Story 2 - Letter

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Die Schulklingel ertönte und ich trat den üblichen Weg zu meinem Spind an. Eine Klassenkameradin von mir hatte denselben Gedanken, also liefen wir zusammen. Als wir um die Ecke bogen, sah ich schon von Weitem, wie Markus und seine Clique sich einen Weg durch den Flur bahnten. Das war für sie nicht sonderlich schwer, da sowieso alle zurückwichen, wenn Markus kam. Er war der gemeinste Typ unseres Jahrgangs und gerade schon wieder dabei ein Mädchen, wahrscheinlich eine Klasse unter mir, zu beleidigen. Ich hatte nicht genug Mut mich einzumischen, doch ich hoffte jemand anderes würde es tun. Nachdem sie fertig waren und dem Mädchen eine Träne über die Wange lief, kamen sie auf uns zu. Meine Begleiterin wich schon zurück, aber ich war abgelenkt, weil ich das Mädchen weiter beobachtete und merkte nicht, wie schnell sie näher gekommen sind. Einer von Markus' Gefolge stieß mich mit seiner Schulter an um mir klar zu machen, dass ich im Weg stand. Dabei fielen mir meine Bücher herunter und ich erwachte aus meiner Trance. Der Typ drehte sich um und bückte sich schnell um meine Bücher zu stapeln. Es ging alles so schnell, dass Markus es nicht einmal mitbekommen hatte. Meine Freundin tippte mich an und gab mir mit ihren Händen zu verstehen, dass sie schnell zurück in die Klasse wollte. Ich hob meine Sachen auf und lief schnell und geduckt zum Spind. Zurück im Klassenzimmer, fiel mir auf, ich hatte ein Buch zu viel wieder mitgebracht.

„Hey Leute, ich muss nochmal los! Hab vergessen mein Deutschbuch im Spind zu lassen! Sagt ihr Bescheid, wenn ich nicht rechtzeitig zurück bin?", rief ich den anderen zu, während ich schon aus der Tür marschierte. Ich hörte noch, wie jemand „Klar!" rief und lief weiter. Die Flure waren jetzt schon fast komplett leer und ich konnte schneller laufen. Als ich das Buch in den Spind stecken wollte, fiel ein kleiner zusammengefalteter Zettel heraus. Ich faltete ihn auseinander und darauf stand nur ein Satz: „18:00 Uhr am See, bring Badesachen mit!"

Mein Gehirn arbeitete schon angestrengt daran, herauszufinden wer mir den Zettel zugesteckt haben könnte, denn einen Absender besaß der kleine Brief nicht. Eigentlich könnte es jeder aus meiner Klasse sein...Es sei denn... der Typ aus Markus' Clique hat beim Aufheben den Zettel ins Buch geschoben. Das war das einzig logische, denn aus meiner Klasse kannte ich alle gut genug um zu wissen, dass sie so etwas nicht machen würden. Aber wie hatte dieser Typ es so schnell geschafft einen Zettel zu schreiben oder hatte er ihn vorher schon? Bereitet er etwa immer schon kleine Zettel vor, falls ihm jemand gefällt? Das wäre doch vollkommen absurd! Den ganzen letzten Block dachte ich über diese Nachricht nach. Nach dem Unterricht schnappte ich mir mein Fahrrad und fuhr im Sprinttempo nach Hause. Mein Weg dauerte heute ganze fünf Minuten weniger als sonst. Zuhause angekommen, erledigte ich alles was ich zu erledigen hatte. Ich duschte noch einmal, zog meine Badesachen unter meine Kleidung und probierte noch verschiedene Frisuren vor dem Spiegel. Letztendlich blieb es doch bei meinem normalen Pferdeschwanz. Ich fuhr schon ganze zehn Minuten früher los als es eigentlich nötig war. Am Strand war noch niemand zu sehen, also ließ ich mir extra lange Zeit um mein Fahrrad anzuschließen. Zur verabredeten Uhrzeit betrat ich den Strand und sah eine Gestalt auf einer der Bänke sitzen. Vielleicht war er doch schon vor mir da gewesen? Näher an der Bank erkannte ich den Jungen aus dem Gang wieder, also hatte ich recht mir meiner Vermutung. Er hörte mich schon kommen und richtete sich auf.

„Hey Emily!", begrüßte er mich betont lässig.

„Hi!", gab ich mit einem Lächeln zurück, „Es wäre schön, wenn ich deinen Namen auch kennen würde. Du kennst meinen ja anscheinend schon."

Wahrscheinlich hörte er den leichten vorwurfsvollen Unterton in meiner Stimme, der ihm zu erkennen gab, dass er meinen Namen eigentlich nicht kennen sollte.

„Ach Ja...'Tschuldigung. Ich bin Tim, aber alle nennen mich Haui, wegen meinem Nachnamen Hauge.

Er setzte sich wieder auf die Bank und klopfte auch den freien Platz neben sich. Ich war immer noch skeptisch, also fragte ich, was mir schon die ganze Zeit im Gehirn herumschwirrt. „Zuerst habe ich eine Frage: Wie hast du so schnell einen Zettel geschrieben? Oder bereitest du die morgens immer vor, falls dir jemand über de Weg läuft?"

Er lächelte in sich hinein: „Nichts von dem. Ich bin kein Playboy, falls du das denkst. Du warst mir schon vor ein paar Wochen ins Auge gesprungen und ich wollte dich kennenlernen. Ich habe nur auf den richtigen Augenblick gewartet."

„Wirklich?", mit einer solchen Antwort, hatte ich nicht gerechnet.

Er nickt, dann winkt er mit seiner Hand, um dieses Thema abzuschließen: „Genug davon! Hast du deine Badesachen dabei? Ich könnte jetzt eine Abkühlung gebrauchen!"

Damit war das Gespräch aufgelockert und ich zog meine Klamotten aus. Ich sah wie sein Blick meinen Händen folgte und ermahnte ihn sich gefälligst wegzudrehen.

Wir redeten viel an diesem Abend und verabredeten uns auch schon für ein nächstes Treffen.

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