Kurzgeschichten

Story 21 - Time

Sie ist nicht meine beste Freundin, aber die Person, die mich in manchen Situationen besser versteht als jeder andere. Wir haben Streit. Ich weiß ich bin Schuld, aber ich will auch nicht zu ihr gehen und ihr den Triumph gönnen - Nein, darauf konnte sie noch wenigstens zwei Tage warten. Ich habe sogar vergessen, warum wir uns streiten; irgendeine Kleinigkeit wahrscheinlich, so wie wir es oft tun. Sie ist einer meiner besten Freundinnen, auch wenn sie nicht die eine ist. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich sie liebe, aber ich bin sowieso schlecht in so etwas. Von allen Menschen auf der Erde, könnte ich der Glücklichste sein, allein weil ich die besten Freunde der Welt an meiner Seite habe. Freunde, die immer da sind, wenn ich eine Krisensitzung brauche, die für mich bürgen würden, so wie ich für sie und die mich verstehen, auch wenn ich mal wieder eine meiner komischen Phasen habe, die ich im Nachhinein auch oft nicht verstehe. Freunde, die für mich über viele Grenzen hinaus gehen würden.

Wir sind eine Clique, wo jeder für den anderen da ist. Vier Leute, die einander soviel bedeuten, dass es manchmal schon wehtut. Sie ist eine davon, aber es passiert häufiger, dass wir uns mal streiten - wir sind ein ziemlich chaotischer Haufen. Meistens können wir uns nicht lange böse sein; soviel habe ich mit ihr erlebt: das erste Mal eine Reise machen, die weiter ist, als bis zum Campingplatz, auf dem ich fast alle meine Sommer bis jetzt verbracht habe, das erste Mal Liebeskummer haben, das erste Mal Alkohol trinken und im selben Zug auch das erste Mal von Alkohol zu brechen, das erste Mal auf ein Konzert gehen, das erste Mal eine ganze Nacht durchmachen und noch unendlich andere Dinge. All diese Erlebnisse gehen mir jetzt durch den Kopf. Soviel zusammen erlebt und jetzt bin ich wütend wegen irgendeiner sinnlosen Kleinigkeit. Das Leben ist zu kurz, als dass man es mit streiten und aufeinander sauer sein verbringen sollte. In der Zeit in der wir streiten oder uns gar ignorieren, verbringen andere Stunden voller Harmonie und Spaß. Und all das verpassen wir wegen einer klitzekleinen Kleinigkeit. Wir könnten gemeinsam Leuten Streiche spielen; die ein oder andere Scheiße bauen oder einfach unter uns Spaß haben. Jede Menge Spaß. Wir hatten soviel Spaß.

Hatten. Vergangenheit, nicht Gegenwart.

Sie verstand mich besser als jeder andere.

Sie war immer für mich da.

Sie wäre für mich über viele Grenzen gegangen.

Sie war jemand mit dem ich mich oft stritt.

Sie hatte viel mit mir erlebt.

Sie war eine meiner besten Freundinnen.

‚Nein! Sie ist! Sie ist eine meiner besten Freundinnen! Sie ist! Sie war vieles, aber das ist sie! Sie ist es!", schrie ich mich selbst in Gedanken an.

Damit legte ich die weißen Lilien auf die kalte Erde und verweilte dort. Nach einiger Zeit betrachtete ich den Stein mit der wunderschönen Gravur vor mir. Ich sah zwar Buchstaben, jedoch konnte ich sie nicht zu Wörtern verbinden. Als ich selbst diese nicht mehr erkannte, da meine Augen mit Wasser gefüllt waren, Stand ich auf und drehte mich um. Ich drehte mich weg und lief mit schnellen Schritten; bemüht nicht zu rennen - entfernte mich immer weiter von diesem schrecklichen Ort. Diesem Ort voller schmerzender Erinnerungen.