Kapitel 9

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[Kapitel 9]

Die Männer wussten nicht so ganz wie sie mit der Situation umgehen sollten. Stellen sie sich das Rudel Wölfe im Zoo vor, das aufmerksam das neue Spielzeug beäugt, aber nicht weiß, was es damit anfangen soll, geschweige denn, ob es gefährlich ist.

Genau dieses Bild vermittelten mir vier der fünf Männer in der Küche. Jamino wirkte recht entspannt; um beim tierischen Bildnis zu bleiben, wäre er das Alpha-Männchen gewesen. Michelo war, seit ich hinter Jamino die Küche betreten hatte, still gewesen; sein Blick jedoch unverwandt auf mich gerichtet. Mittlerweile hatten wir alle platz genommen, doch sein Blick verharrte unbeirrt auf mir, bis es mich zu irritieren begann. Sanft legte ich den Löffel beiseite und hob meinen Blick, bis ich Blickkontakt zu Michelo hatte.

Er blinzelte nicht.

Ich starrte zurück.

Ohne mit der Wimper zu zucken.

Es bedurfte mehr um mich einzuschüchtern, erst recht von einem Arventone. Die Spannung im Raum wuchs spürbar, bis keiner mehr in der Lage war zu essen. Als letzter merkte Jamino unser stilles Blickduell und verschluckte sich beinahe.

„Schluss, Michelo!“, würgte er zwischen zwei Hustern hervor, „Es war Reflex, Instinkt, dass sie dich niedergeschlagen hat. Wir haben den Befehl, nur dann körperlich tätig zu werden, wenn sie zu fliehen versucht!“

Die anderen Männer rutschten unruhig auf ihren Stühlen herum. Glaubte sie ich wäre zu minderbemittelt, zu glauben, nur weil mir Unterschlupf gewährt worden war, konnten sie sich nicht doch noch für meine Eliminierung entscheiden? Ein bitteres Lächeln trat auf meine Züge.

„Das ist mir egal!“, knurrte der Mann mir gegenüber, seine Augen flackerten wild. Seine Ventonen waren in Aufruhr, sie fühlten sich herausgefordert.

Egal wie untypisch unser Verhalten für ein Tier wäre, die meisten Ventonen lernten im Laufe der Zeit sich den menschlichen Emotionen in uns anzupassen und entsprechend zu reagieren. Ein Tier wusste ein anderes nicht anzugreifen, so lange es sich nicht bedroht fühlte.

Ich stellte derzeit keine Bedrohung da. Aber das menschliche Ego Michelos war angegriffen, sein Hass entflammt, entsprechend reagierten seine Ventonen.

„Keiner erfährt es, wenn ihr kein Wort darüber verliert, sie ist schließlich nur eine Verräterin“, fügte Michelo hinzu.

Wütend sprang Jamino auf: „Das kann nicht dein Ernst sein! Wie unklar die Situation derzeit auch aussehen mag, was wenn sie unschuldig ist? Kannst und willst du wirklich damit leben, eine Unschuldige verletzt zu haben?“

Die anderen Männer hatten sich ebenfalls erhoben und wirkten unschlüssig, wem sie sich anschließen sollten. Sowohl Jamino als auch Michelo hatten das Charisma eines Führers, doch ich hoffte, dass die Mehrzahl sich für Jamino entscheiden würde.

Hitzköpfigkeit brachte die Leute immer wieder in Schwierigkeiten.

Langsam erhob ich mich und zog damit die Aufmerksamkeit zurück auf mich: „Wer sagt, dass er im Stande ist, mich zu verletzten?“

Ich stellte die Frage leicht hin, wusste um ihre anheizende Wirkung. Sein Knurren ließ mein bitteres Lächeln selbstzufrieden werden. Die anderen Männer starrten mich geschockt an; in unserer Gesellschaft war es unüblich das Männer mit Frauen konkurrierten und wetteiferten. Obwohl sie die gleichen Machtpositionen innehalten konnten.

„Ich werd' dich lehren mich zu reizen!“, die ersten Funken eines irrwitzigen Ventonen waren bereits in seinen Augen zu entdecken. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schnellte er über den Küchentisch hinweg und auf mich zu; verwandelte sich im Sprung. Milisekunden später flog ein räudig, aber kräftiger grauer Wolf auf mich zu.

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