21 - Ratschläge

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„(Y/N?)"

Dein Herz stolpert panisch über seinen eigenen Rhythmus. Erschrocken wirbelst du herum. „Nat?" Was macht der denn hier?! „Was machst du denn hier?", gibt der Junge deine Worte wieder. In lautlosen Schritten nähert er sich. Ohne nachzudenken weichst du vor ihm zurück, woraufhin er abrupt verharrt, und musterst seine schlanke Figur.
In der dunklen, unauffälligen Kleidung verschmilzt er förmlich mit eurer Umgebung. Seine wuscheligen Locken hat er unter einer für ihn untypischen Kapuzenjacke versteckt. Im schwachen Licht der Scheinwerfer wirken seine Gesichtskonturen fahl und abgespannt, als wäre er verstört. Seine hellen Augen wandern von dir zu dem Handy in deiner erhobenen Hand, bevor sie wieder dich fixieren. Hat er etwa gelauscht?

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken." „Was machst du hier? Es ist fast neun", sagst du mit flatternder Stimme. Schon wieder Nat! Wie kann das sein? Ist er etwa...? „Ich war in der Stadt, etwas erledigen", berichtet er schlicht. Sein zaghaftes Lächeln verlischt vor deiner steinernen Miene. „Alles in Ordnung?"
Während deine Beine einen weiteren Schritt rückwärts machen, sucht dein Mund in einer Kurzschlussreaktion die Flucht nach vorne: „Was hast du denn so spät noch gemacht?"
Der gut aussehende Junge runzelt seine Stirn. „Was abgeholt." „Nach Ladenschluss?" Nun wirkt er leicht verärgert. „Was ist denn mit dir los?", fragt er und kommt langsam auf dich zu. Als du im Gleichtakt zurückweichst, bleibt er wieder stehen und kneift seine Augen zusammen. „Du bist doch sonst nicht so... Misstrauisch." Deine Hand schließt sich krampfhaft um dein Handy. Du könntest die Polizei rufen, falls er dir gefährlich wird, denkst du besorgt. Wenn die Zeit dafür ausreicht.

„Ich bin nur neugierig." Sein prüfender Blick brennt auf deinen Wangen. Wird er dir glauben? „Was hast du denn abgeholt?", versuchst du ihn abzulenken. Zu deinem Erstaunen scheint ihm diese Frage unangenehm zu sein. Vorsichtig verlagert er sein Gewicht von einem Bein auf das andere, während er beide Hände in seinen Hosentaschen vergräbt. Umschließt er nicht etwas mit seiner Hand?
„Ich musste ein Rezept einlösen. Weil wir etwas länger für unsere Hausaufgaben gebraucht haben, waren die Apotheken schon geschlossen, also musste ich einen Zwischenstop beim Krankenhaus einlegen." Zögerlich holt er eine kleine Pillendose heraus und hält sie in die Höhe. Aus ihrem Inneren klappert es leise. „Du weißt schon, wegen meiner Ellenbogen." Unwillkürlich atmest du auf. Natürlich, wie konntest du das vergessen?

Zugegeben, dass der stets lächelnde, zuvorkommende Schüler an idiopatischer Arthritis leidet, hast du nur durch Zufall während eurer früheren Sitznachbarschaft erfahren. Der charakteristische Behälter fiel ihm in einem unachtsamen Moment aus seiner Tasche und kullerte in deine Richtung - Ehe er danach greifen konnte, hattest du ihn bereits aufgehoben. Obwohl du dir nichts dabei gedacht hast, schien Nat sehr aufgebracht über deine Entdeckung zu sein. Gleich in der nächsten Pause hat er dich beiseite genommen und dir seine Lage erklärt. Seine Sorge, du könntest es weitererzählen, hat sich natürlich nicht bewahrheitet, wieso sollte es dich interessieren, ob jemand regelmäßig Schmerztabletten nehmen muss oder nicht?

Nat scheinen ähnliche Gedanken vorzuschweben, denn sein warmherziges Lächeln kehrt zurück. „Ich vermute mal, dass du es hier auch niemandem erzählen wirst." Zwinkernd steckt er die Dose wieder ein und schlendert in Richtung der Wohngebäuden los. „Und was machst du hier, wenn ich fragen darf? Sicher riskierst du einen Schulverweis nicht für eine Nachtansicht auf unsere unglaublich hübsche Schule." Unschlüssig folgst du seinem Beispiel und schreitest neben ihm her. Unter deinen Sohlen knirscht es leise. Wie schafft Nat es nur, so lautlos zu gehen? Kein Wunder, dass er dich erschreckt hat. Während die schemenhaften Umrisse der kleinen Zierbäumchen im gemächlichen Tempo an euch vorbeiziehen, entspannst du dich ein wenig. Der leise vor sich hin summende Junge neben dir kann unmöglich hinter den unheimlichen Nachrichten stecken. Ihr kennt euch; Er muss dich nur ansprechen, um mit dir zu reden. Oder?

„Ich war essen", erklärst du ihm. „Allein?" Verneinend schüttelst du deinen Kopf. „Mit Cion." „Ah." Das klingt schon missmutiger. Skeptisch linst auf sein dunkles Profil. „Hast du was gegen ihn?"
„Ja", antwortet Nat wie aus der Pistole geschossen, dann revidiert er seine Aussage. „- Nein. Vielleicht", räumt er schließlich ein und seufzt. „Er hätte sich vorhin nicht einmischen sollen." „Kennt ihr euch gut?" „Wieso willst du das wissen?" Ein Hauch von Belustigung zeichnet sich auf seinem ebenmäßigen Gesicht ab. „Brauchst du Ratschläge über seinen Frauengeschmack?" Bei dieser Vorstellung ziehst du unweigerlich eine Grimasse. Siehst du etwa so einsam aus?! „Sehr witzig", brummst du mit glühenden Wangen, dann wechselst du hastig das Thema. „Erklär mir lieber, warum du vorhin so aggressiv warst."

Wie ertappt beißt der Junge sich auf seine Lippen und sieht dich zerknirscht an. „Tut mir Leid, das war dumm von mir", entschuldigt er sich als Erstes, „Es lag an Emily. Oder vielmehr an Erin - Keine Ahnung, an allen beiden, irgendwie." Schweigend gelangt ihr zu den großen kastenförmigen Wohnanlagen. Du hast dich schon damit angefunden, dass dies alles sein wird, was du heute noch von ihm erfahren wirst, als er vor der Glastür zu deinem Gebäude stoppt. „Ich mag sie nicht", platzt es unvermittelt aus ihm heraus. Überrascht bleibst du stehen und drehst dich zu ihm um. „Wen magst du nicht?", fragst du. „Erin. Und Nick und Jeff. Sie sind keine guten Freunde gewesen, damals nicht und heute auch nicht", entgegnet er finster, „Es wäre besser, du hängst nicht mehr so oft mit ihnen ab. Sie werden dir nicht helfen können."

Nun ringen Alarmsirenen in dir los. „Wobei können sie mir nicht helfen?!", schnappst du, schärfer als beabsichtigt. Seine Augen weiten sich. „N-nichts. Das war nur so dahingesagt", stammelt er überrumpelt.
Voller Zweifel wägst du seine Worte ab. Spricht er die Wahrheit? Was weiß er, was du nicht weißt? Deine Hand tastet dabei wie von selbst nach dem metallenen Griff der Tür hinter dir. „Warte, (Y/N)", sagt Nat im beschwichtigenden Tonfall, „Ich werd's dir erklären." „Dann beeilst du dich besser." „Emily wurde-"
„Hey! Was treibt ihr da?!", unterbricht eine bellende Stimme ihn in diesem Moment. Erschrocken wirbelt ihr herum. Aus einiger Entfernung kommt eine breite, bullige Gestalt auf euch zumarschiert. Vor dir stößt Nat einen leisen Fluch aus. „Rein mit dir. Bis morgen", raunt er und schiebt dich ins Gebäude hinein. Hastig stolperst du durch die dunkle Eingangshalle ins Treppenhaus, wo du keuchend stehenbleibst. Die laute Stimme des Aufsehers, untermalt von Nats Entschuldigungen, dringt noch dumpf von draußen hinein. Nur mit Mühe überzeugst du dich davon, dass sie deinen rasenden Herzschlag nicht hören können.

Nat weiß etwas, das ist dir jetzt klar. Aber wirst du ihm auch vertrauen können?

|=| Hello! Leider kann ich dieses Kapitel so gar nicht einschätzen. Sind Reader-Chans Gedankengänge nachvollziehbar? Wie wirkt ihr Gespräch mit Nat? Und macht es neugierig auf das kommende Geschehen? Treten irgendwo Schreibfehler auf? Bitte helft mir und kritisiert mein Geschreibsel, damit ich es verbessern kann! 💕🤧

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