Kapitel 23

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Jo konnte eindeutig Stimmen von außen vernehmen. Sie würden gerettet werden. Sicher. Oder war es doch nur das unerträgliche Rauschen in ihrem Kopf, das sich einen Scherz mit ihr erlaubte? Ihre Augen tränten so stark, dass sie sie schon lange nicht mehr geöffnet hatte. Der Raum war inzwischen so von Rauch befüllt, dass die drei bewegungslos auf dem Boden lagen, um nicht unnötig Sauerstoff zu verbrauchen.

Jo spürte, wie sich ihr Herzschlag verlangsamte. Mays Hand, die sie hielt, zitterte schon lange nicht mehr, Jo war aber nicht in der Lage, die Freundin anzusehen. Sie hoffte nur, dass May noch da war. Sie versuchte, ihre Hand zu drücken, aber ihre restliche Kraft war nicht in der Lage, auf May zu wirken.

Es konnte nicht sein. Sie konnten nicht einfach sterben. Da waren wieder Stimmen. Dieses Mal bestimmt!

„Es wird nicht reichen...", krächzte Nike und begann gleich zu husten.

Nike hatte Recht. Niemand konnte ihr Leben mehr retten. Niemand, außer sie selbst und Jo war beim besten Willen nicht auf eine solche Situation vorbereitet. Früher war sie mit ihrem Vater oft in den Wald gefahren: Survival- Training. Ironischerweise wusste sie aus vielen unterschiedlichen Dingen ein Feuer zu machen, aber vor einem zu fliehen, in einem verschlossenem Raum, das war ihr unklar.

Sie hatte auch nicht die Zeit, um großartig nachzudenken. Ihr Atem wurde immer flacher und schmerzte bei jedem Zug mehr. Bald würde der Rauch sie betäuben und sie könnte nichts mehr tun. Bis dahin musste sie eine Lösung gefunden haben.

Nike, die neben May auf dem Bauch lag, hatte ihre Augen offen, auch wenn der Rauch diese schmerzhaft reizte und die Hitze ihr ins Gesicht schlug, wenn sie ihren Kopf nicht in ihren Armen vergrub, wie Jo und May es gerade taten.

Es gab Rettung, das wusste sie. Es konnte nicht vorbei sein. Bogie würde nicht gewinnen. Sicherlich nicht.

Sie erinnerte sich an ihre erste Nacht. Die Person im Bettvorhang. Damals war ihre Balkontür von Innen und auch die Zimmertür verschlossen gewesen. Das Fenster war geschlossen. Es hätte keine Möglichkeit von Außen einzudringen und dazu gab es auch keine Spuren.

„Jo, May....", hustete sie und ihre Freundinnen stießen beide einen undefinierbaren Laut aus, der wenigsten bewies, dass sie noch bei Bewusstsein waren.

„Die Geheimgänge..."

Jo schreckte auf. Klar, es musste eine Verbindung zu diesem Zimmer geben. Versteckt. Entweder hinter dem Schrank, was aber ziemlich unrealistisch war, schließlich war die Person in der Nacht lautlos hereingekommen und hatte nicht erst einmal einen Schrank zur Seite schieben müssen.

Auch May hatte die Augen geöffnet und deutete nun wimmernd nach vorne. Oder unter dem Bett. Ein Ort, an dem sie nie nachgesehen hätten. Bei dem Gedanken, dass nachts jemand unter ihrem Bett hervorgekrochen gekommen war, wurde May zwar Übel, aber es klang plausibel. Vor allem nun, wo sie sah, dass es kleine Einritzer im Boden gab.

Gemeinsam robbten sie nach vorne und begannen, ihre Finger in jede kleine Einkerbung zu schieben, in der Hoffnung sie könnten etwas bewirken. Und tatsächlich: Sie konnten eine Platte anheben und zur Seite schieben.

Darunter befand sich unendliche, ungewisse Dunkelheit.

Da diese jedoch besser waren als der sichere Tod, rutschten sie alle drei hintereinander in das dunkle Nichts.

***

Der Würgereiz wurde stärker und May musste mit sich kämpfen, um bei Bewusstsein zu bleiben. Hier kam es ihr weitaus schlimmer vor, als im brennenden, von Rausch erfüllten Zimmer. Der Boden war nur wenige Zentimeter über ihrem Rücken, sodass sie ihn des Öfteren streifte, wenn sie sich kriechend vorwärts bewegte.

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