1. - Begrüßungskomitee

4.8K 126 8
                                    

1.- Begrüßungskomitee

Der Flughafen in Seattle war voll, beinahe überfüllt, als ich ankam. Aber das spielte keine große Rolle. Ich würde in weniger als einer Minute meine Mutter wiedersehen. Nach einem Jahr und drei Monaten hatte ich es endlich geschafft mich von meinem alten Job in Buenos Aires loszureißen und meine Chance zu nutzen ein neues Leben in der Nähe meiner Mutter zu beginnen und in die Staaten zu ziehen. Ich atmete tief aus, als ich durch die letzte Tür ging, die mich von meiner neuen Familie trennte.
Suchend ließ ich meinen Blick über die vielen Menschen gleiten, bis ich meine Mutter erkannte. Ich lief schnell um die Absperrung und viel ihr um den Hals. „Mum! Ich hab' dich vermisst.", sagte ich in einer festen Umarmung. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und begutachtete mich.
„Mi Niña. Oh Nelida mein Engel. Du siehst müde aus."
Meine Mutter überhäufte mich mit Küsschen und drückte mich fest an sie. Ich lachte leise. Ich blickte über ihre Schulter hinweg und erblickte eine lächelnde Gruppe hinter Mum.
„Willst du mir jemanden vorstellen?", fragte ich meine Mutter, welche sich zu dem Grüppchen umdrehte.
„Das ist unsere Familie, Nelli."
Ich ließ meine Augen erwartungsvoll über die vielen Menschen gleiten. Ich erkannte einen Mann mit Bart und Holzfällerhemd. Das musste Mums Lebensgefährte Charlie sein. Sie hatte mir viel von ihm erzählt und mir oft Fotos und Mails von sich und ihm geschickt und ich war froh, dass sie nach Dads Tod endlich wieder Liebe gefunden hatte.

Die anderen acht erkannte ich ebenfalls von Bildern wieder. Doch hätte ich gewusst, dass sie in Realität noch atemberaubender aussahen als auf den Fotos, wäre ich wahrscheinlich freiwillig in Argentinien geblieben. Als hätte er meine Gedanken und mein Unwohlsein erraten, kam Charlies Schwiegersohn auf mich zu und reichte mir seine Hand.
„Hi, ich bin Edward. Deine Mutter hat uns schon sehr viel über dich erzählt.", lächelte er sanft und reichte mir seine Hand. Ich lachte leise auf.
„Kann ich nur zurückgeben.", erwiderte ich und schüttelte die, mir entgegengehaltene Hand.
Meine Mutter war gar nicht mehr aus dem Schwärmen herausgekommen über Charlies angeheiratete Familie. Stundenlange Monologe über die Ungerechtigkeit der Genverteilung hatte ich mir anhören müssen und nun sah ich auch warum. Ich hätte mich nie als hässlich bezeichnet, doch neben Edward oder Isabella vergaß man schonmal, dass man eigentlich mit sich selbst zufrieden war. Charlies Tochter Isabella hatte Edward geheiratet und zusammen mit ihm eine Tochter adoptiert. Ich ergriff die Initiative und ging zu Isabella und hielt ihr die Hand hin.
„Ich glaube wir sind nun so etwas wie Schwestern", grinste ich.
„Da hast du nicht ganz unrecht", lächelte sie und nahm meine Hand entgegen.
„Ich bin Bella, das ist mein Mann Edward und das ist unsere Tochter Renesmee."
Die nächste, die sich mir vorstellte war Alice und ihr Lebensgefährte Jasper gefolgt von Emmett und einer blonden Schönheit namens Rosalie. Als letztes erblickte ich einen großen breit gebauten Jungen, welcher mich an einen Bekannten in Argentinien erinnerte. Ich musterte ihn und stutzte, als ich das Tattoo an seinem Arm sah.
„Ich bin Jacob. Gehöre eher zweitrangig zur Familie.", grinste er und nahm meine Hand, um diese zu schütteln. Ich musterte ihn noch einmal genau, bevor ich lächelnd auf seine Begrüßung einging.
„Nelida. Hübsches Tattoo. Ein Bekannter hatte Mal ein ähnliches."
Jacob sah mich kurz verdutzt an, bevor er sich fasste und zurücktrat.
„Carlisle hat es leider nicht geschafft, aber du wirst ihn noch früh genug kennen lernen...", sagte Alice und hakte sich bei mir unter.
„Du kannst bei deiner Mutter und mir mitfahren. Die Jungs kümmern sich um dein Gepäck."
Ich musste erneut lächeln. Ein so warmes Willkommen war schön, aber ein Teil von mir schrie danach wegzurennen. Aber ich konnte mir nicht erklären wieso. Meine Mutter lächelte mir zu und zusammen gingen wir zu den Autos.
Kurz nachdem ich mich in Charlies Wagen gesetzt hatte, ging die Hintertür auf und Alice glitt auf den Platz neben mir.
„Wir werden noch eine sehr lange Zeit miteinander verbringen, also sollten wir uns anfreunden.", sagte die Brünette und grinste mich an.
„Ähm, okay, ja klar.", lachte ich unsicher und musterte das Mädchen.
„Du bist Ärztin, hat uns Lucila erzählt."
„Ja. Meine Mutter hat mir auch erzählt, dass euer Ziehvater Arzt ist. Ich werde wohl mit ihm zusammenarbeiten.", sagte ich. Alice nickte in Gedanken versunken.
„Pass bitte auf dich auf. Büroklammern können gefährlich werden.", sagte sie dann und bevor ich auf ihre kryptische Verheißung antworten konnte gingen die Autotüren auf und meine Mutter und Charlie stiegen in das Auto.
„Alles fit? Die Fahrt dauert jetzt etwas. Falls jemand auf Toilette muss sagt er bitte vor dem Unfall bescheid!", rief meine Mutter überschwänglich. Ich lachte auf. Sie hatte sich in den 24 Jahren meines Lebens kein Stück verändert.
„Ja Mamá, ich sag dir bescheid, wenn die Windel voll ist.", meinte ich lachend und warf ihr über den Rückspiegel einen verschmitzten Blick zu, welchen sie mit einem Grinsen beantwortete.

Die Fahrt war unspektakulär. Meine Mutter und Alice stellten mir Fragen über den Job, Argentinien und andere Kleinlichkeiten, die ich brav zu beantworten wusste. Es dauerte seine Zeit, bis wir ankamen, doch als wir vor dem hübschen Holzhäuschen im Wald hielten war ich froh endlich angekommen zu sein. Charlie hatte sich um einen Wohnplatz für mich gekümmert und mit meiner Mutter so weit eingerichtet, dass ich eigentlich nicht mehr viel machen brauchte.
Das Haus war klein, aber groß genug, um dort allein zu leben. Ich stieg aus dem Auto und die Cullens und meine Mutter sowie Charlie und Jacob folgten mir zu dem Häuschen.
„Ich wünschte ich hätte jetzt etwas Champagner, um euch zu danken und mein neues Leben zu besiegeln, aber ich muss mich entschuldigen.
„Das ist kein Problem, Nelida. Wir sind sowieso nicht die... Sekttrinker.", sagte Edward schmunzelnd. Rosalie sah in diesem Moment jedoch nicht sehr belustigt aus, sondern eher so, als würde sie Edward gleich an die Kehle springen wollen. Bella legte eine Hand auf seine Schulter und lächelte mich an. „Alles gut. Ich glaube wir sollten jetzt gehen. Carlisle müsste bald wieder zu Hause sein."
Auch von Carlisle hatte mir meine Mutter viel erzählt. Seine Frau Esme war vor einigen Jahren bei einem Feuer ums Leben gekommen. Man hatte nicht einmal ihre Leiche mehr bergen können. Ich konnte sein Schicksal nachempfinden, war es meinem Vater und meiner kleinen Schwester doch so ähnlich ergangen. Ich konnte mich aus dem betrübten Gedanken recht schnell lösen und richtete mich wieder an die Menschen mir gegenüber.

„Geht nur. Ich komme auch allein zurecht. Ich möchte mich jetzt sowieso erst einmal aufs Ohr hauen. Wenn ich übermorgen schon mit Arbeiten beginnen möchte, will ich ausgeruht sein."
Mum, Charlie, Edward und Emmett blieben noch, um mir mit dem Aufbauen von einigen Sachen zu helfen, jedoch war das meiste schon getan, oder musste noch mit dem Umzugswagen in ein paar Wochen ankommen.

Als ich allein war atmete ich einmal tief durch. Es war ein spannender Tag gewesen. Spannend, aber auch auslaugend. Aber ich freute mich umso mehr mit meinem neuen Job anfangen zu dürfen. In dieser Beziehung war ich ein echter „Workaholic". Wenn ich etwas hatte, was mich begeisterte, fiel es mir sehr schwer damit aufzuhören. Vielleicht war das auch meine Schwäche. Ich konnte Dinge nicht einfach loslassen.
Gerade deswegen fiel mir der Abschied in Buenos Aires besonders schwer. All meine alten Lieblingsplätze und argentinischen Gewohnheiten musste ich ablegen. Mich versuchen in die amerikanische Gesellschaft einzugliedern. Glücklich sein.
Ob ich glücklich war?
Zurzeit sehr. Auch wenn ich irgendwie Heimweh hatte.
Ich riss mich aus meinen Gedanken und begann meinen Koffer auszupacken. Ich legte meine Lieblingsbücher auf den kleinen Beistelltisch. Dann folgte ein Wecker und eine Packung Taschentücher. Ich bezog das Bett mit neuer Bettwäsche und legte einen kleinen Stoffhasen neben das Kissen.
Irgendwann wird er meinem Kind gehören...
Das sagte ich mir immer, wenn ich auf mein altes Stofftier sah.
Ich entschloss, dass ich mich dringend noch um Internet in dem Haus kümmern musste, als ich erkannte, dass der Empfang hier im Wald eher dürftig war.
Aber darum konnte ich mich morgen noch sorgen. Für heute war mein Tag beendet. Ich war müde, kaputt, aber voller Freude und Hoffnung und Spannung darauf, was mich jetzt noch erwarten würde.
In Gedanken an die neuen Möglichkeiten und Perspektiven, die ich nun hatte, stieg ich in mein Bett und schlief tief und fest ein.

Stardust - Carlisle CullenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt