24.- Naaras Geheimnis

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24.- Naaras Geheimnis

„Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob wir ihnen wirklich vertrauen können."
Carlisle strich mir meine Haare zur Seite und verschloss mein Silberkettchen bedächtig, bevor er mir antwortete.
„Es stellt ein Risiko da, aber sie ist deine Schwester."
Er hauchte mir einen Kuss in den Nacken und ich lehnte mich leicht gegen ihn, während seine Arme mich umschlossen.
„Sie war mir selten so fremd... Wenn es nur um uns gegangen wäre, meinetwegen. Aber hier geht es auch um Felicitas. Ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken, dass José sich auf sie geprägt hat und auch nicht, dass Naara und Fred auf die übliche Weise speisen.", hauchte ich und drehte mich zu ihm um.
Seine Lippen legten sich auf meine Stirn und ich schloss die Augen. Es beruhigte mich ihn in der Nähe zu wissen. Am Horizont ging bereits die Sonne über dem abtauenden Wald auf. Ihre Strahlen tauchten alles in ein warmes rotorange und auf einmal erschien der düstere Wald vor uns gar nicht mehr so dunkel und trostlos.
Ich küsste Carlisle vorsichtig auf die Wange. Meine Augen hielt ich geschlossen.
Das glänzende Gold, welches sie nun seit einiger Zeit trugen, war nicht mit den honigfarbenen Iris meines Gegenüber vergleichbar.
Carlisle verglich ihre Farbe mit dem blassen gelborange, welches den Anfang einer neuen Nacht ankündigte. Mein eigenes Erwachen der Nacht. Getrübt einzig und allein durch den schwarzen Schimmer, der Aussage, dass ich Hunger hatte.
Ich traute mich nicht aus dem Haus, von der Befürchtung zerfressen irgendjemandem könne etwas zustoßen. Das Brennen in meiner Kehle war unangenehm, aber noch auszuhalten. Meine größte Angst und auch Abscheu hegte ich den Eindringlingen gegenüber, die nach einer Jagd mit blutroten Augen zurückgekehrt waren.
Naara hatte sich verändert. Aus ihr war in vielen Bereichen eine rücksichtslose Jägerin geworden, die keinen anderen Sinn in ihrem ewigen Dasein sah, sich so zu benehmen, wie ihre Instinkte es vorgaben. Sie entschied sich nicht bewusst für Dinge und das machte mir Sorgen und Angst.
Carlisle schob mich mit sanfter Gewalt vom Fenster fort und teilte mir mit, dass er bald in das Krankenhaus müsse. Ich vermisste die Arbeit dort. Aber ich wusste genauso gut, dass es fatal für jeden Kranken und Verletzten wäre, würde ich sie versorgen müssen. Der Geruch von frischem Blut war noch immer unausstehlich für mich und ich hasste mich dafür. Jasper war der einzige, der meine Qualen noch ansatzweise nachvollziehen konnte, doch er war nun auch schon so lange Zeit abstinent, dass er mit dem Geruch immer besser klarkam.
Ich halt in Haines als die schöne Ziehmutter, die ab und an zu Gartenpartys eingeladen wurde. Doch das größte, was ich selbst aufbringen konnte war es Felicitas von Freunden aus dem Kindergarten abzuholen.
„Ich muss jagen gehen, bevor ich Feli zum Kindergarten bringe.", flüsterte ich und blickte zu dem blonden Vampir, der sich gerade sein Hemd zuknöpfte. Ein Anblick zum anbeißen, doch das war jetzt nicht der Punkt.
„Frag doch Jasper. Ich denke er und Alice sollten auch Mal wieder jagen gehen.", schlug er vor. Ich nickte leicht und schlich zu ihm, um die Krawatte zuzubinden.
Nicht, dass er es selbst nicht könnte, doch es war eine Art Ritual geworden.
Jeden Morgen vor seiner Arbeit band ich ihm die Krawatte und er half mir Esmes Kette umzuziehen.

Naara saß wie versteinert in der Sitzgruppe vor dem Fernseher, in dem gerade ein Morgenmagazin lief. Sie wirkte wie eine Statue, wunderschön und unbeweglich, starr. Ab und zu fragte ich mich, was gewesen wäre, hätte man sie etwas später verwandelt. Siebzehn war noch sehr jung, selbst ich fühlte mich mit sechsundzwanzig von Mal zu Mal noch zu jung.
Edward hatte meine Gedanken gehört. Und verzog leicht den Mund.
„Entschuldige.", murmelte ich, als mir einfiel, dass Bellas Mann auch mit siebzehn sein sterbliches Leben gelassen hatte.
„Ja... Ich weiß was du meinst.", murmelte er nur und wendete sich wieder zu Renesmee, welche nun ausgewachsen war.
Naara würdigte mich keines Blickes und ich ließ die Augen suchend durch das Zimmer schweifen, um ihren Gefährten zu finden.
Ich fand ihn in der Küche, vertieft in ein Physikbuch.

„Jasper, Alice?", rief ich, um sie bitten mit mir jagen zu gehen.
Die beiden kamen schnell angehuscht und ich trat gerade auf die Haustür zu, als Fred mich an der Schulter zurückhielt.
„Auf ein Wort, bitte.", sagte der blonde und sah mich dringlich aus seinen rotglühenden Augen an. Mir wurde etwas unbehaglich, weswegen Jasper nun alarmiert zu uns beiden blickte. Ich gab ihm mit einem Wink meiner Hand zu verstehen, dass alles in Ordnung war und folgte dem Freund meiner Schwester weit genug vom Haus weg, sodass wir vor den Ohren der anderen sicher waren und auch Edward keinen Gedanken mehr hören konnte.
„Es geht um Naara.", klärte der introvertierte Vampir mich auf. Aufmerksam sah ich ihn an und wartete darauf, dass er weitersprach.
„Dir ist sicher aufgefallen, wie wenig sie sie selbst ist.", murmelte er und sah konzentriert auf einen unbestimmten Punkt weit hinter mir. Ich nickte vorsichtig, wusste nicht recht, was ich erwidern sollte.
„Seit wir von den Volturi weg sind, leben wir nomadisch. Das war auch kein Problem, zumindest für mich, doch sie hat sich irgendwie verloren. Sie wächst zu einer sadistischen Figur heran, die angsteinflößender wird als die Meister. Ich habe so viel versucht, doch ich bin mit meinen Kräften am Ende. Wenn ich sie nicht lieben würde, hätte ich alles dafür getan, dass sie entweder aus dieser Welt verschwindet oder zu Gehorsam gezwungen wird. Nelida, ich weiß, dass nur du sie wirklich verstehst, du kennst sie länger als ich, als jeder andere und ich will, dass José der letzte bleibt, der unter ihren Fähigkeiten gelitten hat."
Es lag eine Dringlichkeit in seiner Stimme, die mich frösteln ließ. Ich fühlte mich wie in Eiswasser geworfen und fragte mich, was ich tun könnte, um meiner Schwester zu helfen.
„Hat sie vor ihrer Verwandlung gewusst, was du bist?", fragte ich und schlang die Arme um meinen Körper.
Fred schüttelte stumm den Kopf. Sie hatte es nicht gewusst.
„Nachdem sie verwandelt war, seit ihr sofort zu den Volturi?"
„Nein, sie wollte sich von euch verabschieden und entdeckte in dem Zug ihre Fähigkeiten. Ihr Durst brachte ein kleines Massaker in Buenos Aires zustande und machte die Volturi auf uns aufmerksam. Sie war sofort begeistert von der Idee ihnen zu dienen und konnte auch die Meister mit ihrer Gabe überzeugen. Unter der Bedingung mich am Leben zu lassen, schloss sie such der Wache an. Wir verbrachten sehr viel Zeit dort, aber ich fürchte dort ist irgendetwas passiert. Ich war nicht bei allen Missionen dabei. Nach ihrer letzten ist sie komplett ausgetickt und hat die Erinnerung an uns beide aus den Köpfen der anderen gelöscht. Wir sind geflohen. Bis heute weiß ich nicht, was vorgefallen ist."

Das Knacken des Genicks des anmutigen Bären hallte in meinen Ohren schmerzhaft nach. Ich war die ganze Jagd über nicht ich selbst, hatte zweimal meine Beute verloren und anschließend nur dieses alte Männchen erwischen können. Das Blut schmeckte bitter, alt, gab keinerlei Befriedigung, doch löschte den Durst. Jasper und Alice hatten mich die meiste Zeit über besorgt betrachtet und Jasper hatte mir am Ende den Gefallen getan, mich wenigstens nicht mehr so seltsam bedrückt zu fühlen. Als ich Felicitas in den Kindergarten gebracht hatte, zog der Vormittag erschreckend langsam an mir vorbei. Naara und Fred waren aufgebrochen, um jagen zu gehen und ich war alleine im Haus.
Meine Mutter rief mich gegen elf Uhr an und ich wusste, dass ein Gespräch mit ihr guttun würde.
„Mama"
„Nelida, Schatz. Wie geht es dir? Besser?"
Wir hatten ihr erzählt, dass ich nicht arbeiten konnte, weil mein Herz zu schwach wäre.
„Nicht wirklich. Wenn es einen Weg gäbe, außer ewig auf ein Spenderherz zu warten, ginge es besser", hauchte ich. Ich hasste es zu lügen. Es ging mir schon so einfach über die Lippen, dass es mich selbst erschreckte.
„Ohje, ich hoffe Charlie und ich schaffen es diesen Sommer zu Besuch zu kommen. Es ist schon viel zu lange her... Wie macht sich meine kleine Enkeltochter?"
„Felicitas geht es gut. Sie hat die Killerviren des Kindergartens vor ein paar Wochen für sich entdeckt, aber das ist Gott sei Dank auch wieder vorbei. Carlisle hat sich ganz lieb um sie gekümmert."
„Das ist schön... Wann heiratet ihr beiden denn endlich? Ich will wenigstens noch einmal den Anlass haben ein hübsches Kleid zu kaufen, ohne dabei von Charlie schräg angeschaut zu werden.", lachte meine Mutter und ich musste leicht schmunzeln. Ja, eine Hochzeit wäre wirklich schön, doch ich hatte das Gefühl, dass wir beide noch nicht so weit waren.
„Ich sag dir schon bescheid, wenn es soweit ist.", murmelte ich schmunzelnd.

Ich hörte, wie sich die Tür öffnete und nahm den Geruch von Naara und Fred wahr. Ich wusste nicht, wie meine Schwester reagieren würde, wenn sie die Stimme meiner Mutter hörte, also versuchte ich sie schnell abzuwimmeln.
„Hey, wie wäre es, wenn ich die Woche noch einmal anrufe? Ich sehe gerade eine Nachricht vom Kindergarten auf dem AB, ich will nichts riskieren."
„Ach Herrgott, ja. Wir reden dann die Woche nochmal. Und grüß mir die anderen schön... Charlie sagt, er richtet auch Grüße an Bells. Ich habe dich lieb mein Schatz."
„Ich dich auch. Bis dann, tschüss."
Ich konnte mich nicht genug beeilen, das Telefon in die Ladestation zu stellen, doch ich wusste, dass es zu spät war, als ich das Gesicht meiner kleinen Schwester erblickte.
„Du hast noch Kontakt zu ihr?", fragte sie betont gleichgültig, während sie nach einem kleinen Dekohasen griff, den Rosalie mir von einer Reise mitgebracht hatte.
„Wie geht es ihr?", fragte sie und taxierte mich mit ihren hellroten Augen. Sie roch nach Menschenblut und ihr weißes T-Shirt ließ darauf zurückführen, was für ein Massaker sie angestellt haben musste.
„Gut.", antwortete ich knapp und wich ihr etwas aus.
„Erfreulich.", gab sie ebenso kurz angebunden zurück.
Fred, der den Raum betreten wollte, machte auf dem Absatz kehrt und ich wusste, was nun auf mich und meine Schwester zukam.
„Auf ein Wort, Schwester."

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Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!
Es tut mir leid, dass das Kapitel erst so spät kommt, aber ich hatte sehr viel mit lernen und Schule zu tun. Aus diesem Grund weiß ich auch nicht, ob ich es schaffe nächste Woche ein Kapitel hochzuladen.
Wir lesen uns das nächste Mal!
Bis dahin,

-Ann :)

P.S. Seite 90 in Word ist erreicht. Ich kann es kaum glauben...

(ca. 1640 Wörter)

Stardust - Carlisle CullenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt