52.

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Mit jedem Schritt fühlt es sich noch merkwürdiger an.
Das lässt mich wieder an die Vergangenheit denken. Ich habe schon lange keinen Gedanken mehr an meine Zeit als Mensch verschwendet. Man könnte schon sagen, dass ich es verdrängt habe.

Es ist, als stünde die Zeit still. Ein seltsames 'Gefühl' vernebelt meinen Verstand.

Mit einem solchen 'Gefühl', das irgendwie Nervosität ähnelt, bin ich bis jetzt nur einmal die Treppe hinunter gegangen.
Es war ein paar Wochen vor meiner Verwandlung.
Damals, als mir der Hof gemacht wurde.
Seit dem Beginn meines untoten Lebens habe ich auch nicht mehr seinen Namen genannt.
Er hieß Ben.
Zumindest nannte er sich so, da er seinen vollen Namen nicht mochte.

~Flashback~

Ich höre Mutter nach mir rufen. Nach einem seltsamen Gespräch schickt sie mich hinauf, um mich neu einkleiden zu lassen. Deswegen kann ich es mir auch denken, was gleich geschehen wird.
Für jeden Anlass muss man neu eingekleidet werden. Man muss immer einen guten Eindruck machen und gut angezogen sein.
Ich hasse das zwar, aber so ist es nun mal. Wir Mädchen werden bei vielen Dingen herabgesetzt.

Selbst beim Reiten. Dies ist Mädchen leider untersagt.
Nur die Jungen lernen es, für spätere Kriege.

Deswegen brachte Ben es mir heimlich bei, als wir Kinder waren. Durch dieses Geheimnis, das wir teilten, begann ich ihn noch mehr zu mögen.
Wir wussten ja schon seit frühster Kindheit, dass wir eines Tages heiraten würden.

Und nun ist es bald soweit.

In Gedanken versunken sitze ich vor dem Spiegel, während meine Amme das Kleid holt, welches meine Mutter für mich herausgesucht hat. Es ist ein weit ausfallendes Kleid, das etwas zu lang ist. Kleine Rosen sind darauf genäht. Die Ärmel gehen nur bis zu den Ellenbogen.
Es hat eine Farbe, die ich bis jetzt noch nicht kannte.
(Heute nennt man es Hellblau)

Es sieht aus, als sei es sehr kostspielig gewesen.
Ich weiß, dass Vater gut verdient, aber Mutter gibt zu viel Geld für die Kleider aus.

Während ich weiter nachdenke, schnürt die Amme die Korsage etwas fester, wobei mir der Atem stockt. Dadurch ist es nun schwer, Luft zu bekommen.

Nun beginnt sie, meine Haare zu machen. Sie steckt sie hoch, doch löst dann zwei Strähnen und streicht sie hinter meine Ohren.
Als sie fertig ist, drehe ich mich zu ihr um. Sie lächelt zufrieden. Ich muss gestehen, sie ist mir mehr eine Mutter, obwohl sie mich nicht zur Welt gebracht hat.

Sie fragt mich, ob ich bereit bin. Zögernd nicke ich.
Kurz darauf höre ich Mutter wieder rufen. Er scheint wohl eingetroffen zu sein.
Ich verlasse also das Zimmer und gehe langsam die große Treppe hinunter.

Sie stehen alle unten an der Tür und sehen zu mir hoch, was mich nun nervös werden lässt.
Bin ich denn wirklich schon zur Hochzeit bereit?
Naja viele Mädchen in meinem Alter sind bereits verheiratet und Mutter mindestens einem Kindes.
Es ist auch noch etwas Zeit bis zur Vermählung.

Die Hochzeit sollte eigentlich im letzten Jahr stattfinden, musste aber um ein Jahr verschoben werden, da mein Vater lange auf Reisen war und es nicht versäumen wollte. Meine Mutter meinte, es wäre gut noch etwas Zeit zu haben, um zu lernen, eine richtige Dame zu sein.

Mein Blick fällt auf meine Mutter, welche mir Zeichen gibt, mich grade zu halten.
Ehe ich es realisieren kann, stehe ich Ben gegenüber. Er wirkt amüsiert.
Bin ich etwa rot geworden?
Nach einer Begrüßung und einem leichten Handkuss, begeben wir uns in den Salon im hinteren Teil des Hauses.
Meine Eltern gehen voraus.

Er reicht mir seinen Arm, also hake ich mich bei ihm ein und versuche, nicht über den Stoff des Kleides zu stolpern.
"Ich dachte schon, du würdest mit diesem Kleid am Treppengeländer hängen bleiben", sagt er schmunzelnd.
Ich beginne zu lächeln.
"Aber ich muss gestehen, dass es dir ausgesprochen gut steht", fügt er dann noch hinzu, nun werde ich wieder rot.

Im Salon angekommen, wendet er sich an meinen Vater und führt mit ihm eine lange Konversation über seine Reisen.
Ich sehe nur ruhig in meinen Tee und höre nicht mehr zu, bis Ben mich aus meinen Gedanken reißt. Plötzlich betritt auch ein Diener den Raum. In seinen Händen hält er eine Art Geschenk. Er überreicht es mir und verlässt dann wieder den Raum.

Ich schaue fragend zu Ben, welcher nur lächelt. Langsam öffne ich es und ein wunderschönes blaues Kleid kommt zum Vorschein.
Erstaunt sehe ich darauf und umarme ihn dann.
Plötzlich höre ich meine Mutter scharf einatmen, worauf ich ihn wieder los lasse und mich entschuldige.
Er sagt nichts darauf und lächelt nur.
Ich bin so glücklich und meine Zweifel sind vergessen.

~Flashback Ende~

Dies war das Kleid, welches ich auch zu meiner Verwandlung trug.

Ich merke, dass ich kurz stehen geblieben bin. Alle sehen mich an. Clarissa ist bereits unten. Nun gehe ich schneller und stehe vor ihm. Er sieht mich an. Wie früher.
"Wir geben dir nur EINE Chance", sage ich und sehe ihm tief in die Augen.
"Danke", sagt er leise und erwidert meinen Blick.
Ob es sinnvoll ist, ist noch unklar. Das wird sich hoffentlich bald zeigen.

Wir setzen uns alle auf die Couch,
"Okay, nun dann erzähl mal, was alles passiert ist", sage ich und sehe ihn wartend an.
Er zögert und beginnt dann zu reden.

After Dark - Bis(s) zur Unendlichkeit (BEENDET)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt