Mit einer Mischung aus Angst und Verlegenheit sehe ich Damon an. "Ich möchte eine Therapie machen, zu einem Psychologen gehen. Die alte Emma ist schon viel zu lange weg. Die Emma, die kämpft und keine Angst vor Beziehungen hat". Ich bin den Tränen nahe. Es tut gut, diese Gedanken laut auszusprechen. Ich brauche Hilfe und ich möchte etwas ändern. Damons Blick ruht auf mir. Dann nimmt er mein Gesicht in seine Hände und sieht mich strahlend an. "Das finde ich wirklich klasse Emma. Und vor allem mutig und bewundernswert. Ich werde dich dabei unterstützen". Erleichtert atme ich aus. "Danke Damon". Auch auf meine Lippen schleicht sich ein leichtes Lächeln. "Wofür bedankst du dich?", verwundert sieht Damon mich an. "Eigentlich für alles. Dafür, dass du reagiert hast, wie du es getan hast. Und auch dafür, dass du da bist und bleibst". "Das tue ich gerne Emma".
Gemeinsam frühstücken wir, ehe sich Damon vorerst verabschiedet. Als er weg ist, beschließe ich nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder Klavier zu spielen. Lächelnd lasse ich meine Finger über die Tasten gleiten. Wie ich diesen Klang vermisst habe, dabei liebe ich es so sehr zu spielen.
Nachdem ich etwas gespielt habe, mache ich mich daran meinen neuesten Plan in die Tat umzusetzen. Mit meinem Laptop auf dem Schoß kuschle ich mich auf unsere Couch und suche im Internet nach Psychologen. Natürlich gibt es viele verschiedene hier im Umkreis. Welcher ist bloß der richtige für mich? Und welchen Psychologen wird meine Krankenkasse finanzieren? Leicht verzweifelt seufze ich.
Nach stundenlanger Suche, habe ich mir für einen Psychologen entschieden, den ich gleich morgen anrufen werde. Ich fahre meinen Laptop runter und bringe ihn wieder zurück in mein Zimmer. Auf meinem Schreibtisch fällt mir ein kleiner Zettel ins Auge. Die Band von der Uni. "Mist, da wollte ich doch anrufen", meckere ich laut. Wer sagt denn, dass es jetzt zu spät ist? Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon Mittags ist, weshalb ich kurzerhand beschließe sofort bei der Nummer anzurufen.
"Ruby White. Was kann ich für dich tun?", meldet sich eine freundliche Stimme am Telefon. "Hi, hier ist Emma Monroe. Ich, ähm, ich hab gehört ihr sucht jemanden der Klavier spielen kann", stottere ich nervös. "Ja suchen wir. Du kannst gerne vorspielen, wenn du möchtest". "Das würde ich sehr gerne". "Dann komm in zwei Tagen um sechzehn Uhr in die Musikräume der Uni". "Okay". Begeistert laufe ich zu Grace, um ihr von dem Vorspielen zu erzählen. Auch sie freut sich sehr für mich.
Das Klingeln meines Handys reißt mich aus meiner Freude und ich laufe schnell in mein Zimmer. "Monroe". "Hi Emma. Hier ist Jenna". Einen kurzen Moment bin ich verwirrt. Jenna? Dann klingelt es bei mir. Jenna ist die Mutter von Collin. "Was kann ich für dich tun?". Ich klinge verwirrt. "Ich weiß das es wahrscheinlich komisch ist, dass ich dich anrufe. Es geht um Colin". "Ich habe schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm", presse ich heraus. "Ich weiß. Ich weiß aber auch, dass er neulich bei dir. Deshalb muss ich dir jetzt etwas erzählen", sie schluchzt laut. "Was ist denn los Jenna?". "Setz dich bitte hin". Die Stirn runzelnd befolge ich ihre Anweisungen. "Colin ist letzte Nacht bei einem Autounfall ums Leben gekommen". Wie paralysiert lasse ich mein Handy fallen. Alles um mich herum fühlt sich dumpf und irgendwie unwirklich an. Colin ist tot. Immer wieder hallen diese Worte in meinem Kopf herum. Er ist tot. Regungslos sitze ich da. Er ist tot. Ich kann an nichts anderes denken. Vor meinem inneren Auge sehe ich das Gesicht von ihm.
Plötzlich kommt Grace und mustert mich besorgt. "Was ist los Emma?". Ich kann nichts sagen. Meine Kehle fühlt sich an als wäre sie zugeschnürt. Ich verstehe immer noch nicht, was ich vor wenigen Sekunden erfahren habe. Ich deute auf mein Handy. Grace nimmt mein Handy und geht ran. Auch ihr ist der Schock deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie telefoniert noch einen Moment mit Jenna und schreibt sich einige Sachen auf, dann legt sie auf. Sprachlos sieht sie mich an. Er ist tot. In meinem Kopf gibt es gerade nichts anderes. Ich bin so schockiert, ich kann nicht einmal weinen. Das alles ist nicht wahr. Das kann nicht wahr sein. Colin ist tot. Warum schockiert mich das so sehr? Grace nimmt mich wortlos in den Arm und zieht mich sanft auf den Boden. Und so sitzen wir beide schweigend und arm in arm auf dem Boden. Was passiert hier gerade bloß?
Das laute Geräusch der Klingel reißt uns aus unserem Schweigen. Ich stehe auf, gehe zur Tür und öffne sie. Damon steht da und sieht mich an. Das Lächeln um seine Mundwinkel verblasst nach wenigen Sekunden. "Was ist los Emma?", seine Stimme klingt misstrauisch. "Colin ist tot", Nach dem ich diese drei Worte zum ersten Mal laut ausgesprochen habe, breche ich in Tränen aus. Erst jetzt scheine ich zu begreifen, was da gerade passiert ist. Nie wieder werde ich die Möglichkeit haben, mich mit Colin auszusprechen. Nie wieder werde ich ihn sehen. Er ist weg. Einfach so. Ist das nicht völlig verrückt? Ein Mensch ist plötzlich einfach so ohne Vorwarnung weg. Damon nimmt mich wortlos in den Arm.
Und dann weine und weine und weine ich. Ich krieg mich kaum mehr ein. Als es so scheint als wären alle Tränen verbraucht, fühle ich mich einfach nur leer. Wie ein Häufchen Elend hänge ich in Damons Armen, der mir immer wieder beruhigend über den Rücken streicht. Ich hebe meinen Blick und sehe ihm direkt in seine Augen. "Komm wir setzen uns", murmelt er leise und zieht mich mit sich zum Sofa. Gemeinsam setzen wir uns und auch Grace setzt sich neben mich. "Die Beerdigung ist nächsten Freitag", murmelt sie leise. Ich nicke kaum merklich. "Das ist so unfair. Colin war das größte Arschloch aller Zeiten und trotzdem haut sein Tot mich so um". Wieder beginne ich zu weinen. "Ich bin für dich da", flüstert Damon behutsam und schlingt seine Arme um mich.
Irgendwann werde ich müde vom ganzen weinen. Mir fehlt jede Kraft. Wortlos kuschel ich mich an Damon und schließe meine Augen.
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Love Again
RomanceStell dir vor du hast einerseits ein großes Bedürfnis nach Nähe, kannst sie aber andererseits nicht zulassen? Einerseits willst du Leuten vertrauen und sie in dein Leben lassen, andererseits kannst du es aber einfach nicht - So geht es der jungen St...