Chapter 5

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Kurz nachdem May und Nike, mit überzogener Vorfreude, die Jo fast zum Kotzen gebracht hatte, den Raum verlassen hatten und in Richtung des langen Gangs, der weiter in die Burg führte, hüpfend spaziert waren, hatte Jo ihren Spaß an dem Funkelstein verloren und war in das Bett rückwärts gesunken. Nun lag sie da und starrte unentwegt die Decke an, bis sie so lange geschaut hatte, dass sie dachte, diese käme ihr entgegen.

Seufzend drehte sie sich zur Seite und sah aus der großen, glasigen Balkontür, die sie leicht gekippt hatten, um Luft hineinzulassen. Die Wolken verdichteten den Himmel auf unheimliche Art und Weise- bald würde es regnen.

Und wenn es den ganzen Abend lang regnen würde, würde ihre geplante Nachtwanderung wortwörtlich ins Wasser fallen.

Nicht, dass es Jo großartig etwas ausgemacht hätte, nachts nicht durch den wurzelbepackten und von Viechern besetzten Wald zu stolpern. Nein, eigentlich wollte sie nicht von Mücken gefressen werden oder gegen Bäume laufen, die sie nicht sehen konnte. Dennoch kam es ihr recht eintönig vor, auf der Burg zu bleiben und womöglich noch Gesellschaftsspiele zu spielen, um nicht ganz vor Langweile einzugehen.

In Gedanken stellte sie sich schon vor, wie alle miteinander Topfschlagen spielten und May und Nike es sich nicht nehmen, trotz Angaben der anderen, immer wieder auf Luke und Jeremy zu zu krabbeln. Sie seufzte bei der Vorstellung leicht auf und wusste nicht, ob sie nun belustigt oder genervt war, schließlich waren May und Nike schon so lange verliebt.

Und dass so sehr, dass sie an keinem anderen Jungen auch nur ein kleines Interesse zeigten. Selbst wenn sie gut befreundet waren, auf Dauer wurde diese Art von Benehmen anstrengend und vor allem vorhersehbar.

Während ihr Blick noch immer die immer dunkler werdenden Wolken beäugte, spürte Jo, dass sich auf ihrer Haut eine leichte Gänsehaut gebildet hatte. Es war kühl geworden.

Fröstelnd stand sie auf und schloss die Glastür ganz. Als sie sich für den Bruchteil einer Sekunde im Glas spiegelte, zuckte sie leicht zurück, ließ dann ihren Blick an sich herunterwandern und taumelte missmutig zurück zum Bett, in das sie sich, mit dem Gesicht voraus, achtlos fallen ließ.

Der Stein, den sie dort liegengelassen hatte, hüpfte dadurch leicht nach oben. Sie griff nach ihm und legte ihn vorsichtig auf den Nachttisch, damit er nicht abhandenkam. Das hätte Nike ihr nie verziehen.

Jo ging durch ihre Kontakte. Langweile breitete sich immer weiter aus und füllte den gesamten Raum. Bei Carlottas Profilbild blieb sie stehen. Selbst, wenn Carlotta nun eher weniger dem Klischee entsprach, war sie ein wunderschönes Mädchen. Viel schöner, als Jo sich selbst fand.

Sie krabbelte ein Stück weiter auf das Bett, drehte sich und lehnte ihren Rücken gegen die Wand, dann stützte sie ihren Kopf ebenfalls dagegen. Nicht sonderlich gemütlich, aber so viel besser, um auf ihr Display zu starren.

Ihre Ohren nahmen ein Geräusch war. Wie ein Kratzen, leise und unauffällig. Hätte sie sich in normaler Lautstärke mit May und Nike unterhalten, hätte Jo es nicht gehört. Nun, in kompletter Stille fiel es auf. Und es schien stärker zu werden.

Jo wunderte sich nicht lange, was wohl in dem Zimmer rechts von ihrem passierte, schließlich kannte sie ihre Gefährten gut genug, um zu wissen, dass sie es nicht wissen wollte. Nachdem sie kurz überlegt hatte, ob sie Kopfhörer anziehen sollte, verwarf sie den Gedanken. Es war nicht sonderlich laut und eigentlich auch nicht nervig, wenn man sich daran gewöhnte.

So schnell wie es gekommen war, ging es wieder und die alte Stille kam zurück. Es war seltsam still, sodass Jo sich das Kratzen wieder zurückwünschte. Oder wenigstens Nike und May.

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