Abschied

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Geil... Regen, ein klingelnder Wecker und eine vieeel zu frühe Uhrzeit... besser kann der Tag doch gar nicht starten. Vielleicht sollte ich mal meinen Klingelton ändern. Ich schnappte mir mein Handy und stellte für die zukünftigen Wecker Sugas Track „Agust D" ein. Von einem feuerspuckenden Katzenbaby wird man doch bestimmt wach, oder? Ich werd es schon heraus finden. Ich hatte mich schon halb aus dem Bett erhoben, als mir einfiel, dass wir heute nach Spanien fliegen, fahren, reisen, keine Ahnung was, werden. Genervt ließ ich mich wieder auf meine Kissen sinken. Auf Spanien hab ich grade so überhaupt gar keine Lust. Vielleicht wird unsere Maschine ja gekidnappt und wir fliegen statt dessen nach Südkorea. Schlagartig hatte mein Kopf wieder etwas mehr Energie und scheuchte den Rest meines Körpers aus dem Bett.

Erstmal strecken... dann knackte ich meine Halswirbel der Reihe nach durch und ließ darauf meine Fingerknöchel folgen. Hach... schon besser. Hätte ich das in der Schule, im Beisein von Maret, gemacht, hätte ich mir jetzt schon einen Blick plus Schlag eingefangen.
Mit besserer Laune zog ich mir bequeme Sachen für den Flug an und stolperte die Treppe herunter. Das übliche Morgenritual meiner Hündin, bei dem sie mir meistens kurz davor war mir den Kiefer zu brechen, ließ ich seufzend über mich ergehen und setzte mich an den Frühstückstisch.

„Ehw... warum bist du voller Sabber?", fragte mein kleinerer Bruder überflüssiger Weise. Gott, warum bin ich mitten unter hirnloser Menschen gelandet!!! „Frag Bella!", meinte ich und verdrehte die Augen. Manche Menschen denken echt nicht nach bevor sie sprechen.

Der Rest meines Morgens verging, mal wieder, unter Stress. So wie alle andern vor heute und alle die noch kommen werden. Ich hatte vergessen, dass ich heute einen Bus früher nehmen musste, da wir ja schon eine Viertelstunde vor Unterrichtsbeginn da sein mussten. Den Koffer hatte ich, zum größten Glück das die Welt besitzt, schon gepackt und musste ihn nur noch bis in den Bus kriegen.

Verdammt, warum mussten wir denn auch auf einem Hügel wohnen, wenn die nächste Bushaltestelle auf dem nächsten Hügel liegt. Zähneknirschend setzte ich meinen Weg fort und summte „I Need U", von BTS, vor mich hin. Ein paar ältere Herrschaften schauten mich an als wäre ich vor ihre Augen teleportiert worden, als ich starr vor mich hin schauend, immer noch summend, an ihren überpflegten Vorgärten vorbei spazierte. Was soll's.

Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich nicht das typische Mädchen bin, was auf Kleider und Schuhe abfährt und stundenlang in irgendwelchen Geschäften verweilen kann. Ich bin so eigentlich genau das Gegenteil davon: meistens bequeme Oberteile die etwas weiter sind, weil man sich da schön drin verkriechen kann, schwarze Jeans oder Hose (ich weiß immer noch nicht was es ist), und ganz wichtig ist eine Mütze! Ich hab diesen Winter zwei neue gekauft, bzw. geschenkt bekommen. Drei Mal dürft ihr raten...: Jap, wie sollte es auch anders sein... MERCHANDISE!!! Eine von Sunrise Avenue lag gerade ganz oben auf dem Stapel von Klamotten, die ich in meinem Koffer hortete und eine von Bars&Melody zierte meinen Kopf.

Ach ja, fast vergessen... die meisten Fangirls haben ja einen Traum von Haaren. Lang, glatt und wenn möglich mit Highlights oder Strähnchen versehen. Vielleicht hatte ich bis vor einem halben Jahr noch genau solche Haare. Naja, jetzt sind sie jedenfalls kurz und praktisch. Denkt was ihr wollt, aber so wie sie jetzt sind finde ich sie hundertmal besser.

Die Unkraut rupfenden Rentner ließ ich hinter mir und stapfte weiter zur Bushaltestelle. Ich bekam gerade noch rechtzeitig mit, dass ein Auto genau vor meiner Nase einscherte und augenscheinlich parkte. Hätte ich noch einen Schritt gemacht, hätte ich jetzt wahrscheinlich ein paar Schuhgrößen größer gebraucht. Ich war drauf und dran dem Fahrer mal ein paar Takte zu sagen, als mein älterer Bruder ausstieg, wortlos den Kofferraum öffnete, mein Gepäck ein packte und sich wieder zurück zur Fahrertür begab. Ich blieb ziemlich verwirrt stehen und guckte wahrscheinlich wie ein demoliertes Auto. „Muss ich dir noch die Türe aufmachen oder schaffst du das auch alleine?"

Mein Bruder klang etwas genervt, dass er auserkoren wurde mich aufzusammeln. Ich beeilte mich einzusteigen und fragte: „Ich hätte doch auch mit dem Bus fahren können. Warum holst du mich dann?" „Hast du mal auf die Uhr geguckt? Dein Bus ist schon seit zehn Minuten weg.", kriegte ich die Antwort durch zusammengebissene Zähne zurück. Während er ausparkte schaute ich auf mein Handy. 07:30. Stimmt den Bus hätte ich eh nicht mehr erwischt. Ich lehnte mich zufrieden zurück und freute mich nicht mehr weiter laufen zu müssen, bis mir einfiel, dass ich gar nicht hätte laufen brauchen. Ach egal, jetzt sitze ich ja wieder. Gerade als ich mein Handy wieder in die Tasche stecken wollte, kam eine WhatsApp von Nina an.

Ey wo steckst du??? Bist du nich im Bus?

Nee... hab den verpasst...

Aso... sag das doch vorher dann wäre ich mit Tamara gefahren. Wann seit ihr da?

*seid!!!! Aber noch ungefähr zehn Minuten

Oky

Ja nennt mich ruhig einen Grammatikfreak, aber ich kann es nicht haben wenn man seid und seit vertauscht. Genauso wie Kommafehler und das mit einem und zwei s... Dabei bin ich noch nicht mal die Deutschstreberin von uns. Diesen Posten belegt definitiv Maret mit der besten Klausur der Kurses.... Streberin :D. Dafür bin ich in Englisch besser. Aber egal, das nützt mir gerade weniger, wenn in "La Coruña" kein Mensch Englisch, geschweige denn Deutsch, spricht. Keine Ahnung wie ich die zwei Wochen überleben soll, aber die Hoffnung, dass Nina und ich in einer Einrichtung landen, ist immer noch da. Und sie wird auch noch so lange bleiben, bis wir jeweils vor anderen Türen stehen.
An der Schule angekommen verabschiedete ich mich schnell von meinem Bruder, der mir netterweise aufmunternd zunickte und wieder weg fuhr.

Der Bus stand schon bereit und wartete auf uns Chaoten. Unser Spanischlehrer diskutierte noch etwas mit unserer Oberstufenleitung und schüttelte ununterbrochen den Kopf. Sind ja gute Voraussetzungen für eine zwei-wöchige Reise. Leise seufzte ich und machte mich auf die Suche nach Nina. Ich fand sie schließlich in einer Ecke sitzend, zusammen mit Tamara und Maret. Komisch die beiden hätten eigentlich erst in einer Stunde Unterricht gehabt.
„Wir wollen doch Tschüss sagen!", lachten die beiden und gingen mit uns in Richtung Bus. Nina und ich in der Mitte, Tamara und Maret wie zwei Leibwachen neben uns. Passt irgendwie, denn Tamara macht nebenbei Kampfsport und Maret historischen Schwertkampf. Also passieren würde uns schonmal nichts.

Je näher wir dem Bus kamen, desto nervöser wurde ich. Auch Nina fing an zu zittern und atmete mehrmals tief durch. Ich verschränkte meine Finger mit ihren und tastete nach Marets Hand. Wir liefen in einer Reihe, mit verschränkten Fingern, in die Richtung des Abschiedes.

Spanien oder Korea? | Namjoon Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt