25.- Wahrheit und Tod

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25.- Wahrheit und Tod

„Ich versuche etwas zu verstehen, was ich nicht wirklich verstehen kann, Naara. Was ist passiert?“
Das Knacken und Brechen des Porzellanhasens, welchen sie immer noch umgriffen hielt, ließ mich den Fokus auf ihr Gesicht wiederfinden.
„Als ob es dich interessiert.“, fuhr sie mich an und ich konnte nicht verhindern, dass ich zurückzuckte.
Ein vergessenes Gefühl der Wut breitete sich brennend in meinem Bauch und Kopf aus.
„Ja, mich interessiert es in der Tat! Weil es hier nicht nur um mich geht!“, knurrte ich ungehalten.
„Es geht immer nur um dich!“, schrie sie mir nun entgegen.
Ich zog die Luft scharf ein und spürte wie meine Miene verhärtete.
„Du irrst dich. Ich habe eine Familie, eine Tochter, die geradeeinmal drei Jahre alt ist, einen wunderbaren Freund und seine Familie, die mir wie meine eigene erscheint. Sechs Kinder und eine Enkeltochter. Hier dreht es sich nicht nur um mich, meine Liebe. Um genau zu sein dreht sich in deiner Welt nur alles um dich. Es reicht mir. Warum seid ihr hier? Warum hat José es verdient nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein? Und warum um alles in der Welt hast du dich zur größten Feindin der Volturi gemacht?“, meine Stimme klang ruhig, gefasst. Es überraschte mich selbst, dass ich so reagieren konnte.
Naara starrte mich mit einer Mischung aus blankem Hass und Entsetzen an.
„Du weißt gar nichts...“
„Dann erkläre es mir verdammt nochmal!“, fuhr ich sie an.
Naara zuckte zurück, ich hatte etwas in ihr bewegt, ihre eiserne Miene hatte einen Riss bekommen.
In meinem Kopf rauschte es unangenehm, meine Wut schien mich beinahe zu Übermannen.
Naara war nicht blöd, sie bemerkte, wie wütend ich war, wich nocheinmal zwei Schritte zurück.
„Ich verstehe es nicht! Also bitte...“, ich sackte etwas in mich zusammen und verfluchte den Fakt, dass ich meinen Ärger keinen Platz mit Tränen machen konnte.
„Ich will doch einfach nur meine Schwester wieder in den Arm schließen.“, seufzte ich nun leise und sank erschöpft auf das Sofa.
Naaras Gesicht war starr vor Schreck und Terror. Ich hörte, wie Fred unten die Tür aufstieß und in den Schnee verschwand, ich hörte auch, wie Edwards Volvo vorfuhr und Nessis helles Lachen zu uns hochklingen, gefolgt von Jacobs warmen Bass.
Edward hatte wahrscheinlich die Wirbelstürme in Naaras und meinem Kopf erkannt und bremste die beiden, bevor sie das Haus betreten konnten. Beinahe augenblicklich spürte ich Bellas Schild um meinen Körper.
„Es ist genau das, Nelida.“
Naara starrte an mir vorbei, ich hörte, wie Edward den Raum betreten wollte.
Bleib draußen!
Meine Gedanken hielten ihn davon ab die Tür zu öffnen, er blieb jedoch davor stehen.
„Was?“, fragte ich meine Schwester irritiert.
„Du hast eine Ordnung in deinem Leben, Familie, Freunde... Ein Kind.“
Schockiert starrte ich das kleine Mädchen vor mir an.
„Was?“, fragte ich noch einmal, noch verwirrter.
„Du weißt nicht, was ich alles gemacht habe, als ich bei den Volturi war. Ich habe mich zerstört, mein Gewissen ist gestört und das macht mich verrückt! Hier ist alles harmonisch, schön, menschlich. Ihr seid alle so verdammt menschlich.“
Naaras hellrote Augen glühten, ließen mich ihre blanke, eiskalte Wut erkennen.
„Wie hätte ich das wissen sollen?“, meine Stimme brach. Naara funkelte mich an und drehte sich zum Fenster, den Blick auf die kristallene Winterlandschaft gerichtet. Sie führte sich für einige Sekunden nicht, bevor sie den Zorn wieder unter Kontrolle hatte und leise und kontrolliert anfing zu sprechen.
„Ich wollte Mum das alles nicht antun. Wäre ich in dieser Nacht gestorben, würdest du noch leben. Hättest du gleich am Anfang auf meine verdammten Nachrichten gehört, hätten die Volturi sich niemals für dich interessiert. Du hättest einfach nur einmal in deinem Leben nicht so furchtbar naiv sein dürfen!“
Ihre faust hatte den Dekohasen mittlerweile zu feinem Sandstaub bearbeitet, welcher langsam auf den Boden rieselte.
„Naara...“, meine Stimme klang rauh, nicht menschlich, beinahe tränenerstickt, hätte ich weinen können.

„Sei still!“, ihr Schrei kam unvermittelt und ihre Faust landete klirrend in der Fensterfront. Ein eiskalter Wind packte meine Haare und wehte die feinen Splitter in meine Richtung. Die Zimmertür flog auf und ich hörte Edward und Emmett.
Ich hatte Rosalie und ihren Mann nicht kommen gehört.
Ein rascher Blick nach draußen erlaubte mir einen Ausblick auf einen vor Schreck erstarrten Fred. Meine Schwester drehte sich zu mir um und bedachte die beiden Männer hinter mir mit verächtlichen Blicken.
Edward versteifte sich merklich hinter mir.
„Es ist fast, wie die Menschen die ich töten musste.“
Der Gedankenleser zog scharf die Luft ein und ich wollte mir Naaras Gedanken nicht ausmalen wollen.
„Eine Mutter, vielleicht vierzig, ein Vater, maximal fünfundvierzig, zwei Kinder, siebzehn und elf. Eine kleine Schwester, eine große Schwester. So fragile Leben. Ein Wissen zu viel, ein Wort zu viel. Das war ihr Tod. Und genau ihr Blut klebt an meinen Händen. Und dann steht ihr alle hier. Wie sie! Das was ich will- immer wollte!“, ihre Stimme tobte.
„Eifersucht ist eine der gefährlichsten Suchten, Naara.“, sagte Edward leise und bedacht. Seine Stimme klang kontrolliert und obwohl er zum zerreißen gespannt war übte es eine leise Entspannung auf den Raum aus.
Naaras Augen glitten zu mir. Ich erkannte einen bekannten Ausdruck, einen, den ich als Jugendliche schon immer bei meiner Schwester erkannt hatte. Trauer, Angst. Hinter all der Wut, die Zweifel, der Selbsthass, welcher sie rasend machte.
„Naara, niemand verlangt von dir, perfekt zu sein. Wir sind es alle nicht.“, hauchte ich.
Die roten Augen wichen mir aus.
„Du hättest ein besseres Leben haben können.“, flüsterte sie, etwas war gebrochen.
„Ich weiß. Aber es ist nicht deine Schuld; es war meine Entscheidung nach Volterra zu gehen. Meine Entscheidung Aros Nachricht zu folgen. Es wäre so oder so nur eine Frage der Zeit gewesen. Also bitte, hab keine Angst. Nicht mehr.“, flüsterte ich.

Rosalies Geruch erreichte meine Nase und ihre wunderschöne Gestalt durchschaute die Situation beinahe augenblicklich.
„Naara, lass mich dir meine Geschichte erzählen, bitte.“, sagte sie und reichte ihr eine Hand.
Die Miene meiner Schwester durchzog ein verwirrter Schatten und ich nickte ihr als stumme Aufforderung zu.
Sie wusste weder, dass Rose unsere Tante war noch, mit welch grausamen Schicksal und welchem Selbsthass die Immerjunge Blondine zu kämpfen hatte. Ich hoffte, dass Naara es verstehen würde.

*

„Was denkst du?“ Carlisle hielt meine Hand sanft in seiner. Ein Seufzer entfloh meinen Lippen.
„Sie ist von Selbsthass zerfressen, ich denke, sie ist in dem Moment zerfallen, als sie eine junge Familie auslöschen musste, die zu viel wusste. Die Zeit wird Wunden heilen, aber es ist ein weiter Weg. Fred meint, sie werde demnächst weiterziehen und sich einen kleinen Wohnort suchen, wo sie einen neuen Weg einschlagen können.“
Naara war noch bleicher, als sonst von dem Spaziergang zurückgekehrt, Rose Gesicht hatte verdächtig zufrieden geschimmert. Kurz darauf waren auch Alice, Jasper und Carlisle zurückgekehrt.
Dieser hatte alles erfahren wollen und nun blickte ich in seine wundervollen Augen und beendete das Gespräch.
Sein Blick war wachsam, lag auf meinem Gesicht. Erneut seufzte ich. Draußen waren Worte des Streits zu vernehmen. Fred und Naara waren fast grundverschieden und trotzdem hörte ich seine Zuneigung bis in das Obergeschoss. Er liebte sie, würde sie immer lieben.
Das wäre so ein Vampirding, hatte Emmett mir einmal erzählt, der Grund, warum ich nie mehr freiwillig Carlisle zurücklassen würde.
Doch wenn der Partner so grundverschieden war, machte es die Situation nicht einfacher.
Auch Naaras Alter war eine Geschichte für sich. Sie war zwar siebzehn, doch welche siebzehnjährige war mental und emotional schon so weit ausgereift, wie ein dreißigjähriger?
Ich würde selbst von mir behaupten, dass ich ab und zu noch ein paar Jahre mehr vertragen hätte, bevor mein Lebenszyklus für immer zum Stillstand gekommen wäre.
Naara war mit siebzehn keine selbstständige, unabhängige Teenagerin gewesen. Sie war ein Familienkind, liebte jeden, war eine kleine Mary Sue, wenn man es so nennen wollte. Aber dieses Blatt hatte sich gewendet.

„Nelida... Zerbrich dir deinen Kopf nicht zu sehr.“, hörte ich die sanfte Männnerstimme Carlisles neben meinem Ohr. Kurz darauf spürte ich einen Kuss auf meiner Wange.
Ich hörte Felicitas fröhliches Quietschen aus dem Nebenraum. Sie war dabei mit Bella und Rosalie ihre Playmobil Welt auszubauen, oder alle zwei Sekunden zu planieren und zu zerstören, wie Emmett es zu sagen pflegte.
„Du hast Recht...”, sagte ich und richtete meinen Blick auf ihn.
Ein Schrei, gefolgt von einem furchtbaren Aufheulen ließ uns beide zusammenschrecken. Etwas war passiert und José war kein Charakter, welcher einfach losheulte, weswegen es nur den Bruchteil einer Sekunde dauerte, bis Carlisle und ich im Wohnzimmer standen, wo der Wolf vor Qualen gekrümmt lag, Felicitas weinte fürchterlich und hatte ihren Kopf an Rose gedrückt. Der Blick der blonden war vor Schreck verzerrt, Fred stand wie versteinert in der Tür und Bella schien zu perplex ihre Fähigkeiten einzusetzen.
Der Anblick der mich in den größten Schreck versetzte war Naaras.
Ihr Gesicht war verzerrt auf José gerichtet, sie Schrie und in ihrem Gesicht machten sich Risse breit.
Eine furchtbare Angst durchfuhr mich.

„Naara! Nein!”

José hörte auf zu heulen.
Eine unheimliche Stille machte sich breit. Es war zu still.
Jacob und Nessi waren nicht da.
Nur José, doch kein Herz schlug.
Naara brach Sekunden später zusammen. Über ihren kompletten Körper waren Risse verteilt, als hätte man eine Porzellanpuppe fallen lassen, die nun überall Haarrisse hatte.
Die Zeit stand für Sekunden still.
Und dann brach ein Sturm aus.

___

Erstmal Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt melde! Die Woche war sehr stressig, bin zu nichts gekommen. Dafür werdet ihr mit hoffentlich zwei Kapiteln dieses Wochenende entlohnt!
Und dann will ich natürlich wie immer wissen, wie es euch gefallen hat? Hättet ihr mit diesen Gründen gerechnet? Und was haltet ihr von der dramatischen Wende?

Wir lesen uns!

-Ann <3

(ca. 1550 Wörter)

Stardust - Carlisle CullenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt