eightteen

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Ich ziehe Connor die Decke bis zum Kinn und gebe ihm einen Kuss auf die Stirn, als seine Augen bereits fast geschlossen sind. Wir waren nachmittags die Gegend erkunden und haben einen riesigen Spielplatz gefunden, wo er sich - soweit sein Arm es zuließ - ausgetobt hat.

Als es klingelt reißt er seine kleinen Kulleraugen wieder auf. »Mummy, du kommst aber wieder?«, murmelt er gähnend.
»Morgen früh. Wahrscheinlich passend zum Frühstück, mein Schatz. Ich muss ja schließlich zur Arbeit. Schlaf jetzt. Oma ist hier, falls du etwas brauchst«, flüstere ich und er nickt mit bereits geschlossenen Augen. Ich streiche ihm noch einmal durch den schwarzen Schopf und gehe dann zügig zur Tür. Meine Mutter lässt sich natürlich ein anzügliches »Viel Spaß« nicht nehmen.

Ich öffne die Tür und schiebe Cole gleich ein Stück zurück. Er muss jetzt nicht auf meine Mutter treffen und ich will natürlich der Gefahr entgehen, dass Connor noch einmal aufsteht, weil er Durst hat. Ich kenne doch meinen Schlawiner.

Cole hält meine Hände fest und grinst. »Du hast es ja eilig, hier weg zu kommen«, brummt er belustigt und zieht mich an sich, um mich sanft zu küssen. Wie erleichtert seufzt ich gegen seinen Mund und genieße ihn für einen Moment.

»Ich habe Hunger«, antworte ich und lecke mir über meine Lippen, ohne darauf zu achten, wie er es wahrscheinlich verstanden hat, denn seine Hände fahren an meinen Seiten herunter und greifen fest in meinen Po.

»Wir können auch gleich zu mir fahren und bestellen etwas zu essen«, raunt er vor meinem Mund und streicht mit seiner Nasenspitze über meine. Das geht mir dann doch zu schnell, auch wenn meine Libido das anders sieht und ich schüttele schnell den Kopf. »Nein nein, lass' uns Essen gehen. Wo gehen wir hin?«, frage ich sichtlich durcheinander.

Er bringt mich einfach völlig aus dem Konzept. Er sieht fantastisch aus in seiner schwarzen Jeans und dem grauen, engen Hemd. Dazu riecht er so verführerisch, dass ich am liebsten augenverdrehend gegen seine Brust sinken würde, doch ich reiße mich zusammen. Fragt sich nur, wie lange ich es aushalte.

Wir fahren doch wirklich zu dem indischen Restaurant, wo er an meinem ersten Tag bereits mit mir war. Der Gedanke an den Tag lässt mich schmunzeln. Wer hätte gedacht, dass sich alles so entwickelt? Ich jedenfalls nicht. Er hat einen schönen Tisch im hinteren ruhigeren Bereich reserviert. Als wir auf unser Essen warten, wird er nachdenklich und mustert mich lange. Stumm schauen wir uns an, bis er die Stille bricht.

»Du weißt nicht, wie sehr ich mich freue, dass du jetzt mit mir hier bist, oder?« Ich beiße auf meine Lippe und schüttele den Kopf. »Sehr froh, Sadie«, murmelt er und beugt sich über den Tisch, küsst mich zärtlich und ich kann ihn endlich schmecken. Gefühlvoll erkundet seine Zunge meinen Mund und bereits jetzt rutsche ich nervös auf meinem Stuhl hin und her und wünschte, wir wären schon fertig mit Essen.

Um mich auf andere Gedanken zu bringen, löse ich mich von ihm und nehme hastig einen Schluck von meinem Weißwein. «Und was hast du so geplant für heute Abend außer essen?«, frage ich ernst, ohne anzüglichen Unterton. Meine Mutter würde spottend ihre Haare nach hinten werfen.

»Ich bin ehrlich - ich habe nichts geplant. Ich möchte mit dir einen ganz normalen Abend ohne Schicki Micki und Glitzer verbringen und hoffe, du bist mir dafür nicht böse, denn davon hatte ich in letzter Zeit nur genug.«

Abwartend blinzelt er herüber und knetet nervös seine Hände. Dabei braucht er nicht nervös sein, denn damit hat er mir nur noch mehr bestätigt, dass das vielleicht doch nicht so falsch ist, was ich hier tue. Ich stehe nicht auf Glanz und Gloria und Prosecco hier und Glitzer da.

Einen Moment lasse ich ihn zappeln, blicke emotionslos in sein angespanntes Gesicht, bis ich nicht mehr kann und sich ein Grinsen auf meinen Lippen bildet, »Perfekt«, antworte ich ehrlich, zwinkere ihm über den Tisch zu und nippe wieder an meinem Glas.

»Perfekt«, wiederholt er glücklich lächelnd meine Worte und hebt ebenfalls sein Glas an seine Lippen, ohne mich aus den Augen zu lassen.
Unser Essen - bestehend aus gemischten Pakoras und verschiedenen frittierten Fleischsorten, Brot und Dips ist einfach köstlich, doch allzu lange halten wir uns hier nicht mehr auf und wir fahren in seine Wohnung.

Ich bin zappelig, nervös und gehe davon aus, dass er gleich im Aufzug über mich herfallen wird, doch das tut er nicht. Er lächelt mich liebevoll an und verschränkt unsere Finger und bleibt brav neben mir stehen. Irgendwie merkwürdig. Wahrscheinlich hätte mein Körper sich das gewünscht, denn die Unruhe in mir wächst.

»Mach' es dir schon mal gemütlich. Ich hole uns nur etwas zu trinken«, sagt er und deutet mit einem Nicken auf seine Wohnlandschaft. Mit noch einer Flasche Wein und einer Flasche Wasser kommt er zu mir und gießt uns davon ein, bevor er sich neben mich setzt und mir mein Glas vor die Nase hält.

Ich bin kribbelig, zappelig und fühle mich, als wenn ich gleich platze. Er ist zuvorkommend - schon den ganzen Abend. Überhaupt nicht aufdringlich, so wie sonst so oft und bis auf den Kuss im Restaurant und das Händchen halten im Fahrstuhl hat er mich nicht angefasst. Was ist mit ihm los?!

Aufgeregt lecke ich über meine Lippen und nehme schnell einen Schluck Wein, um mich zu beruhigen, atme tief durch und lächle ihn abwartend an. Das Grinsen... dieses wissende Grinsen, das auch seine Augen umspielt und kleine Fältchen hervor ruft, macht mich wahnsinnig, doch er lehnt sich lässig gegen die Rückenlehne, legt zu mir gewandt seinen Arm darauf ab und mustert mich.

»So Sadie. Jetzt erzähle mal. Wie ist es dir die letzten Jahre so gegangen. Was hast du nach deiner Ausbildung gemacht? Also privat. Deine Vita kenne ich. Erzähl mir was von DIR.« Ich bekomme unnormales Herzrasen und setze das Glas Wein hastig wieder an meine Lippen um den kompletten Inhalt in mich hinein zu kippen.

Jetzt wäre ein Moment, ihm alles zu beichten, ihn über Connor aufzuklären und zu sagen, dass er einen 5-jährigen Sohn hat. Doch damit würde ich wohl den Abend sprengen, dabei ist es gerade so harmonisch und eigentlich freut es mich ja, dass er mich so etwas fragt und nicht einfach nur in sein Schlafzimmer schleift und mir die Klamotten vom Körper schält.

»Sadie, ist alles in Ordnung?«, fragt er mit gerunzelter Stirn und drückt vorsichtig meine Hand, womit er mich wieder aus meinen Gedanken reißt.
»Ja, alles okay. Ich war nur in Gedanken. Eigentlich habe ich nicht viel gemacht. Gearbeitet beim alten Knight, bis ich hier her kam. Und sonst privat - ach ich war viel bei meinen Eltern. Habe hin und wieder etwas mit meiner Freundin Caren gemacht, bis sie geheiratet hat und weg gezogen ist. Wenn ich so darüber nachdenke, war mein Leben auf eine Weise recht unspektakulär. Dein Leben war wohl ereignisreicher«, antworte ich mit Blick in seine klaren Augen.

»Und hat keiner dein Herz erobert? Keiner der dich wollte - den du wolltest?«, fragt er neugierig und bei dem Wort Herz macht meines einen Satz.
»Nein. Wirkliche Beziehungen hatte ich nicht. Natürlich hatte ich hier und da ein Abenteuer. Aber nichts, was von Bedeutung wäre«, antworte ich mit einem Schulterzucken und senke meinen Blick.

»Das waren Idioten«, murmelt er und hebt meinen Kopf am Kinn um mich anzusehen. »Ich hätte dich damals am liebsten mitgenommen«, flüstert er ernst und streicht mit seinen Fingerrücken meinen Hals herunter. Ich schließe meine Augen und atme zittrig aus. Es ist so unfair, dass er mich nur so leicht berühren muss und ich bin wieder kurz davor in Flammen aufzugehen.

»Dann hätten wir auch nur Probleme gehabt, denn ich denke nicht, dass seine Familie mich akzeptiert hätte.« Er nickt nachdenklich, aber beginnt zu Lächeln und beugt sich zu mir vor, »Jetzt ist es mir aber egal, was sie akzeptieren oder nicht.«

Ich komme ihm das letzte Stück entgegen und küsse ihn zaghaft. Im Grunde das erste Mal, dass ich ihn von mir aus richtig küsse. Doch bevor ich den Kuss vertiefen kann, löst er sich schon wieder von mir und wischt sich mit Daumen und Zeigefinger grinsend über seine Mundwinkel. »Lass uns weiter reden. Ich glaube, ich weiß noch nicht alles über dich«, sagt er und holt tief Luft, weil es für ihn sichtlich nicht leicht ist, sich zurück zu halten.

»Ich würde lieber etwas über dich erfahren«, erwidere ich mit glühenden Wangen und rutsche schon wieder nervös auf dem Polster hin und her.
»Was willst du wissen?« In meinem Kopf ploppen so viele Fragen hoch. Aber eine ganz besonders, nur weiß ich nicht, wie ich die verpacken soll. Oder doch?

»Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Also willst du irgendwann woanders leben? Bist du glücklich? Wie stehst du zu Kindern? Ist beruflich bei dir dein Ziel erreicht?«...

LOVE RECOVEREDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt