Flugangst?

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Im Bus lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe. Meine Kopfhörer spielten „Butterfly" von BTS ab und langsam aber sicher fielen mir die Augen zu. Neben mir grinste Nina mit dem Bildschirmschoner ihres Handys um die Wette. Aber gegen Jimin hat sie keine Chance!
„Michelle nicht einschlafen! Wir sind gleich da!", rief sie fröhlich. Ja von wegen... „Wir sind grade erst losgefahren. Um genau zu sein... vor fünf Minuten." Ich stellte mich innerlich schon auf eine Antwort ein, aber sie hielt mir einfach nur ihr Handy vor's Gesicht. Genervt blickte ich auf und schaute direkt in Namjoons Augen.

Okay, jetzt hatte sie mich

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Okay, jetzt hatte sie mich. Bei Namjoon wurde ich immer schwach. Eine meiner, leider viel zu häufig vorkommenden, Schwachstellen. Ich seufzte und nahm einen Kopfhörer aus meinem Ohr. „Ich wusste ich krieg dich wach!", lachte sie und nahm eine Tüte mit Süßigkeiten aus ihrem Rucksack. Mist... nächste Schwachstelle. Nina nahm sich eine Hand voll und reichte die Tüte an mich weiter. Ich griff zu und ließ die Tüte weiter wandern.
„Was, meinst du, wird am lustigsten?", fragte Nina mich mit schief gelegtem Kopf. Nachdenklich blickte ich einen Moment aus dem Fenster. Ein Wald zog vorbei, gefolgt von weiten Wiesen und ein paar vereinzelten Bauernhöfen. Maret hätte es hier gefallen. Sie kam ursprünglich vom Land und beschwerte sich ständig über die vielen Häuser und Autos bei uns in der Stadt.

„Ich glaube, das Essen bestellen, wenn Herr Lenger neben uns sitzt", antwortete ich kurze Zeit später. Bestellen von Speisen in einem Restaurant hatten wir schon im Unterricht gehabt. Aber wie es nun mal so ist, vergisst man die Hälfte nach der Klausur wieder. „Hm... ja, das könnte sein. Aber ich glaube, dass es am Ampfang beim arbeiten schwer wird. Wenn alle so schnell Spanisch sprechen und ich keinen Plan habe, was die überhaupt von mir wollen." Nina grinste leicht schief. Sie behauptet ja immer, dass sie nichts versteht, schreibt aber alle Klausuren nicht schlechter als zwei. „Erstens: es heißt am ANFANG und nicht am Ampfang! Zweitens: Du sagst immer du kannst etwas nicht. Du kannst dies nicht und das nicht, aber am Ende bist du immer die Beste bei allem. Und jetzt sagst du mir nochmal wie man auf Spanisch bestellt", bittend sah ich sie an und lächelte triumphierend als sie sich bückte und einen Block hervorzog.

Während Nina mir abermals versuchte die Vokabeln zu erklären, zogen draußen Wälder und Städte an uns vorbei. Ich hatte bereits zum dritten Mal meine Playlist mit den Liedern von Namjoon durchgehört und war wieder bei Reflection angekommen. Das Lied hatte immer eine beruhigende Wirkung auf mich, fragt mich nicht warum. Ich atmete einmal tief durch und wiederholte die Sätze, die Nina mir vorsagte. Grade wollte ich noch einmal einen Fragesatz wiederholen, als mein Handy klingelte. Yay, meiner Mutter ist aufgefallen das ich nicht mehr zuhause bin. Seufzend drückte ich auf Annehmen.

„Hallo Mama."
„Hallo Mi! Tut mir leid, dass ich heute morgen nicht mit zum Bus gefahren bin."
„Ist doch nicht so schlimm. Alle anderen Eltern waren auch nicht da."
„Oh wirklich? Macht man das in der Oberstufe nicht mehr?"
„Offensichtlich nicht..."
„Na ist ja auch egal. Ist denn soweit alles in Ordnung? Wo seid ihr denn jetzt?"
„Ja alles in bester Ordnung. Wir sind jetzt kurz vor dem Flugplatz."
„Gut, ich muss gleich wieder auflegen. Meine Arbeit ruft! Viel Spaß in Spanien und mach dir keine Gedanken über den Flug. Und... ja ich komme gleich... und bring mir keinen Koreaner mit nach Hause!"
„Keine Sorge mach ich nicht. Tschüüüß!"

Ich verdrehte die Augen, musste aber insgeheim lachen. Diesen Spruch sagt sie, seit ich mit K-Pop angefangen habe. Auch wenn sie manchmal nervt und ich sie in manchen Momenten gegen die Wand klatschen könnte, sie ist und bleibt meine Mutter. Ich werde sie die zwei Wochen über vermissen, genauso wie den Rest meiner Familie, inklusive Hund. Ein letztes Mal las ich mir die Fragen und Antworten auf Ninas Blatt durch, bevor wir alle aus dem Bus gescheucht wurden.

Der Busfahrer stand die ganze Zeit über neben der Klappe und wurde mit jeder verstreichenden Sekunde nervöser. Als wir unsere Koffer aus dem Bus zogen stand er schon nicht mehr neben dem Bus, sondern lief durch die Gegend. Immer wieder raufte er sich die Haare. „Der Typ ist irgendwie gruselig", raunte ich Nina zu, als wir unser Gepäck nahmen um so schnell wie möglich von diesem Busfahrer wegzukommen. Unser Lehrer schien das genau so zu sehen und spornte die Nachzügler ein wenig an. Schließlich bildeten zwei Jungen den Schluss und wir konnten los laufen.

Im Flughafen herrschte gähnende Leere. „Wissen die das wir hier sind?", fragte Nina und schaute sich in der leeren Halle um. „Bestimmt haben die gehört das du hier bist", lachte ich, die sind vorsichtshalber alle zuhause geblieben!" Auch Nina musste anfangen zu lachen. Ein paar Mitschüler drehten sich verwirrt zu uns um und fragten sich warum wir grade einen Lachflash bekamen obwohl wir nur einen leeren Flughafen betraten.

Mir war es relativ egal da die meisten uns schon durch unsere Vorliebe zum K-Pop kannten und die anderen uns noch, schneller als ihnen lieb war, kennen lernen würden. Ich ignorierte die verwunderten Blicke der anderen und folgte unserem Lehrer, der bereits einige Worte mit einer Stewardess gewechselt hatte. Sie nickte ein paar mal, blickte uns dabei immer wieder prüfend an und nahm schließlich unsere Bordkarten von Herrn Lenger entgegen um sie abzugleichen. Wir warteten bestimmt fünf Minuten und einige fragten schon was sie so lange machen würde. Nina verdrehte die Augen: „Was denken die denn, wie lange es dauert dreißig Bordkarten zu kontrollieren?" Ich zuckte nur mit den Schultern und reihte mich in die Schlange ein, die sich vor dem Durchgang bildete. Ein letztes Mal blickte die Stewardess mit zusammengekniffenen Augenbrauen über die Masse an Schülern, die sich vor ihr aufstellte. Dann schüttelte sie verständnislos den Kopf und öffnete den Durchgang, der ursprünglich für Rollstuhlfahrer gebaut worden war.

Sobald wir hinter den Sicherheitskontrollen waren erblickten wir auch wieder Menschen. Ein paar Pärchen saßen auf den schrecklich unbequemen Bänken vor den Gates, eine Familie versuchte ihre Tochter ruhig zu bekommen. Mir schmolz sofort das Herz als ich ihr kleines Puppengesicht sah. Kinder waren auch eine meiner Schwachstellen und es ist nur logisch, dass ich mir für meine Zukunft auch Kinder wünschte. Ich lächelte dem kleinen Mädchen zu, welches aufhörte zu jammern und mir zuwinkte. Hatte ich schon erwähnt das ich geschmolzen war?

Nina riss mich schließlich aus meinen Gedanken über meine Zukunft und zog mich auf eine der Bänke. „Du sag mal...", fing sie an. Ich versuchte vergeblich eine meiner Augenbrauen hochzuziehen, aber die andere bewegte sich immer mit. Wie schaffen es andere Menschen und ich nicht? Ich gab die Augenbraue auf und sah meine Freundin erwartungsvoll an, die nervös ihre Hände knetete. „Äh... sag mal hast du eigentlich Flugangst?"

Spanien oder Korea? | Namjoon Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt