etwas erledigen, aber es gab einen Hinterhalt der Blighter und wie es aussieht, haben sie mich ziemlich gut erwischt." Wir lachen beide ein wenig. Es ist gut ihn wieder wach zu sehen und auch noch lachend. Jetzt muss ich mir auch keine Schuldgefühle mehr machen. "Bist du die ganze Zeit hier gewesen?", fragt er plötzlich einfach so aus dem Nichts. "Ja. Ich habe dich hierhergebracht und zwei Tage versorgt." "Ok." Ok? Das ist alles was er dazu sagt. Ich bin hier zwei Tage lang gesessen, habe ihn versorg, fast nicht geschlafen und ihn davor noch hierhergeschleppt. Kurz weiß ich nicht was ich tun oder sagen soll, aber dann werde ich wütend, stehe auf und laufe zu meinem Waggon. Auf dem Weg kommt mir Evie entgegen und sieht mich fragend an, aber ich remple sie nur zur Seite und gehe weiter. In meinem Abteil angekommen setze ich mich auf mein Bett und seufzte. Wie kann er nur so egoistisch sein. Ich habe ihn quasi gerettet und er sagt einfach nur ok. Dabei dachte ich, er wäre anders. Er war so nett zu mir, er hat mir sogar ein Geschenk gemacht. Ich will nicht mehr hier sein, also mache ich mich auf den Weg zum Big Ben.
Als ich dort bin, katapultiere ich mich mit dem Seilwerfer hinauf. Seit mir Jacob diesen Platz gezeigt hat, habe ich entschlossen, dass dies mein Lieblingsplatz ist. Ich liebe die Aussicht und die Stille hier oben. Es ist einfach wundervoll. Hier oben vergisst man einfach all seine Sorgen, dadurch vergas ich auch Jacob. Das Problem ist nur, dass ich nicht zurückgehen will, solange er dort ist. Also bleibe ich einfach hier. Ich habe ein Dach über dem Kopf und es ist nicht all zu kalt. Trotzdem könnte es eine lange Nacht werden. Ich setze mich auf den Boden und lehne mich an eine Wand. Jedoch schlafe ich schneller ein als gedacht.
Am nächsten Morgen weckt mich das Horn eines Schiffes auf, das gerade unten in der Themse vorbeifahrt. Ich stehe auf und strecke mich. Da ich es mittlerweile gewohnt bin auf dem Boden zu schlafen, habe ich ziemlich gut geschlafen. Ich springe hinunter und mache mich auf den Weg, um mir etwas zu essen zu kaufen. Ich muss nicht lange suchen. Auf einem kleinen Markt in der Nähe, kaufe ich mir ein paar Früchte und ein Stück Brot. Es schmeckt ziemlich gut. Danach gehe ich in ein Pub. In ihm sind wieder einmal viele Rooks, die mich sofort auf einen Pint einladen. Es sieht schon fast so aus, als wurden die Rooks nichts anderes tun, als in Pubs zu sitzen. Wir reden ein wenig und schlagen so die Zeit tot. Ich habe inzwischen um die fünf Pints getrunken und sollte eigentlich aufhören, aber als mich einer der Rooks zu einem Trinkspiel herausfordert muss ich sofort annehmen. Er ist bereits betrunken und ein paar Minuten später habe ich auch schon gewonnen. Es war wirklich lustig, bis Jacob plötzlich auftaucht. Er sieht immer noch schwach aus, aber das kümmert mich nicht. Ich stehe auf und haue ihm eine runter. Danach laufe ich hinaus, so gut es eben geht nach zu vielen Pints und katapultiere mich wieder auf den Big Ben. Oben angekommen fange ich heftig an zu weinen. Es ist wahrscheinlich hauptsächlich wegen dem Alkohol, aber auch wegen Jacob. Ich hatte ihn schon vergessen und dann stand er einfach so wieder vor mir. Das war zu viel. Ich sitze also nun am Boden und weine. Die Stille dort oben beruhigt mich wieder ein wenig, aber nicht viel.
Plötzlich spüre ich wie sich eine Hand um meine Schultern legt. Ich erkenne sofort wer es ist. Jacob. Ich drehe mich weg und ignoriere ihn. "Es tut mir leid, Rose. Evie hat mir erzählt was du alles für mich getan hast. Ich war ein Idiot. Kannst du mir verzeihen?" Ich sehe ihn immer noch traurig an und umarme ihn dann. Er ist wirklich ein Idiot, aber er ist ein süßer Idiot.
Ok, zu viel Alkohol.
Plötzlich hebt er meinen Kopf und küsst mich. Ich merke, dass er ebenfalls betrunken ist, aber das ist mir egal. Es ist ein langer und intensiver Kuss. Ich muss zugeben er kann schon ganz schön gut Küssen, obwohl wir beide mehr als betrunken sind. Ich weiß, selbst in diesem Zustand, dass ich das nicht tun sollte, aber ich kann nicht anders. Es ist zwar größtenteils der Alkohol, doch ich wollte ihn trotzdem nicht aufhalten. Als wir uns von einander lösen, um Luft zu holen, umarme ich ihn wieder und so schlafen wir schlussendlich auch ein. Immerhin ist es bereits eine lange Nacht und das ist das erste Mal seit drei Nächten, dass ich wieder halbwegs bequem liege, auch wenn es kein Bett ist.

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