Das darf doch alles nicht wahr sein!
Ich schaffe es nicht einmal mehr zu fluchen, denn ich nutze die Zeit, die mir laut Plan hoffentlich noch verbleibt, um mich in Windeseile auf den schmutzigen Boden zu hocken und in rekordverdächtiger Schnelligkeit mein Netbook aufzuklappen. Im Schneidersitz flacke ich am Boden und haue in einer Geschwindigkeit auf die Tastatur ein, bei der ich mir selbst nicht mehr sicher bin, alle Tasten zu treffen.
So wie es aussieht, ist es eh egal. Scheiße.
Riesengroße Elefantenscheiße!
Nicht nur hat meine Falle nicht funktioniert, denn ich habe keinerlei Zugriff auf irgendwas, wenn man von meinem Wall absieht, der den innersten Kern meines System im wirklich allerallergrößten nur anzunehmenden Notfall noch zu schützen vermag. Ich kann lediglich die Schotten dicht machen und hoffen, beten, bitten, dass DIZZORDER es nicht schafft, da reinzukommen.
Falls er das nämlich tut, ist egal wie doof ich bin und wie naiv ich war. In dem Fall wäre ich nämlich nicht nur einfältig, sondern bestenfalls schnell tot, denn die andere Möglichkeit würde ausschließlich daraus bestehen, dass ich in Gefangenschaft gerate und endlich der nach mir lechzenden Regierung in die Hände falle - aber scheinbar ist das nicht, was DIZZORDER will.
Ich sehe seine Handschrift in den Protokollen, die wie wild über meinen Bildschirm rasen. Karl hatte Unrecht, als er meinte, dass er nicht an mir interessiert sei. Der Alarm piept und piept und ich schaffe es nicht, ihn auszustellen. Ich sehe nur immer mehr Meldungen über ausgefallene Systeme, welche Partitionen gerade zerbombt werden und welche Codes schon lange nicht mehr existieren.
Schweiß rinnt unaufhörlich über meine Stirn, ich versuche zu retten, was noch zu retten ist. Ich versuche, zumindest meinen innersten Kern zu schützen, das Zentrum meines ganzen Schaffens und Werkens, die Eingeweide meines Daseins. Irgendwann blockiert mein Eingabefeld und meine Tastatur hilft mir kein Stückchen mehr weiter. Ich kann nicht mehr machen, als einfach nur zuzuschauen, wie mein Leben wunderbar visuell dargestellt den Bach runtergeht.
Nicht einmal Sarah kann mir weiterhelfen. Auch nicht Luke, der sich die schmierigen Hände an seiner Hose abwischt und mich mit einem Blick ansieht, der wohl so etwas aussagen soll wie:
"Ich hab's dir doch gesagt!"
Danke Luke, das hilft mir jetzt natürlich in der Situation. Ich kann den Blick nicht von meinem Bildschirm nehmen, meine Hände zittern - eigentlich bebt mein gesamter Körper - aber als ich schon zu wissen glaube, dass ich nichts, absolut gar nichts mehr retten kann, friert das Display ein.
Unten sehe ich das Eingabefeld blinken, darüber steht in irgendeinem lustigen ASCII-Bildchen folgende Nachricht:
REBOOTING SYSTEM...
HAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAAHAHAAHAHAHAHAAHAHAAHAHA!!!
Ich starre. Ich starre und starre und starre.
Dann sieht alles wieder ganz normal aus. Meine höchstpersönliche Benutzeroberfläche, alle Programme, alle Codes und Verschlüsselungen scheinen auch bei genauerem Hinsehen an Ort und Stelle. Eventuell prüfe ich sogar nach, ob auch mein Pornografie-Ordner noch existiert, aber ich kann keinerlei verdächtige Aktivitäten ausmachen, auch als mein System auf Herz und Nieren mit keuchendem Atem und schlotternden Gliedern prüfe.
Hahaha? Soll das ein Witz sein? Was für ein dämliche Spiel wird hier gespielt?
Meine Verbindung zum heimischen Rechner steht wie eine eins und alles scheint in Ordnung zu sein. Es scheint weder DIZZORDER in meine Falle getreten sein, noch scheint er etwas zerstört zu haben, davon abgesehen, dass er scheinbar gar nicht überhaupt auch nur in meine Nähe gekommen ist.
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Sing Me To Sleep [✓]
Science Fiction[ abgeschlossene Geschichte ✓ ] Berlin, 2033. Gar nicht mal so weit entfernt von der heutigen Stadt, einfach nur ein bisschen mehr. Größer. Schneller. Enger. Lauter. Heller. Voller. Hektischer. Mehr. Die virtuelle Welt ist zum Alltag geworden. Such...