„Benutz das öffentliche Klo", äffte May mit verzogenem Gesicht Jo nach, als sie durch den langen Gang ging. „Du zerstörst unsere Konzentration...mimimi..."
Wenn man bei Tag hier herumlief, fühlte man sich bei Weitem sicherer. Das Schloss wirkte gleich kleiner und freundlicher. Fast hätte sie sich wohl gefühlt, aber die Erinnerungen an die letzte Nacht hielten sie davon ab.
Irgendjemand hatte es auf sie abgesehen und dieser jemand schlich hier immer noch herum. Das machte es um einiges unhöflicher von Jo, sie herauszuschicken.
Dennoch hatte die letzte Nacht ihre Angst vor Bogie weitaus geschwächt. Der Verfolger war eindeutig menschlich gewesen, sonst wäre sie nicht mehr lebendig. Oder wollte er sie nur auf die falsche Spur führen?
May seufzte und bog in die Toilette ein. Ein heller Raum mit vier Kabinen. Niemand außer ihr war hier. Warum denn auch, die meisten hatten eine Toilette in ihrem Zimmer. Daphne hatte ihnen erklärt, dass die Burg einmal zum Hotel hatte umfunktioniert werden sollen, aber keine Gäste waren gekommen, aufgrund der Legende.
Das Licht flackerte leicht und May rollte mit den Augen. War ja klar, dass sowas geschah. Sie schloss sich in der letzten Kabine ein und setzte sich hin.
Hatte dieser jemand es nur auf sie abgesehen oder jagte er alles, was er fand? Wenn erstens, dann weshalb? Sie benahmen sich nicht anders als die anderen. Wenn zweitens, dann mussten sie sich wohl alle in Acht nehmen.
Während sie aufstand, hörte sie das Zufallen der Tür, anschließend ein paar leise Schritte. Da war wohl noch jemand aus dem Zimmer geschickt worden. Sie atmete leicht auf, überprüfte ihren Hosenschlitz und ging dann aus der Kabine.
Draußen war niemand und auch keine der anderen Toiletten war abgeschlossen. Vielleicht hatte sich jemand im Zimmer geirrt.
Das sagte May sich zumindest, um ihren hochrasenden Puls wieder herunterzufahren.
Als sie in den Spiegel sah, zuckte sie zusammen. Unter ihren Augen hatten sich tiefe, dunkle Furchen gebildet. Sie sah aus wie der wandelnde Schwarzwald. Ihre Haare standen zu allen Seiten ab, sodass sie ernsthaft darüber nachdacht, ob sie in letzter Zeit in eine Steckdose gegriffen hatte. Eigentlich ja nicht.
Zu allem Übel befand sich über ihrer Lippe ein Schokorest von ihrem Frühstücks-Kakao. Innerlich verfluchte sie ihre Freundinnen, dass sie sie einfach so hatten rumlaufen lassen.
Sie zog ihre Brille hab, legte sie zur Seite, dann beugte sie sich hinunter und begann, ihr Gesicht zu waschen. Das kühle Wasser beruhigte ihre angespannte Haut und weckte sie.
Sie spuckte überflüssiges Wasser aus und rieb sich über ihr Gesicht, dann streckte sie sich und blickte wieder in den Spiegel. Sie konnte nicht scharf sehen, aber was sie erkennen konnte war, dass da etwas hinter ihr stand. Mit dunklen Klamotten, unbeweglich.
Sie petzte die Augen zusammen, tastete nach ihrer Brille, die sie nach fünf Versuchen erreichte und sofort auf die Nase setzte. Ihr Körper drehte sich schwungvoll um, sodass sie fast hingefallen wäre, öffnete anschließend ihre Augen und sah ins Nichts.
Niemand.
Sie war alleine im Badezimmer. Nicht einmal ein Krabbelvieh war sonst anwesend.
Sie seufzte beruhigt auf, drehte sich noch einmal zum Spiegel, um ihre Haare zu checken. Nichts im Spiegel. Alles gut.
Gerade, als sie sich das erste Mal durch eine verknotete Strähne fuhr, quietschte eine Kabinentür und sie zuckte zusammen. „Verschwinde!", schrie sie, während sie sich sprunghaft wieder umdrehte.
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Sleepless
Mystery / ThrillerNike, Jo und May sind eigentlich nicht sonderlich interessiert an der alten Burg, in der sie nun mit der Schulgruppe ihre Zeit verbringen müssen, eher an den männlichen Mitstreitern. Als dann jedoch einige seltsame Dinge rund um einen alten Fluch ge...