29. Kapitel (Tris)

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Es hat wieder angefangen zu schneien. Die Schneeflocken verfangen sich in meinen Wimpern und hinterlassen ein leichtes Prickeln auf meiner Haut.

»Hier ist es«, sagt Zeke und bleibt stehen. Der Strahl seiner Taschenlampe, die wir glücklicherweise im Flugzeug noch aufgabeln konnten, zeigt auf ein Loch zwischen einigen vertrockneten Sträuchern und Mauerresten, welches einen langsam unter die Erde führt. Hätte ich nicht gewusst, dass es sich dort befindet, hätte ich es wahrscheinlich gar nicht bemerkt und für ein Überbleibsel einer alten Ruine gehalten.

»Dann stürzen wir uns mal in die Dunkelheit«, sagt George mit etwas zu viel gespielten Enthusiasmus.

»Wartet!«

Ich drehe mich überrascht um, als ich Calebs Rufe in der Ferne vernehme. Er fuchtelt wild mit den Händen in der Luft herum, während er zielgerade auf uns zu läuft.

»Ich ... Ich will euch ... begleiten. «, sagt Caleb und schnappt zwischendurch immer wieder nach Luft. »Bitte ... lasst mich mitkommen.«

»Bist du dir sicher?«, frage ich ihn mit zusammengekniffenen Augenbrauen. »Letztes Mal als du unbedingt mitkommen wolltest, wurdest du fast erschossen.«

»Ganz sicher. Ich habe außerdem noch den Code, den ihr für die Aktivierung des Gedächtnisserums braucht. Ich könnte ihn dir zwar auch aufschreiben, aber ich möchte dabei sein, wenn du das alles hier beendest. Diesmal lass ich dich nicht alleine gehen«, sagt er und wischt sich den Schnee aus den Augen.

»Wenn du meinst.« Ich werfe einen Seitenblick zu George, doch dieser zuckt nur mit den Schultern. »Meinetwegen. Soll er doch mitkommen.«

In Calebs Gesicht liegt ein Ausdruck, den ich lange nicht mehr bei ihm gesehen habe. Anders als sonst wirkt er fest entschlossen und nicht so verstreut, wie er in letzter Zeit häufig ausschaute.

Zeke winkt uns zum Abschied zu, ehe er sich umdreht und allein im Dunkeln zurück zum Flugzeug stapft.

Kieselsteine knirschen unter meinen Füßen, während wir uns langsam den Weg durch den Tunnel bahnen. Es riecht wirklich etwas verfault und moderig. Ich will lieber gar nicht wissen, warum.

Tobias meinte, der Fußmarsch dauert ungefähr 20 Minuten, wenn man sich beeilt. Nita hat ihm damals wohl diesen Tunnel gezeigt, um einige GD-Rebellen aufzusuchen und gemeinsam Pläne zu schmieden. Als wir aufgebrochen sind, zog er mich kurz an sich. Ich erinnere mich an seinen letzten Blick, den er mir zuwarf, als ich zu ihm aufsah. Ein Blick, der nur einen sehnlichsten Wunsch forderte. Den Wunsch, dass ich heil wieder zu ihm zurückkehre.

Wir gelangen an das Ende des Tunnels. George öffnet eine Luke über uns, die sich mit einem lauten Knarren öffnet. Wider meine Erwartung strömt kein Licht zu uns hinein. Es bleibt stockfinster. Ich klettere mit Georges Hilfe als erstes aus dem Tunnel. Ich reiche Caleb schließlich meine Hand, um ihn hochzuziehen. Mit einem Schnaufen wischt er sich den Dreck aus dem Gesicht. George stemmt sich hoch und schiebt die Luke wieder über das Loch und richtet sich dann auf. Ich zücke meine Waffe und wir alle horchen auf Geräusche, doch es scheint sich hier niemand zu befinden. George leuchtet mit der Taschenlampe die Wände ab. Es befinden sich nicht einmal mehr Lampen hier unten.

»Hier unten war ich auch noch nie«, flüstert er. »Aber rein theoretisch müssten die Treppenaufgänge sich in dieser Richtung da befinden.« Er deutet mit dem Finger den Gang entlang.

»Versuchen wir's«, sage ich und schnell setzen wir unseren Weg fort. Die Flure hier unten haben etwas Unheimliches und Mysteriöses an sich. Sie scheinen nicht häufig genutzt zu werden und ein feuchter, muffiger Geruch liegt in der Luft. Wir finden das Treppenhaus und je weiter nach oben wir gelangen, desto geräumiger und moderner werden die Flure. Wir sichern jeden Gang ab, bevor wir ihn betreten und wechseln so gut wie kein Wort miteinander. Irgendwann begegnen wir den ersten bewusstlosen Menschen. Ich leuchte vorsichtig in ihre reglosen Gesichter. Durch den bläulichen Schein der Taschenlampe wirken sie noch mehr wie Leichen.

Mit der Zeit schmerzen meine Knie von all dem Treppensteigen und ich muss mich bemühen möglichst leise zu atmen. Schließlich gelangen wir in die beleuchteten Gänge, was bedeuten muss, dass wir dem Erdgeschoss und somit auch dem Waffenlager immer näherkommen. Wir versuchen möglichst ungesehen an den Kameras vorbeizukommen, doch letztendlich ist es eher Glück, dass wir nicht schon längst verhaftet wurden. Ich hoffe so bleibt es auch.

Die Bestimmung - Letzte AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt