Er lief hinter mir, als wir auf die Hauptstraße, die zum Bahnhof führte, einbogen. Meine Haare waren noch nass vom See und seine Badehose tropfte auch noch. Es wurde schon langsam dunkel und wir mussten allein die Straße entlang laufen. Keine Menschenseele weit und breit. Wir beide waren so beschäftigt mit schwimmen, dass wir gar nicht mitbekommen haben, dass die anderen schon gegangen waren. Sie hatten uns nur einen Zettel auf unseren Sachen hinterlassen, worauf stand, sie würden schon einmal vor gehen.
„Hey, warte auf mich!", rief er mir, vom Bürgersteig aus, zu.
Ich stoppte auf der weißen Straßenlinie, die ich verfolgte, da sowieso kein Auto zu sehen war. Er kam zu mir auf die Straße, aber lief an mir vorbei, auf den Bürgersteig zu meiner Rechten. Ich folgte ihm, denn wahrscheinlich hat er mich gebeten anzuhalten, damit wir reden konnten. Also wartete ich darauf, dass er etwas sagte.
„Was magst du eigentlich an mir?", begann er das Gespräch.
Bei jedem anderen Jungen wäre ich wahrscheinlich durchgedreht, bei einer solchen Frage, doch bei ihm sah ich sie eher locker. Schließlich wollte er nichts von mir, denn es baute sich gerade etwas mit meiner besten Freundin und ihm auf.
Nach kurzem Nachdenken antwortete ich: „Ich mag an dir, dass du so hoffnungslos romantisch bist. Ich meine... deine alleinigen Nachtspaziergänge am Hafen, wo du immer sehr tiefe Gedanken hast, ein Geschenk zum Valentinstag, obwohl nicht einmal klar war, ob sie überhaupt an dir interessiert war. Ich mag auch deinen Humor und das du deine Freunde über vieles andere stellst...", ich merkte, wie ich anfing in eine Schwärmerei zu verfallen. Er schaute mich nur an, also redete ich weiter, denn ich konnte noch lange weiterreden. „Jedes Mädchen würde sich glücklich schätzen, wenn es einen Typen, wie dich hätte und Nadja wird das auch bald bemerken. Schließlich redet sie in letzter Zeit schon mehr über dich und ich glaube deine Traumfrau ist gerade auf dem besten Weg sich in dich zu verlieben."
Ich wollte nicht sehen wie er reagiert. Ich wusste nicht, ob ich traurig wäre, wenn er sich freut, dass er und meine beste Freundin bald ein Paar sein würden, oder, ob ich mich einfach mit ihm freuen würde. Also starrte ich weiter auf meine Füße und konzentrierte mich, darauf eine gerade Linie zu laufen. Nach ein paar Schritten bemerkte ich, dass er nicht mehr neben mir lief. Jetzt musste ich wohl doch in sein freudestrahlendes Gesicht schauen und ihm zum Erfolg gratulieren, auch wenn es mir mein Herz bricht. Ich drehte mich um und sah ihn, wie er dort stand, ohne jegliche Emotion in den Augen, und mich einfach nur anschaute. Mein Herz wurde warm und klopfte schneller, doch jeden Augenblick würde er realisieren, was ich ihm berichtet habe und vor Freunde auf und ab springen und ich werde nur daneben stehen, lächelnd, damit er nichts ahnt von den Gefühlen, die ich in meinem Herzen verschlossen hatte.
Plötzlich öffnete sich sein Mund: „Was ist, wenn Nadja nicht meine Traumfrau ist und auch nie wirklich war? Was ist, wenn ich die Richtige die ganze Zeit übersehen hatte?"
Er hätte von jedem Mädchen aus unserer Klasse reden können, deshalb wies ich meine Hoffnung zurück, sonst würde ich nur enttäuscht werden. Ich kannte das Gefühl der Enttäuschung und Zurückweisung und ich wollte so etwas nie wieder fühlen. So wie er es vorhin tat, antwortete ich nicht.
„Was ist, wenn ich jemand anderes gefunden hätte, mit dem ich so vieles gemeinsam habe, aber ich so darauf fixiert war, Nadja von mir zu überzeugen, dass ich all diese Gemeinsamkeiten ignoriert hatte?", führte er seinen Vortrag fort.
Ich wusste immer noch nicht, was ich darauf erwidern sollte, also schaute ich ihn weiter nur an. Er kam einen Schritte näher und ich entdeckte eine kleine Träne in seinem Augenwinkel.
„Was ist, wenn diese eine Person während meiner gesamten Ansprache einfach nur da steht und mich verdutzt anschaut?"
Jetzt verstand ich gar nichts mehr, aber er war schon kurz vor mir angekommen, also musste ich gleich etwas sagen. Aber was erwartete er denn? Dass ich eine Liebesansprache für ein anderes Mädchen beurteilte? Wir waren ja Freunde, aber ob ich das aushalten würde? Über Nadja zu reden schmerzte schon unerträglich und sie war meine beste Freundin.
Er stand jetzt ganz nah vor mir und musste deshalb nicht mehr so laut reden. Also flüsterte er: „Und was ist, wenn du es bist und schon immer warst?" Er stand jetzt genau vor mir und ich sah, wie die Träne sich einen Weg über seine Wange bahnte. Ich realisierte nicht was er sagte, ich sah einfach nur sein Gesicht an: seine tiefen blauen Augen, seine wohl geformte Nase, seine zartrosa Lippen, ich prägte mir alles genau ein, denn ich war ihm noch nie so nah und würde es wahrscheinlich auch nicht noch einmal sein.
„Verstehst du was ich dir gerade sage?"
Ich erwache aus meiner Starre und taumelte rückwärst, doch er fing mich auf, indem er seine Hand an meine Taille legte.
„Ich...Ich weiß es nicht", stotterte ich.
„Lena, ich habe mich in dich verliebt."
Ich wusste nicht was ich sagen sollte, ich war so überwältigt und ich spürte ein Gefühl in meinem Bauch als würden tausende Schmetterlinge versuchen auszubrechen. Ein Lächeln breitete sich über mein Gesicht aus. Als er mein Grinsen sah, zogen sich auch seine Mundwinkel nach oben und seine Träne liefen jetzt in diese. Er kam mit seinem Gesicht näher zu mir und ich erkannte, dass er mich küssen wollte. Mein Finger legte sich auf seine Lippen und auf einmal sagte ich komplett selbstsicher: „Du weißt, dass das mein erster Kuss sein wird?" „Der erste und der beste.", erwiderte er genauso selbstsicher. Wo auch immer diese Sicherheit herkam, es gefiel mir so mit ihm zu flirten.
Also ließ ich meinen Finger von seinen Lippen gleiten und er küsste mich. Erst langsam, dann, als ich verstanden hatte, wie es funktioniert, öffnete ich meine Lippen und es wurde ein tiefer und inniger Kuss. Wir rückten näher aneinander und ich spürte, wie sich das noch nasse Oberteil meines Bikinis durch meine Kleidung drückte und hoffte, dass er durch die Kälte nicht zurückweichen würde. Das tat er nicht, er drückte mich sogar noch näher an sich, so dass ich all meine Sorgen vergaß.
Als er mich losließ und ich keuchend versuchte meinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen, grinste er nur vor sich hin und sagte: „Ich hab ja gesagt, ich bin gut"
Die Genugtuung einer Zustimmung, wollte ich ihm nicht geben, also holte ich aus um ihn für diese Bemerkung zu schlagen, aber er duckte sich weg und rannte drei Schritte voraus. Durch die Bewegung beruhigten sich die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder. Wir liefen jetzt nebeneinander in Richtung Bahnhof. Diesmal näher. Und er legte nach ein paar Schritten seinen Arm um mich. Ich genoss es und grinste in mich hinein, in der Hoffnung auf einen weiteren Kuss an diesem Abend.
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Kurzgeschichten
Short StoryAlso eigentlich würde ich es noch nicht einmal 'Kurzgeschichte' nennen. Es sind eher Szenen, die mir manchmal einfach in den Sinn kommen, wenn ich denke "Was wäre wenn...". Wahrscheinlich wird es meistens um Liebe gehen, aber ich versuche auch an...