5. - blühende Fantasie

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5. - blühende Fantasie

Ich hatte darauf bestanden mich in Carlisles Auto selbst nach Hause zu fahren und nun saß ich schweigend hinter dem Steuer und betätigte gerade den Scheibenwischer.
Es regnete in Strömen und ich konzentrierte mich auf die Straße, als Carlisle seinen starren Blick erneut auf mich richtete.
„Warum tust du das für mich? Ich meine ich-“, er unterbrach sich.
„Ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass Totarbeiten nicht der Weg ist, um mit eigenen Schmerzen umzugehen. Egal wie viele Leben man rettet, man hält sich immer vor, dass man das eine nicht retten konnte.“ Meine Hände verkrampften sich um das Lenkrad.
„Mein Vater und meine Schwester sind vor zwei Jahren in einem Feuer ums Leben gekommen. Meine Schwester war gerade 17 und mein Vater wollte sie aus diesem Club abholen... Ein technischer Defekt in der Klimaanlage, soweit ich weiß. Nur ein paar Leute sind mit dem Leben davongekommen. Ich musste lernen, dass der Schmerz okay ist, man darf sich nicht davor verschließen, ansonsten kommt es irgendwann zurück. Mit einer Gewalt, die dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Am schlimmsten war es, als ein Patient sein Leben verlor. Ich hatte Glück, dass mein Freund in dem Moment noch da war, bevor er mich verlassen hat.“
Ich holte tief Luft und merkte, dass meine Atmung wieder ruhiger wurde. Es war keine Frische Wunde mehr, aber trotzdem war ich erstaunt, dass ich so gefasst geblieben war. Doch noch verwunderter war ich über meine Aufgeschlossenheit Carlisle gegenüber. Auch er schien nicht zu wissen wie er reagieren sollte. Er räusperte sich leise blickte mit müden Augen aus den Fenster.
„Esme hat bei einem schrecklichen Unfall das Leben verloren. Sie ist auf einer Lichtung in einen Waldbrand geraten. Es war zu spät. Ich war zu spät.“, Carlisle atmete tief ein, blickte zu mir. Er redete mit mir darüber, was mich erstaunte. Zwar war es mein Talent Menschen ihre wahren Gefühle zu entlocken, doch hätte ich bei seinem verstrickten Charakter nicht damit gerechnet. Ich blickte kurz zu ihm. Der Goldton seiner Augen war wieder diesem Schwarz gewichen. Es machte mir Angst, doch ich sagte nichts. Dachte über alles bloß nicht das Autofahren nach.

Das war mein Fehler. Diese kurze Unaufmerksamkeit genügte, dass der Wagen im strömenden Regen ins Schleudern geriet. Ich konnte nicht einmal mehr schreien, bevor der Wagen direkt in einen Baum setzte und ich das Bewusstsein verlor.

*

Schmerz durchzog all meine Glieder, als ich aufwachte. Ein grelles Licht blendete mich und ich kniff die Augen zusammen um zu erkennen, was geschehen war. Ich war nicht zu Hause. Was war passiert? Da fiel es mir wieder ein. Der Autounfall! Ich setzte mich ruckartig auf, bereute dies jedoch sofort. Eine Woge des Schwindels überrollte mich und ich fiel stöhnend in das Bett zurück. Mir tat alles weh und meine Lunge schien bei jedem Atemzug meine Rippen zu brechen. Ich fing an zu husten und merkte, wie wieder schwarze Punkte des Schwindels vor meinen Augen zu tanzen begannen. Ich krallte mich ins Bettlaken, als ich gerade vernahm, wie die Tür geöffnet wurde. Carlisle stand dort, gekleidet in seinem Arztkittel. Warum zum Teufel war er schon wieder am Arbeiten?

„Es ist schön, dass du wieder wach bist. Wie geht es dir?“, fragte er mit samtener Stimme, doch ich konnte nicht anders, als ihn verstört anzusehen.
„Warum, in Marias Namen...“, meine Stimme war rauh und kratzte. Ich hustete erneut und verzog mein Gesicht.
„Ich bin sehr glimpflich davongekommen, Nelida. Man kann von einem Wunder reden, dass du noch lebst.“
„Wie lange war ich weg?“
„Zwei Tage.“
Ich starrte die Wand neben ihm an. Zwei Tage. Meine Mum würde außer sich sein.
„Wann darf ich wieder gehen?“
„Du hast einige innere Blutungen erlitten und zwei deiner Rippen, sowie dein linkes Bein sind gebrochen. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis du wieder arbeiten kannst.“, sage er, als ob er meine Gedanken waren hätte. Ich blickte ihn an und seufzte leise.
„Na super... Kann ich meine Mum sprechen? Ist sie da?“
„Sie war jeden Tag hier. Sie müsste jede Sekunde kommen.“, er wandte sich von mir ab und notierte sich etwas auf seinem Klemmbrett.
Ich schüttelte langsam den Kopf. Irgendetwas war hier verdammt faul, aber ich wusste nichts mehr, außer einem Wirrwarr aus Schatten, die wie Wölfe und viel zu schnell laufenden Menschen aussah.
„Erinnerst du dich an etwas?“
Der blonde Arzt drehte sich langsam zu mir und ich verneinte, wobei er mit einem Mal entspannter wirkte.
Die Tür öffnete sich und meine Mutter trat zusammen mit Charlie und Isabella ein. Letztere schloss die Tür wieder und sah mich aufmerksam an.
„Nelida! Mein Engel was machst du für Sachen?“, meine Mutter fing an auf Spanisch auf mich einzureden bis Charlie sie sanft an der Schulter packte.
„Ich denke du musst Carlisle fragen was passiert ist. Ich erinnere mich nur an meine Träume. Aber falls euch riesige Wölfe und unglaublich schnell rennende Ärzte Antwort genug sind...“, ich lachte halbherzig und bekam nur mit wie Bella Carlisle mit einem langen Blick bedachte. In ihren goldenen Augen lag ein besorgter Schimmer und auch Charlie schien mit einem Mal etwas blass um die Nase. Einzig und allein meine Mutter lachte leise und streichelte mir sanft über die Stirn.
„Du hattest schon immer eine blühende Fantasie. Aber dein Vater hat dir aber auch Flausen in den Kopf gesetzt.“

George Arias, mein Vater hatte immer viel über Forks erzählt. Er hatte sein halbes Leben hier verbracht und war eng mit den Quileuten, ein natives Volk Amerikas, befreundet gewesen. Aus diesem Grund war meine Mutter auch an Charlie geraten. Er und mein Dad waren damals in der Highschool befreundet gewesen und nach seinem Umzug nach Argentinien hatten sie sich nicht aus den Augen verloren. Meine Mum hatte bei ihm gelebt, als sie den Spuren meines Vaters folgen wollte und war so an den Chief von Forks geraten.

Ich seufzte, als ich an die Legenden der Quileute dachte. Mein Vater hatte immer darauf beharrt, dass sie wahr waren, doch jetzt wusste ich es besser. Werwölfe existierten nicht. Genauso wenig wie Vampire oder Feen, dem war ich mir in meinem Alter nun bewusst.

Carlisle blickte mich aufmerksam an und ich bemerkte, dass ich wohl etwas nicht mitbekommen hatte.
„Was?“, murmelte ich irritiert und ich vernahm, dass Bella leise lachte.
„Ich habe gefragt, ob du noch weitere Schmerzen hast? Kopfschmerzen oder Übelkeit.“
Ich verneinte durch ein Schütteln meines Kopfes.
„Ich denke du wirst Ende der Woche, also Samstag früh entlassen werden können. Dafür musst du aber zu Hause unter Bettruhe bleiben, verstanden?“, erklärte Carlisle geduldig.
„Und die Willkommensfeier?“
Ich wunderte mich, dass es Bella war, die danach fragte, beinahe drängte.
Carlisle seufzte leise und legte das Klemmbrett ans Bettende.
„Ich denke nicht, dass es in ihrer Verfassung sinnvoll wäre. Aber die Entscheidung liegt bei Nelida.“
Beinahe sorgenvoll blickte mich Carlisle an.
„Ich unterschreibe ja nicht mein Todesurteil, wenn ich am Samstag Mittag etwas Feier. Und wenn Mum sich bereit erklärt ihren fantastischen Dulce de Leche Kuchen zu backen kann ich ja nur wieder gesund werden.“, sagte ich zuversichtlich.
Meine Mutter lächelte und nickte, als ob sie sich dazu bereit erklärte den Kuchen zu backen.
„Es wäre besser, wenn ihr jetzt geht. Nelida benötigt trotz ihrer stabilen Verfassung noch viel Ruhe.“, meinte Carlisle auf einmal hastig, als wolle er das gerade Geschehene ungeschehen machen. Wieder schlich sich dieser Müde Ausdruck in sein Gesicht und ich bemerkte, wie Isabella ihn mit einem besorgten Blick bedachte. Sie ging als erstes, ihr Handy bereits zückend, als wolle sie so schnell wie möglich jemanden telefonisch erreichen. Danach zogen sich Charlie und meine Mutter zurück und wünschten mir noch einen schönen Abend. Einzig und allein Carlisle blieb im Raum und mir wurde auf einmal sehr heiß.

Wieder stieg diese undefinierbare Angst in mir auf. Der Instinkt einfach schreiend weglaufen zu wollen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und das EKG piepste mit einem Mal wie verrückt.
Verdammtes Gerät!

Carlisle, Der gerade dabei war seine Notizen auf dem Klemmbrett erneut zu untersuchen, blickte auf und sah mich an.
Mit einer kurzen Bewegung, entfernte ich zwei der Elektroden, die meine Herzfrequenz aufzeichneten und setzte mich langsam auf.
„Kack Gerät.“, murmelte ich und starrte stur an meinem Gegenüber vorbei.
Dieser bedachte mich eines kurzen belustigen, jedoch auch etwas besorgten Blickes, bevor er sich abwandte und zur Tür ging.
„Gute Nacht und schlaf schön, Nelida Arias.“

___

Juhu, das 5. Kapitel ist fertig!
Ich hoffe es hat euch gefallen und würde mich über einen Kommentar oder Kritik freuen!
Wir lesen uns das nächste Mal!

Eure Ann!

(ca. 1350 Wörter)

Stardust - Carlisle CullenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt