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Als es dunkel wird, befindet sich jeder von uns in Position.

Das bedeutet im Klartext, dass Patty weiterhin Getränke für die alltäglichen Gäste im Rabbit Hole ausschenkt, aber mit ihrem Smartphone jederzeit auf Abruf bereit ist, um Luke und Karl zu unterstützen, die jeweils in ihre Behausungen zurückgekehrt sind, um von ihren heimischen Rechnern aus zu agieren.

Jeder der drei ist mit einer mehrfach geschützten Standleitung nicht nur auf sprachlicher Ebene durch Zugang zu einem geheimen Voice-Channel verbunden. Patty hat sich und uns zum arbeiten stumm geschalten, wir können sie aber jederzeit anpiepen, damit sie sich in den Channel bequemt.

Karl und Alina sitzen gerade also entweder im Überwachungsraum vor Karls Monstercomputern oder sie stehen in der Küche, weil Karl vor Aufregung doch noch eine Zigarette braucht. Ich stelle mir nur kurz sein übernächtigtes Gesicht mit den Spuren der letzten Tage vor, dann habe ich zu viel Mitleid und begreife für einen kurzen Moment der Ehrlichkeit, dass ich es ihm sicherlich auch nicht einfacher gemacht habe.

Und auch wenn wir glücklicherweise keine gegenseitige direkte Video-Verbindung eingerichtet haben - mal ehrlich, das wäre auch arg verstörend, denke ich! - kann ich mir geradezu vorstellen, wie sein Pokerface sich verkrampft, während er die Überwachungskamera der Schule hackt und mich in meinem Ninja-Verbrecher-Outfit aus den Schatten der hübsch in Form geschnittenen Buchs-Hecke steigen sieht.

Ich widerstehe dem Drang, ihm zu winken. Luke sitzt also nun entweder auch vor seinen Rechnern, vielleicht ist das ewige Warten ihm auch zu dumm geworden und er schraubt schon wieder an irgendeiner Maschine herum - das Rad habe ich allerdings immer noch dabei, immerhin brauche ich ja ein ordentliches Fluchtfahrzeug, Ich vermute ebenfalls, dass Luke egal wo er gerade ist, mindestens ein Bier neben sich stehen hat und vielleicht ist es zwar unpassend, aber nicht weit hergeholt, dass er eventuell gerade gar nichts macht, sondern auf's stille Örtchen verschwunden ist.

Vielleicht muss ich nicht alles wissen. Vielleicht sollte ich lieber in Position gehen, immerhin zeigt mir die Uhr auf dem Schulhof, dass ich spät dran bin.

Hastig befreie ich Sarah aus meinem Rucksack, überprüfe noch einmal, dass sämtliche Sensoren auf maximale Sensibilität geschalten, dafür aber alle LEDs aus und die Schalldämpfer für mögliche Geräusche noch intakt sind.

"Bist du bereit?", höre ich Karls Stimme aus meinem Headset flüstern und stelle es sicherheitshalber noch ein bisschen lauter ein.

Ich überlege kurz, wo die nächste Kamera positioniert ist und zeige nur den Daumen nach oben.

"Also los!", wispert Karl.

Sarah zuckt und ganz ganz leise höre ich das Summen ihrer Propeller, ehe sie sich elegant, ja fast grazil, in die Lüfte erhebt und mit nur ein paar zarten Bewegungen meiner Finger an der Fernbedienung trotz Handschuhe erwartungsvoll um meinen Kopf schwirrt. Ein kaum hörbares Klacken aus der Luft und Karl flüstert in mein Ohr:

"Kamera ist online!"

Ich werfe einen Blick auf mein Smartphone, auf das unter anderem das Bild aus Sarahs Kamera übertragen wird. Karl hat es geschafft, dass ich alle Funktionen mit einer einzigen Hand steuern kann, als Sarah aber auf der richtigen Höhe ist, übertrage ich die Steuerung wie abgesprochen zu Luke, der sich gerade in den Channel einklinkt:

"Warum flüsterst du?", fragt er in vollkommen durchschnittlicher Lautstärke und mir platzt fast das Trommelfell davon, "Du bist doch allein zuhause!"

Verärgert drossele ich die Lautstärke wieder und murre kaum hörbar:

"Vielleicht aus Solidarität. Pass gut auf mein Baby auf, ich will keinen einzige Kratzer sehen!"

Sing Me To Sleep [✓]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt