Story 9 - Sympathetic

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Die zehnte Klasse beginnt heute und ab diesem Jahr haben wir Kurse, das heißt alle vier Klassen des Jahrgangs werden zusammengewürfelt und in verschiedene Kurse gesteckt. Ich habe Erziehungswissenschaften gewählt und in meinem Kurs ist niemand aus meiner alten Klasse und somit kenne ich auch niemanden. Also hoffe ich, dass ich wenigstens in der letzten Reihe sitzen kann, um alle anderen beobachten und einschätzen zu können, wenn ich schon nicht reden kann. Voller Vorfreude auf den neuen Unterricht betrete ich den Raum und muss feststellen, dass ich eine der letzten war und die hinteren Reihen natürlich schon besetzt waren. Jetzt bereue ich, noch einmal zur Toilette gegangen zu sein. Mein Blick schweift erstmal über meine neuen Mitschüler und einige erkenne ich aus anderen Kursen wieder, aber auch fremde Gesichter sind darunter. Ich setze mich in die erste - und noch einzig freie - Reihe, direkt ans Fenster. Eigentlich freue ich mich auf Erziehungswissenschaften, denn ich spiele mit dem Gedanken später etwas in diese Richtung zu machen. Natürlich spielen wir zuerst ein Kennenlernspiel, da wir uns alle ja noch nicht kennen. Wir sollen unsere Namen sagen und eine Eigenschaft mit uns assoziieren. Es geht die Reihen durch, es ist nicht besonders spannend. Meine Aufmerksamkeit wird jedoch von einem Jungen aus einer meiner Parallelklassen auf sich gezogen. Er sieht besonders gut aus und beschreibt sich als sehr verständnisvoll. Ich beobachte ihn noch ein wenig länger, was sich als schwierig erwies, da ich ganz vorn saß. Er ist mir irgendwie sympathisch auf die Art und Weise wie er mit seinem Kumpel redet oder wie er sich durch die Haare geht. Auf einmal schaut er mir direkt ins Gesicht. Wahrscheinlich hat er gemerkt, dass ich gestarrt habe. Wie peinlich! Und das gleich in der ersten Stunde! Den Rest der Stunde wage ich es kein einziges Mal mich umzudrehen. Als es zum Stundenende klingelt, packe ich schnell meine Sachen zusammen und mache mich mit geducktem Kopf in Richtung Ausgang auf. „Hey!", höre ich als ich aus der Tür gehe. Ich rechnete nicht damit, dass mich jemand anspricht und bin so geschockt, dass ich keinen Ton herausbringe. „Sarah, richtig?", fragt mich der Typ aus meinem Kurs weiter. Will er mich zur Rede stellen, weil ich so gestarrt habe? „Äh...Ja...Genau..." Er grinst. Wahrscheinlich macht er sich über mich lustig. Ich stehe weiter tatenlos rum und schließlich redet er weiter: „Ich bin Robin, aber das weißt du bestimmt schon, weil wir hatten ja gerade zusammen Unterricht, aber vielleicht weißt du es ja auch nicht, weil du gar nicht zugehört hast oder es dich nicht dafür interessiert hast...", langsam wird er nervös, weil ich nichts sage, „...oder vielleicht warst du auch was ganz anderes konzentriert..." „Ja, ich habe mir deinen Namen gemerkt, Robin.", ich betone seinen Namen besonders um einerseits meine Aussage zu unterstreichen und andererseits auch um zu hören, wie er sich aus meinem Mund anhört. Er ist sichtlich erleichtert. „Also?" Ich wollte mich mit ihm unterhalten. Wirklich. Aber mein nächster Unterricht beginnt gleich und ich muss auch noch etwas essen. „Äh, ich wollte nur fragen, ob ich mich nächste Stunde zu dir setzen kann. Ich hab mich vorhin einfach neben irgendwen gesetzt, ich kenne ihn nicht mal.", erklärte er und lacht verlegen. Natürlich sage ich ‚Ja', schließlich bin ich auch allein und vielleicht lernen wir uns noch besser kennen, wenn wir nächstes Mal nebeneinander sitzen. Nachdem das Gespräch beendet ist, setze ich meinen Weg durch das Schulgebäude fort und muss die ganze Zeit grinsen. Nächste Stunde wird alles anders. Ich werde neben ihm sitzen und vielleicht werden wir sogar Freunde. Vielleicht auch gute Freunde. Vielleicht auch mehr.

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