twentytwo

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Ich habe mich den ganzen Tag in meinem Büro verkrochen und Cole einige Male wütend in seinem Büro an die Decke gehen hören. Mehrmals bin ich schreckhaft zusammen gezuckt, weil er die Tür so laut zugeknallt hat, dass die Wände wackelten.

Doch ich habe ihn nicht mehr gesehen, habe von ihm nachmittags nur eine SMS bekommen, dass er noch einen Termin hat und er davon ausgeht, dass es spät wird. Also packe ich am Feierabend meine Sachen und mache, dass ich nach Hause komme.

Mom hat gekocht - Gemüsepfanne mit Hühnerfleisch. Connor popelt angewidert die Pilze heraus und verzieht sein Gesicht. Seine kleine Nase wird faltig und das Geräusch, was er dabei macht ist einfach nur niedlich.

Ich weiß nicht einmal, warum er keine Pilze mag. Vielleicht ändert sich das ja auch noch - ob Cole Pilze mag? Schon wieder denke ich an ihn, blicke auf meinen Kleinen und streiche durch sein schwarzes Haar, was frech in sämtliche Richtungen absteht.

»Und Schatz? Wie ist es im Kindergarten?«, frage ich meinen Zwerg, der mit dem Kopf auf meinem Schoß seine letzte Kindersendung für heute schaut und bald ins Bett muss.

Jetzt wo ich Cole wieder gesehen habe, kann ich es gar nicht fassen, wie ähnlich sie sich sind. Die Nase und der Mund scheinen wirklich eine Mini-Ausgabe von Cole zu sein.

»Ja, ich habe mich auch schon angefreundet. Jason heißt er. Und eine Emily mag mich glaub ich«, seufzt er. Schmunzelnd heben sich meine Mundwinkel. Bitte fang nicht so früh damit an und bitte werde nicht so wie dein Vater.

»Das ist doch toll! Vielleicht lädst du einen der Beiden mal zum Spielen ein - oder beide? Was meinst du?« Conner stützt sich auf seinen Ellenbogen ab und blickt mich fassungslos an.

»Ich kann doch kein Mädchen einladen. Aber Jason ja«, platzt entsetzt aus ihm heraus, bevor er sich wieder auf meinen Schoß legt und seine Sendung schaut. Mom blättert in einer Tageszeitung und ich streichele zufrieden Connors Rücken, was nicht ohne Folgen bleibt.

»Sadie, bring' ihn doch ins Bett«, sagt sie mit einem Nicken auf Connor, der schlafend mit offener Schnute wahrscheinlich auf meine Jogginghose sabbert.

»Gleich, er ist gerade so friedlich«, flüstere ich und streiche über seine Wange. Ich bin einfach so froh, dass er endlich hier ist und freue mich, dass er auch gleich Anschluss im Kindergarten gefunden zu haben scheint.

»Na los, Schatz. Lass' ihn uns ins Bett bringen«, fordert Mom mich auf und erhebt sich aus ihrem Sessel. Während ich mit Connor auf dem Arm in sein Zimmer schleiche, schlägt sie bereits sein Bett auf. Zum Glück hatte er schon seinen Schlafanzug an.

Zurück im Wohnzimmer setzen wir uns beide zugewandt auf die Couch. »Und? Könntest du mit ihm sprechen?«

Ich hatte es den ganzen Nachmittag bis jetzt verdrängt, wollte es nicht an mich heran lassen, doch jetzt muss ich mit jemandem darüber sprechen. Und warum nicht Mom!?

»Gerade, als der Moment perfekt war und ich schon fast das Wort "Sohn" ausgesprochen hatte, hat uns sein Telefon gestört. Seine Ex, diese Janine ist jetzt angeblich schwanger«, sage ich niedergeschlagen und mag ihr nicht in die Augen schauen.

»Na dass er es mit dem Verhüten nicht so hat, wissen wir ja!«, platzt es aus Mom heraus und bringt mich damit auf die Palme. »Mom! Bitte! Er sagt es ist unmöglich.«

Sie blickt mich wissend an, zieht eine Braue in die Höhe und verzieht ihren Mund. Ich weiß, was sie denkt.

»Ja ich weiß. Das beste Beispiel liegt nebenan, aber bei Janine habe ich auch irgendwie das Gefühl, dass es nicht stimmt. Oder wenn doch, wer weiß, ob Cole der Vater ist? Oder sie sagt es jetzt nur, weil sie ihn an sich binden will, weil ist schon komisch, dass es gerade jetzt passiert, oder?«

Ich rede mich in Rage, denn ich wünsche mir so sehr, dass es nicht stimmt - oder dass Cole nicht der Vater ist. So sehr, dass ich gar nicht merke, wie mir die Tränen laufen, die Mom mir von den Wangen wischt.

»Ich wünsche es mir für dich, Sadie. Aber was ist, wenn es stimmt?«, fragt sie mit ruhiger Stimme und streicht warmherzig über meinen Arm.

»Dann wird er dazu stehen. So hat er es gesagt. Aber er besteht auf einen Vaterschaftstest, weil er sagt er kann sich daran erinnern. Und bei der Verhütung ist nichts schief gelaufen.«

»Dann verstehe ich nicht, warum du es ihm nicht schön längst gesagt hast. Er mag zwar immer noch ein Schürzenjäger sein, oder auch nicht mehr - man weiß es nicht, aber diese Aussage zeigt doch, dass er erwachsener geworden ist.

Und ich denke, wenn er Connor kennengelernt hat, wird er ihn lieben, Schatz. Er ist ein toller, aufgeweckter Junge. A propos. Du darfst nächste Woche den Termin beim Arzt nicht vergessen. Da kommt der Gips ab.«

Ich lasse meinen Kopf an die lehne fallen und seufze leidlich. Ich bin fertig. Ich wünsche mir so sehr, dass Cole und Connor sich kennenlernen und Cole ihn mag, aber ich habe unwahrscheinliche Angst vor seiner Reaktion mir gegenüber.

Er hat schließlich keinen Grund Connor böse zu sein - mir dafür aber und das frisst mich auf. Beides frisst mich auf - das Schweigen und die Angst vor seiner Reaktion.

»Sadie, bist du noch anwesend?« Erschrocken zucke ich zusammen und blinzele Mom entgegen. »Ja, tut mir leid, Mom. Ich war in Gedanken.«

Sie legt ihren Kopf zur Seite und drückt meine Hand. Ihr Blick ist flehend und es wird nicht lange dauern, dann wird sie glasige Augen bekommen, wenn ich jetzt nichts sage.

»Mom bitte.« Sie atmet tief durch und senkt ihren Blick.
»Schatz, bitte tue dir und vor allem Connor endlich den Gefallen und sag' es ihm. Du quälst dich doch auch nur und Connor wäre das glücklichste Kind, wenn er endlich seinen Vater kennenlernen könnte. Die Lüge von der Auslandsarbeit klappt nicht mehr lange.«

»Okay. Morgen. Ich werde die Nacht sicher nicht schlafen können, aber ich denke, es ist besser ich mache es, solange du noch hier bist.«

Lange liege ich noch wach und versuche mur die richtigen Worte zusammen zu legen, doch so wirklich will es mir nicht gelingen. Gibt es für so etwas die richtigen Worte? Ich denke nicht.

*

»Mommy, Frühstüüück! Granny holt Bagels. Aufstehen!«, ruft mein Zwerg fröhlich und flitzt so schnell wieder ins Wohnzimmer, dass ich seinen kleinen Füße über den Dielenboden trommeln höre.

Ich bin erst früh am Morgen eingeschlafen und dementsprechend fühle ich mich auch. Müde setze ich mich auf und schaue auf den Wecker. Es ist halb 8:00 Uhr. Ich springe auf und gehe duschen.

Hoffentlich kann die Dusche mich wecken, denn sonst habe ich wenig Hoffnung, den Tag zu überstehen. Sowieso werde ich den Tag nicht überstehen, bei dem was ich vor mir habe.

Immer noch müde steige ich aus der Dusche, wickele mir mein Handtuch um den Körper und beginne meine Haare zu frottieren, als es an der Tür klingelt. Es wird Mom sein, Connor sagte, sie will Bagels besorgen und sie hat sicher vergessen, den Schlüssel einzustecken.

Doch es lässt mir keine Ruhe und ich trete aus dem Bad, linse in den Flur Richtung Wohnungstür, wo Connor gerade die Tür öffnet.

Ich halte vor Schreck die Luft an, möchte schreien, heulen - noch besser weg laufen, denn vor Connor steht kein anderer als Cole - wie üblich in einem maßgeschneiderten Anzug und blickt fragend auf ihn herab. Mein Herz droht aus meiner Brust zu springen und ich zittere am ganzen Körper. Solche Angst hatte ich wahrscheinlich noch nie.

Cole setze an etwas zu sagen, doch schluckt die Worte wieder herunter. Er wirkt nachdenklich, schüttelt kaum merklich seinen Kopf und es vergehen einige Sekunden, in denen sie sich stumm anschauen, bis Connor ergriffen die Stille flüsternd bricht.

»Daddy! Du bist endlich da!«

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LOVE RECOVEREDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt