Kapitel 11

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- Aus Liebe wird Angst -

Lebanon, Kansas (The Bunker)

Er saß die ganze Zeit in seinem Zimmer, kam nicht einmal heraus. Er hatte seit dem Vorfall im Haus nicht mehr mit uns gesprochen.
Ich stand an seiner Tür, wartete und lauschte. Doch nichts. Es war die ganze Zeit still.
Irgendwann wurde der Schlüssel umgedreht und die Tür öffnete sich. Er wirkte nicht überrascht, mich zu sehen.
»Nur zu. Sag es. Ich bin ein Monster.«
Ich sah ihn nur an, und im nächsten Moment zog ich sein Gesicht näher und gab ihm einen langen Kuss auf den Mund.
»Du bist kein Monster, Dean Winchester«, entgegnete ich, als ich mich von ihm löste, und ergriff seinen Arm. »Das ist das Einzige, was dunkel ist, und wir werden ein Heilmittel dagegen finden.«
Mein Blick ruhte auf dem Kainsmal, während Dean mich anstarrte. Im nächsten Moment legte er seine Hände um mein Gesicht und küsste mich verlangend. Ich lehnte mich in den Kuss hinein, so dass ich den Türrahmen in meinem Rücken spürte, und irgendwann lösten wir uns atemlos voneinander.
»All das, was ich gesagt habe, Dean - es tut mir leid«, sagte ich, ohne mich von seinen grünen Augen zu lösen. »Wir werden das zusammen durchstehen. Nur zusammen.«
Wir gingen zum Hauptraum, wo sich Cas und Sam aufhielten, und bereits vom Weiten konnten wir den jüngeren Winchester reden hören.
»Dean hat schon früher töten müssen, und wir beide auch, aber das war ...«
»Das war was?«, hakte Dean harsch nach, und erschrocken wandte Sam sich zu uns um. »Das war ein Massaker, und nichts anderes. Falls ihr sagen wolltet, dass ich an dem Abend kein Jäger, sondern ein eiskalter Mörder war ... dann raus damit.«
Schweigend ließen Sam und Cas die Köpfe sinken.
»Ihr habt recht. Ich bin zu weit gegangen. Leute, das Ding hier muss weg.« Dean zog seinen Ärmel hoch und entblößte das Kainsmal.
»Das wird nicht so leicht«, meinte Cas.
»Na, dann brenn es weg! Schneid es weg!«
Der Engel sah ihn an. »Damit ist es nicht getan. Um das Mal und seine Folgen zu beseitigen, hilft nur eine sehr starke Macht.«
»Dean, wir sind sämtliche Schriften durchgegangen«, sagte nun auch Sam, »es gibt nichts.«
»Es geht alles auf die Zeit der Schöpfung zurück und ist somit den Schriften weit voraus«, erklärte Cas. »Hätten wir noch die Dämonentafel, könnten wir vielleicht ...«
Verwundert zog Sam die Stirn in Falten. »Du sagtest, sie wäre vermisst ...«
»Das ist richtig.«
Mit wutentbrannter Miene trat ich auf den Engel zu. »Scheiß auf die Schöpfung, Cas! Er wird dieses Mal los, und wenn ich eigenhändig dafür sorgen muss.«
Castiel atmete tief durch. »Es gibt vielleicht noch eine Möglichkeit.«

Castiels Möglichkeit war alles andere als meine bevorzugte, aber uns blieb nichts anderes übrig. Metatron, der Schreiber Gottes, der für viele gefallene und tote Engeln verantwortlich war. Auch für meinen toten Engel. Und er hatte Dean getötet. Ich hasste ihn, wir alle taten das.
Sam wollte es nicht riskieren, dass er der Grund für einen weiteren Rückfall meinerseits war. Deswegen wartete ich im Hauptraum. Allein. Cas suchte Claire im Hotelzimmer auf, welches er für sie gebucht hatte, Sam und Dean waren bei Metatron.
Alles zog an mir. Ich wollte unbedingt zu diesem Engel und ihn töten. Dennoch versuchte ich mich zurückzuhalten und zu warten.
Mein Handy vibrierte. Jeremy hatte mir geschrieben.
Und auch du hast dich seit Tagen nicht mehr gemeldet ... Ich hoffe, es geht dir gut. Du bist so plötzlich aufgebrochen, ohne ein Wort. Ruf an, wenn du Zeit hast.
Ich wollte gerade antworten, als Sam und Dean den Raum betraten.
»Das ist die dümmste Idee, von der ich je gehört habe«, sagte der jüngere Winchester. »Du hast gerade ein Massaker verübt, obwohl die Klinge noch nicht einmal in der Nähe war. Und jetzt willst du sie anfassen? Ehrlich?«
»Wir wissen doch gar nicht, ob ich sie anfassen muss«, entgegnete Dean. »Wir wissen nur, dass wir sie brauchen.«
»Nein, nein. Wir wissen nur, dass er sagt, dass wir sie brauchen. Wir wissen nicht, was wir damit machen sollen.«
Während ihrer Auseinandersetzung liefen sie in Richtung ihrer Zimmer, und ich folgte den beiden.
»Okay, einen Schritt nach dem anderen. Wir gehen auf Nummer sicher. Wir finden heraus, was das für ein Zauberspruch ist, wie er funktioniert, und so lange fass' ich die Klinge nicht an.«
»Bist du sicher, dass dich das Mal nicht beeinflussen will, die Klinge zu berühren?«, hakte Sam nach. »Wieso sollten wir irgendwas glauben, was Metatron sagt?«
»Ich glaube Metatron«, entgegnete Dean und tippte auf seinem Handy herum.
»Du glaubst Metatron?«, wiederholte sein Bruder verständnislos.
»Was hat er denn davon, wenn er lügt. Okay, ich meine, ohne mich ist die Klinge nutzlos, und mit mir bedeutet sie Ärger für uns.«
»Okay, Jungs, stopp!«, rief ich. »Hört auf, euch zu streiten. Das bringt uns auch nicht weiter.«
Dean nickte seinem Bruder zu, dann legte er sein Handy an sein Ohr. »Crowley, wir müssen uns so schnell wie möglich treffen.« Er nannte eine Adresse, legte auf und wir fuhren los.
Wir standen mitten im Rege, Crowleys teurer Anzug war ziemlich durchnässt, ebenso wie wir. Wir erzählten ihm, was wir planten, und er stand einfach nur da und starrte uns an.
»Ihr wollt, dass ich was für euch tue?«
»Wir wollen, dass du sie -«, setzte Sam an.
»Ihr wollt sie zurückhaben? Das glaub' ich nicht.«
»Du musst die Klinge ja nicht mir geben«, meinte Dean.
»Das sehe ich auch so«, sagte der König der Hölle.
»Wie auch immer. Hol sie einfach zurück und versteck sie, bis wir sie brauchen.«
Crowley wandte sich an Sam. »Ey, Föhni, du bist hier der Vernünftige. Machst du da etwa mit?« Er nickte seinem Bruder zu.
Sam konnte nicht mal antworten, da lief Crowley an uns vorbei und sprach weiter. »Das ist doch verrückt. Ihr wollt, dass ich die gefährlichste Waffe der Welt besorge. Für Dean Winchester. Der Mann, der jedes Mal durchdreht, wenn er sie berührt. Ich dachte, ihr wolltet ein Bier trinken oder ins Kino.«
»Wenn dieser Plan funktioniert -«, setzte ich an.
»Dieser Plan ist das Todesurteil für mich und meinesgleichen.«
»Wenn er funktioniert, wird das Mal verschwinden und die Klinge wirkungslos.«
»Wir gewinnen alle«, sagte Dean. »Win-Win-Situation.«
»Schluss mit dem Unsinn«, meinte Crowley. »Sie ist wirkungslos, da sie versteckt ist.«
»Okay, die Klinge ist vielleicht wirkungslos, aber das Mal nicht. Ich versuch alles, um nicht entgültig durchzudrehen. Du hältst die Zahl der Todesopfer jetzt schon für hoch? Dann warte, bis ich völlig durchdrehe.«
»Du hast die Klinge doch bestimmt versteckt«, sagte Sam, »und zwar sehr weit -«
»Verdammt richtig. Sie ist in einer Gruft. Mit meinen Knochen.«
»Gut. Und was jetzt?«, fragte Dean.
»Ich hasse Guam zu dieser Jahreszeit«, entgegnete Crowley nur und verschwand.

Lebanon, Kansas (The Bunker)

»Die erste Klinge ist wieder im Spiel und Crowley ist derjenige, der sie hat?«, erklang Cas' aufgebrachte Stimme und kurz darauf erschien er am Treppengeländer, den Blick zu uns nach unten gerichtet, während wir um dem Kartentisch herumsaßen. »Ich will ja kein Spielverderber sein, aber ihr drei -«
»Na ja, du kennst uns ja - wenn wir uns schon in die Scheiße reiten, dann richtig«, gab Dean zurück.
»Nur damit wir uns richtig verstehen, wir reden doch hier über den Crowley, der es zugelassen hat, dass die Klinge Dean in einen Dämon verwandelt.« Der Engel kam die Treppe heruntergelaufen.«
Hilflos sah Dean zu Sam, dann wieder zu Cas. »Ich hab' keine Wahl, klar? Wenn ich das nicht mache, ist die Möhre für mich geschält. Hör Böses, sieh Böses, tu Böses - die Dreifaltigkeit.«
»Cas, hör zu, überlass das uns«, sagte Sam. »Du hast mit Claire schon genug um die Ohren.«
»Claire ist weg«, erklärte Cas.
Verwundert runzelte Sam die Stirn. »Wie weg?«
»Ich weiß auch nicht. Ich ... hätte sie aufhalten sollen, denn ich bin mir sicher, dass sie noch sehr viel mehr Ärger und Enttäuschungen vor sich hat. Sie hat so viel ... so viel Wut in sich.«
»Brauchst du Hilfe, Cas?«, fragte ich den Engel. »Wenn, dann reden wir mal mit ihr.«
»Na ja, ich hatte gehofft, du würdest mit ihr reden.« Cas' Blick lag auf Dean.
Der Winchester sah sich verwirrt um. »Ich?«
»Ja.«
»Hör zu, ich bin sicher der letzte Mensch, von dem sie Ratschläge hören will.«
»Ich dachte, ihr habt einen Draht zueinander. So von einem verkorksten Menschen zu 'nem anderen. Du könntest ihr erklären, wieso du ihren einzigen Freund getötet hast.«
Ich erhob mich. »Okay, das reicht jetzt, Cas.« Meine Stimme war ruhig, aber bestimmt.
»Ich dachte nur, wenn sie verstehen würde, was für ein Mann Randy war und in welcher Gefahr sie wirklich steckte, dass sie vielleicht -«
»Cas, sie ist ein Teenager«, erinnerte ich. »Ja, Dean hat ihren einzigen Freund umgebracht. Ihren Freund, Cas. Laut ihr, die einzige Familie, die sie hatte. Sie wird wohl kaum nach ein paar Worten einen Freundschaftsvertrag mit Dean unterschreiben. Sie hat jemanden verloren, der ihr sehr am Herzen lag. Es braucht seine Zeit, bis sich ihre Wunden wieder schließen, und dann ist sie vielleicht bereit, Dean oder dir zuzuhören.«
»Vielleicht ist es bis dahin zu spät ...«, murmelte der Engel, und ich ließ mich wieder nieder.
»Was soll's«, sagte Dean und erhob sich. »Ich liebe ausweglose Schlachten.« Er ging in Richtung Küche. »Ich mach mir jetzt 'n Sandwich.«
»Ich schick dir eine SMS mit ihrer Nummer«, rief Cas.
Der Winchester zog die Stirn in Falten. »Okay ...«
Cas holte sein Handy heraus und tippte darauf herum. »Ich liebe SMS. Emoticons ...«
Dean antwortete nicht, und kaum hatte er uns verlassen, ließ Cas sein Handy sinken.
»Er macht 'nen ruhigen Eindruck«, meinte der Engel an Sam gewandt. »Wenn man bedenkt, dass Metatron in der Nähe ist und die Effekte des Mals berücksichtigt.«
Sam nickte. »Zu ruhig. Ich glaub' schon, dass er Angst hat, dass alles den Bach runter geht.«
»Bist du wegen Claire hier oder um Dean zu analysieren?«, wollte ich genervt wissen.
Cas sah mich fragend an.
»Natürlich hat er Angst. Natürlich geht es ihm schlecht. Und verständlicherweise versucht er das zu verstecken. Vielleicht damit wir uns keine Sorgen machen, vielleicht aber auch, weil's ihn selbst etwas beruhigt, wenn er versucht, normal weiterzumachen.«
Cas zog die Stirn in Falten. »Hast du irgendein Problem mit mir? Du scheinst leicht aufgebracht.«
»Mich nervt euer aller Misstrauen«, gab ich zu und erhob mich abrupt. »Versucht euch doch einmal in seine Lage zu versetzen. Nein, stattdessen setzt ihr ihn permanent unter Beobachtung.«
»Cat ...«, setzte der Engel an.
»Nein, Cas.« Aufgebracht ging ich davon.

Ich hatte ihm vertraut, ich hatte ihm wirklich vertraut. Ich hatte gehofft, es würde besser werden. Aber es wurde nicht besser. Es wurde nur schlimmer. Doch ich bemerkte es erst, als Sam und Cas den rachesüchtigen und tobenden Dean aus Metatrons Verlies zogen. Der Hass, die Blutlust in seinen Augen, das war nicht Dean. Das war sein Dämon.
Metatron war so sehr geschlagen und gefoltert worden, dass er im Gesicht überall Platzwunden trug und blutete. Mit welch einer Kraft hatte er wohl zugeschlagen? Welche Wut, welcher Hass hatte dahintergesteckt?
Als ich in dieses Gesicht sah, als ich sah, was dahintersteckte, hatte ich Angst. Ich hatte Angst. Vor Dean Winchester. Vor dem Mann, den ich einst geliebt hatte.

1846 Wörter

Boar, Wattpad regt mich gerade mega auf - ich sehe keine Kommentare und ich kriege sehr spät die Meldung, dass es hochgeladen ist -.-

Ich hoffe trotzdem, dass ihr jetzt wieder kommentieren könnt.

Black Eyes || Supernatural Staffel 10Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt