14 - Superbrain

633 50 13
                                    

‚HALT DICH FERN'

‚ICH WARNE DICH'

Diese Worte spuken immer wieder in deinem Kopf umher, während du davon sprintest. Gefühlte Stunden später, obwohl es sich nur um wenige Minuten handeln kann, erreichst du das Krankenzimmer. Schlitternd erreichst du die geöffnete Tür. Zu deiner unendlichen Erleichterung stellen sich deine schlimmsten Befürchtungen als unbegründet heraus; Nick sitzt aufrecht auf der hintersten Liege, ein schiefes Lächeln im Gesicht, und lauscht mit geübter Engelsgeduld Erins aufgebrachtem Redeschwall. Ein dicker weißer Verband umringt seinen Schädel wie ein moderner Heiligenschein und hält den voluminösen Wattebausch auf seinem Hinterkopf an Ort und Stelle.

Abgesehen von diesem macht er einen gesunden Eindruck. Er hebt sogar grüßend seine Hand, sobald er dich bemerkt. „Hey, komm rein", fordert er dich auf. „Und schließ die Tür hinter dir, bevor Jeff noch mehr Leute  hierher schicken kann. Der Kerl treibt sie schon seit einer halben Stunde zusammen wie ein Schäferhund." Aufatmend setzt du dich neben Erin. „Geht's dir gut? Was ist passiert?"
„Nur eine kleine Gehirnerschütterung. Völlig harmlos." Er zuckt mit seinen Schultern. „Hab einfach Pech gehabt." „Das nächste Mal soll die Schule gefälligst eine Reinigungskraft bestellen", schimpft das Mädchen neben dir böse. „Oder ein paar Handwerker. Du hättest dir das Genick brechen können!" „Könnte jemand endlich erklären, was passiert ist?", bohrst du nach. Zur Antwort seufzt Nick. „Es saßen nur ein paar Halterungen locker, dabei ist mir ein Ersatzkorb auf den Kopf geknallt. Beim Sport kommen Verletzungen eben vor." „Putzen ist kein Sport! ", betont Erin augenrollend, auch wenn ihr Gesicht allmählich einen sanfteren Ausdruck annimmt. „Du hattest ein wahnsinnig großes Glück, dass dir nichts Schlimmeres zugestoßen ist."

Du beißt dir auf die Lippen, während du darüber nachdenkst, die ominösen Nachrichten auf deinem Handy zu erwähnen, als ein leises Klopfen an der Tür eure Aufmerksamkeit erregt. Ohne auf eine Antwort zu warten, kommt Cion herein. In seiner Hand hält er einige Papiere, während er mit gleichgültiger Miene auf euch zukommt. „Oh, hey", murmelt Nick erstaunt. „Was machst du denn hier?" „Meine Arbeit", lautet Cions knappe Erwiderung. Kritisch mustert der hochgewachsene Dunkelhaarige zuerst den Verband, ehe er sich wieder dem Verletzten zuwendet. „Es scheint nichts Ernstes zu sein, aber deine Eltern wollen dich sicherheitshalber in ein Krankenhaus bringen lassen", erklärt er. „Vorhin kam der Bescheid per Fax. Du bist auf unbestimmte Zeit vom Unterricht befreit." „Wirklich?" Nick wirkt reichlich verdutzt, als er den fein säuberlich zusammengefalteten Zettel entgegennimmt und einen Blick hineinwirft. „So ein Aufwand für eine kleine Beule?" „Möchtest du lieber hierbleiben?"

Zum ersten Mal seit deiner kurzen Schulzeit wirkt Cion interessiert. Langsam legt er den Kopf schräg und tippt sich mit dem rechten Zeigefinger gegen sein Kinn, als bereite ihm der Gedanke an Papierarbeit Freude. „Ich könnte einen entsprechenden Antrag beim Schulleiter stellen, damit er noch einmal mit deinen Eltern spricht. Vielleicht kann man ein kleines Team zusammenstellen, um von hier aus ein genaueres Auge auf dich zu haben-" „Nee, lass mal", unterbricht Nick ihn hastig, „Wir sind nicht alle solche Superbrains wie du. Die Pause von Mathe und Chemie gönn' ich mir gerne."

„Dann richte ich aus, dass du damit einverstanden bist. In einer halben Stunde ist der Krankenwagen da." An der Tür blickt Cion dich über seine Schulter hinweg an. „Da wartet jemand vor der Tür auf dich." Seine kühle Stimme scheint zu spotten. „Bist wohl etwas einfältig, was? Kein Wunder, dass die Mädchen dich ausgewählt haben."

„Was ist denn damit gemeint?", fragt Erin mit weit aufgerissenen Augen, sobald ihr wieder alleine seid. „Wer hat dich wofür ausgewählt? Ist heute irgendetwas vorgefallen?!" Ihre grünbraunen Augen durchdringen dich wie Röntgenstrahlen. Widerwillig berichtest du von deinem Erlebnis mit Lauren und ihren Freundinnen, woraufhin beide mit ihren Köpfen schütteln. „Lauren steht auf Nathan, das weiß jeder", denkt Nick laut nach, „Vielleicht ist sie eine Zeit lang auch Cion hinterhergelaufen, wer weiß das schon." „Diese Tussi kann was erleben", knurrt Erin neben dir. „Bei Nick hat sie es auch schon versucht!"

Du schenkst dem puterrot anlaufenden Jungen auf der Liege einen ungläubigen Blick. „Wir waren betrunken und haben rumgemacht. Nicht der Rede wert", nuschelt dieser. „Die Frage lautet wohl eher, warum Lauren dir Streiche spielt. So etwas passt nicht zu ihr." „Es sei denn..." Erins wachsamer Blick wandert langsam zwischen dir und der geschlossenen Tür hin und her. „(Y/N)! Hast du etwa mit Nathan geredet?"

Mit brennenden Wangen schüttelst du deinen Kopf und stehst auf, doch das energetische Mädchen kommt dir zuvor. Ruckartig reißt sie die Tür auf und schnappt hörbar nach Atem, als sie Nat gegenübersteht. „Was willst du denn hier?" Ihr Ton macht deutlich, wie wenig sie den Jungen mit dem charmanten Lächeln leiden kann. Breitbeinig baut sie sich vor ihm auf und schneidet ihm das Wort ab, sobald er seinen Mund öffnet. „Nein, ich will's gar nicht wissen. Bisher hab' ich mich zurückgehalten, aber damit ist Schluss. Halt' dich fern von (Y/N)! Ohne dich ist sie viel besser dran!", faucht sie angriffslustig und knallt die Tür vor seiner Nase zu.

„Soll das heißen, Lauren hat das wegen Nat getan?", fragst du in die einkehrende Stille hinein. „Ich hab doch kaum etwas zu ihm gesagt!" „Und das solltest du auch in Zukunft so handhaben, wer weiß, was die Kröte sonst noch ausheckt", entgegnet Erin. Mit einem erschöpften Seufzen fährt sie sich mit einer Hand durchs Haar und lässt sich wieder auf ihren Platz fallen. „Am Ende hatte sie noch ihre Finger im Spiel, als-" Abrupt verstummt sie wieder und senkt betreten ihren Blick. „Tut mir Leid. Ich bin wohl etwas durcheinander." Nick zuckt nur mit den Schultern.

„Jedenfalls solltest du Lauren keinen Grund geben, dich zu hassen, sonst wird's ungemütlich", beendet er euer vorheriges Gespräch im nüchternen Tonfall und schaut auf die Uhr. „Wo bleibt eigentlich Jeff? Ich will ihm noch ‚Tschüss' sagen." „Der rennt wahrscheinlich schon irgendwo in der Stadt herum und schreit jedem zu, dass ‚Nick bald stirbt'", murmelt Erin. Weder sie noch Nick bemerken, wie du dein Handy hervorholst und auf die neue Nachricht spähst, die auf dem hellen Display prangt.

‚ICH HABE DICH GEWARNT.'

Der Schreck fährt dir in alle Glieder. Benommen starrst du auf die schwarzen Buchstaben und bekommst nur am Rande mit, wie Erin einen Anruf am Handy entgegennimmt. Sie sagt etwas, wird lauter, springt auf und läuft wild im Zimmer umher. Aber du beachtest sie nicht. Erst als das Mädchen sich neben Nick auf die Liege fallen lässt und anfängt, stumm vor sich hin zu weinen, hebst du deinen Blick. „Jeff", schluchzt Erin und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen.

|=| Ich habe mir ja ganz vorbildlich das Ziel gesetzt, mindestens ein Kapitel pro Woche zu veröffentlichen, aber für diese Geschichte könnte das zu wenig sein... 😅 Ab Ende Januar beginnt die Bewertungsphase eines Wettbewerbs, an dem ich mit ‚Obsession' teilnehme, und bis dahin möchte ich genug Unsinn verzapft haben, um endlich mehr Angst aufzubauen. 😏 Hurra.

ObsessionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt