Kapitel 6

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[Kapitel 6]

Von oben erschallte ein ungläubiges Heulen, doch ich ignorierte es. Alles was zählte, war, dass meine Gestalt geändert hatte. Und obwohl ich triumphierend nach oben stieg und dann in gerader Linie auf das Quartier zu flog, fühlte sich mein kleiner Sieg nur halb so toll an, wie er es sollte.

Ich hatte meine Ventonen-Seele nicht zurück gewonnen.

Ohne diese fühlte ich mich leer, nutzlos.

Aber dass musste warten. Ich hatte wichtigeres zu tun, wie einen Krieg, einen richtigen, blutigen, artenversklavenden Krieg zu verhindern.

Mit kräftigen Flügelschlägen umrundete ich das Gebäude einmal, zweimal, ehe ich den fremden Arventonen unten entdecken konnte. Er strebte das Gebäude an, verwandelte sich mitten im Lauf und trat durch den Haupteingang ein. Anders als ich war er hier eingeteilt und man rechnete mit ihm.

Endlich entdeckte ich ein offenes Fenster und gelangte so in das Gebäude. Der Raum lag dunkel und verwaist, Stangen waren angebracht. Es war einer der Botenräume, flugbefähigte Arventonen gelangten so in die Sicherheit des Quartiers.

Angesichts des dunklen Raumes, der neben dem offenen Fenster und der, noch, verschlossenen Tür, keine Fluchtmöglichkeiten aufwies bekam ich Panik. Meine Seele mochte nicht an die eines Venton-Tiers gebunden sein, doch seine Instinkte und der Missbrauch der vergangenen Monate hatten seine Spuren hinterlassen.

Als sich die Tür öffnete, stieß ich in unbändiger Aufregung schrille Laute aus und flog unkoordinierte Schleifen. Jemand schlug gnadenlos auf den Lichtschalter, der draußen neben der Tür befestigt war. Das gleißende Licht blendete mich und kopflos, wie ich war, mit dem Hämmern meines Herzens als einzige zu zu ordnenden Geräusch in meinen Ohren, knallte ich mitten in Flug in eine Sitzstange und stürzte zu Boden.

Sekundenlang tanzte alles schwarz und ich konnte nicht sagen, wo oben oder unten war. Aus der Ferne vernahm ich einen deftigen Fluch und Hände schlossen sich um meinen derzeit sehr zierlichen Körper. Hatte ich mir etwas gebrochen so spürte ich es nicht, aber zu Schmerzen schien ich ohnehin ein sehr gestörtes Verhältnis entwickelt zu haben.

Die Hände hielten mich jedoch sanft, wenn auch nicht zu locker. Herauswinden war also keine Möglichkeit, sich zu befreien. Wer auch immer mich hielt schien zu merken, dass es alles nicht half und ich nur noch panischer wurde, je länger ich gehalten wurde.

Ein Tuch wurde über mich geworfen und tauchte mich in ein für Tiere, und auch für Ventonen geglaubte, beruhigende Dunkelheit. Mir ließ es jedoch das Herz stoppen und so spürte ich den feinen Schmerz der eindringenden Injektionsnadel fast nicht.

Als ich es realisierte war es bereits zu spät und meine Welt versank in unwilligem Schwarz.

Mein Körper protestierte mit sanft pulsierenden Schmerzwellen. Schüttelnd kam ich auf die Beine, kippte wieder zur Seite weg. Ich steckte noch immer im Körper des Mauerseglers. Abermals rollte ich mich auf den Bauch, kam auf die Beine und stützte mich dieses Mal mit den Flügeln ab. Dennoch zitterte mein Körper mit der Anstrengung.

Sofort sah ich mich um: Ich befand mich, wie ich mich erinnerte, im Keller, in einem der großen Terrarien. Mein kleiner Körper war in ein Handtuch gebettet und man hatte mir Schmerzmittel gegeben, die Nebenwirkung davon das unverkennbare taube Bizzeln in meinen Beinen, Ursache meiner Gleichgewichtsstörung. Meine Wunde war versorgt worden, desinfiziert, genäht und so gut es ging bandagiert.

Mit sehr viel klarerem Verstand warf ich einen Blick auf die Männer dort draußen. Einer war der Arventone, der mich zuvor gejagt hatte, der andere war Special Agent Tobbs. Sofort fiel mir ein Stein vom Herzen, doch ich bewegte mich nicht weiter auf sie zu, sie hatten noch nicht wahrgenommen, dass ich wieder bei Bewusstsein war. Ihre Unterhaltung war gedämpft, aber nicht unverständlich.

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