Recover

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Als ich wieder zu mir kam, lag ich noch immer in Chens Bett, aber bis zum Hals zugedeckt.
Mein Hals schmerzte, als hätte man mir Messer durch ihn gejagt und als wäre er aufgeschnitten wurden.
Draußen dämmerte es bereits und von Chen war keine Spur in seinem Zimmer zu finden.
Er hatte mir klargemacht, was passieren würde, würde ich nochmals versuchen mich mit ihm anzulegen.
Und ich dumme Kuh hätte gedacht, dass mein Plan, ihn von meinem Handy abzulenken klappen würde, zumal Chen auf sowas bei mir sonst doch auch reagierte. Aber er musste schlauer sein als ich annahm und hatte mich mit einem schmerzhaften Erfolg überlistet.
Vorher hatte er mich noch nie gebissen, er zog es nichtmal in Erwähnung und es fühlte sich auch ganz anders an, als wie bei Sehun damals.
Als Sehun mich in die Unterlippe biss war es wie ein berauschendes, wunderbares Gefühl, bei Chen tat es einfach nur weh.
Vielleicht lag es auch daran, dass er fast das gleiche Blut hatte wie ich oder ich nicht wirklich damit gerechnet hatte.

Ich wollte aufstehen, doch merkte schnell, dass ich viel zu geschwächt dafür war, was hieß, dass ich liegen bleiben musste.
Luhan würde sich sorgen machen, wo ich abgeblieben war, denn ich bekam nicht mal genügend Kraft zusammen, um ihn mit meinen Gedanken zu rufen. Es war als hätte Chen mir alle Kraft geraubt, die ich brauchte um hier aus dem Raum zu gelangen, oder um überhaupt irgendwas zu machen.
So schwach hatte ich mich das letzte mal gefühlt, als mich zwei Engel umbringen wollte, für das was ich war.
Langsam schloss ich meine Augen und versuchte irgendwas um mich herum zu Hören, doch da war nichts, noch immer hatte ich noch nicht die Gabe entwickelt Gedanken zu lesen, ich konnte sie nur versenden und blockieren vor anderen, dann hörte es auch schon wieder auf.
"Luhan!" krächzte ich erneut, diesmal nicht nur in Gedanken, doch ich konnte nicht spüren, ob er mich gehört hatte oder nicht.
Ich hing in diesem Zimmer fest, konnte mich nicht regen, war einfach nur zu schwach für alles.
Es war als hätte ich nur noch das nötigste an Blut in mir, um grade so zu leben, als hätte Chen sich nicht unter Kontrolle gehabt und mich fast umgebracht durch seine Überlistung.

Innerhalb eines Wimpernschlags tauchte Chen vor dem Bett auf, neben ihm stand ein junge, der locker in meinem Alter sein konnte und viel zu schnell wurde mir deutlich, dass er ein Mensch war.
Sein Puls hämmerte aufgeregt und laut in meinen Ohren und brachte mich trotz meiner Schwäche und den Schmerzen auf die Beine.
Der Junge sah mich verängstigt an, doch konnte sich nicht rühren, Chen hatte ihn durch seine Fähigkeiten quasi festgewurzelt.
Mein Gewissen sagte mir ich solle dem bei Chen nichts antun, während es meine Gesundheit von mir verlangte.
Es war ein Kampf mit mir selber, der mir noch nie so schwer gefallen war.
Chen lächelte mich nur ruhig an und ging ein paar Schritte zurück von dem Menschen, den er angeschleppt hatte.
"Sieh ihn als ein kleines, feines Friedensabkommen an. Ich verzeihe dir dein Telefonat mit dem Engel."
Dem Menschen im Zimmer war seine Panik anzusehen, doch Chen hatte auch seine Lippen versiegelt.
"Was ist, wenn ich es nicht annehme?" hinterfragte ich und hatte mühe meine Instinkte zurückzudrängen.
"Vergiss nicht, dass dein Dämon auf der Suche nach dir ist. Wäre doch jammerschade, wenn ihm etwas zustoßen würde."
Er drohte mir.
Chen hatte mir noch nie gedroht.
So war er noch nie drauf gewesen, dass war er nicht.
"Luhan hat mir verraten, wo du dein Handy aufbewahrst. Ich habe deine Nachrichten gelesen Chuhan. Auch die von Sehun, aber ich sorge schon dafür, dass er dich hier nicht finden wird." säuselte er viel zu ruhig und unbesorgt.
"Du solltest mein Angebot annehmen. Nochmal lass ich mich nicht von dir hintergehen."
Er blickte mich finster an.
Ich war gezwungen zu nicken, sein Angebot anzunehmen.
Es wäre nicht mit meinem Gewissen vereinbar gewesen, würde ich zulassen, dass Sehun etwas passieren würde. Allein schon weil ich dann Luhan im Nacken sitzen hätte.

Wie von selber stand ich auf, ignorierte, dass meine Beine mich kaum halten konnten.
Chan kam mir zuvor und schubste den Menschen an das Bett, zog von irgendwoher einen Dolch hervor und schnitt den Jungen an einer schmerzhaften, aber noch ungefährlichen Stelle am Hals.
Schreien konnte er nicht und gefährlich würde es nur werden, wenn ich meine Lippen anlegen und seinem Leben ein Ende setzten würde.
Wie Schokolade umgeisterte das Blut des Menschen meine Nase und völlig ferngesteuert machte ich den einen Schritt auf ihn zu und musste einfach von ihm trinken.
Eine Woche hatte ich darauf verzichtet, eine Woche konnte ich dieses sündhafte, wunderbare Blut nicht in meinem Mund spüren, wie ein Junkie seine Droge einnahm.
Der Mensch regte sich nicht, bis auf das er zu Boden ging und dass ich ihm, mit meinen Lippen knapp über seinem Schlüsselbein, folgte, bis da nichts mehr war und ich auch keinen Puls wahrnahm.
Einen kurzen, warmen Funken später war vor mir nichts mehr.
Wieder hatte ich jemanden umgebracht, aber im Moment war mir das ehrlich gesagt total egal.
"Du wirst übrigens nicht mehr zur Uni in Seoul gehen, sondern hier bleiben." teilte Chen mir mit und ließ sich gelassen neben mir nieder.
Er reichte mir ein Taschentuch und sah in meine Augen.
In diesem Moment verfluchte ich mich dafür, dass ich die sein musste, die ich war.

Ich wischte meinen Mund ab und zog meine Beine an.
Mit dem Rücken lehnte ich gegen das Bett hinter mir.
"Ich werde nicht mehr mit Kai reden." murmelte ich. "Bitte. Nimm mir das nicht." flehte ich Chen an und wendete meinen Blick nicht von ihm.
In seinem wunderschönen Gesicht gab es keinerlei Emotionale Regung, er war wie eingefroren.
"Du hattest deine Chance meine Prinzessin." flüsterte er und strich mir eine Strähne hinter mein Ohr.
Ich erschauderte.
Er meinte es ernst, würde mich wohl nicht mehr hier raus lassen.
Eine Träne rollte über meine Wange.
"Gib mir noch eine." bat ich weiter.
"Eine Chance ist wie dein Leben. Beides gibt es nur einmal, verspielst du es, ist es vorbei." erklärte er mir und machte mir bewusst, dass es keine Kompromisse geben würde.
Ich wollte wütend sein, ausflippen, ihn schlagen, aber ich konnte nicht.
Die Macht und Eleganz, die er ausstrahlte hielt mich davon ab, wie eine Schranke, über die man nicht klettern konnte.
Chen stand wieder auf und schritt zu seiner Zimmertür.
Ich blieb sitzen.
Das Blut hatte nicht gewirkt. Noch immer fühlte ich mich genauso schwach wie davor.
"Und Chuhan?" Langsam sah ich zu Chen.
"Versuch nichtmal aus diesem Gebäude auszubrechen. Ich bin auf dich geprägt. Ich weiß nun wo du bist und was du macht. Deine Gedanken verschließen kannst du mir auch nicht mehr."
Er war eifersüchtig, krank eifersüchtig, das war weit entfernt von gesund und das nur weil ich einmal Telefoniert hatte.
Es war das erste mal dass ich den Gedanken hegte, wie sehr ich mich verfluchte damals im Homeland so freundlich zu ihm gewesen zu sein.
"Ich dagegen verfluche dies nicht meine Liebe. Wenn es dir besser geht, kannst du in dein Zimmer gehen." er verschwand ohne ein weiteres Wort und ließ mich zurück.
Von nun an war ich ein offenes Buch für ihn, er hatte die totale Überwachung über mich und das uneingeschränkt.

Langsam stand ich auf und kroch förmlich auf allen vieren aus seinem Zimmer und aus dem Gang in dem seine und Lays Zimmer waren.
Lay saß auf einem der altmodischen Sessel im Gang und las.
Als ich an ihm vorbei taumelte sah er mich an, doch bat nicht seine Hilfe an, sondern starrte wieder stumm in sein Buch.
Die Treppen waren eine Qual.
Ich hatte kaum kraft, zerrte mich aber dennoch hoch und versuchte in mein Zimmer zu kommen, ohne dass ich vorher zusammenbrechen würde.
Dabei hatte ich völlig vergessen, dass Luhan noch immer in meinem Zimmer war und Harry Potter sah.
Kaum hatte er mich in meiner Zimmertür wahrgenommen, eilte er zu mir und stützte mich, um mir bis zum Bett zu helfen.
"Tut mir Leid. Er hat gedroht Sehun und Baekhyun etwas anzutun." flüsterte er.
Ich nickte nur. "Schon okay." murmelte ich schwächlich.
"Nein ist es nicht. Ich hätte dich nicht verraten sollen Chuhan. Sonst hätte er dir nicht weg getan."
Bitter lachte ich auf.
"Das hat er schon, bevor er zu dir ist." Ich fuhr mir über die schmerzende Stelle an meinem Hals.
"Sieht gar nicht gut aus. Meine Mutter hat das auch, nur sind bei ihr Narben zurückgeblieben. Das ist ein Prägungsmal." erklärte er mir.
Toll.
Chen hing nun also ein Leben lang an mir.
Ich wollte ihn nicht mehr. Er konnte meinetwegen auf die nächste Tsi Sgili warten.
Jemand der mir aus Eifersucht weh tat, war einfach nur geisteskrank.
"Kannst du mir bitte Stift und Zettel geben?" fragte ich Luhan, der nur irritiert nickte und mit beides rüberschweben ließ.
Ich dachte an etwas anderes, als ich schrieb und überlas es auch nicht nochmal, bevor ich es Luhan hindrehte.
"Soweit ich weiß kann man sie brechen, aber nur durch einen reinen Dämonen, wie mein Bruder.
Ich werde versuchen ihn zu finden und dann holt er dich hier raus.
Das was Chen getan hat, ist das letzte." antwortete er mir mit Worten auf mein geschriebenes und lächelte mir schwach zu.
Mir war bewusst, wieso er seinen Bruder bei reinen Dämonen erwähnt hatte, und wenn ich ehrlich war, hätte ich jetzt alles getan, damit ich eine Prägung mit Sehun haben könnte und nicht mit dem Monstrum von Chen.
Wie konnte ich nur so naiv denken und immer das gute in ihm sehen?
Denn wie er wirklich war, oder werden konnte, blieb mir bis dahin verborgen.

Erneut schrieb ich Luhan meine Worte auf.
"Jap. Ich sag Kai auch Bescheid und werde einrichten, dass er sich wohl mit Kai zusammenschließen muss. Wenn es nötig ist werde ich dafür sorgen, dass sich Dakylar und Sakaylar verbinden, damit die beiden endlich nicht mehr sind." versprach er mir mit einem schwachen lächeln.
"Luhan?" Ich erschauderte als Chen bei mir im Zimmer stand.
Unauffällig ließ der Halbneko den Zettel verschwinden und sah zu dem in meinem Zimmer.
"Ich möchte, dass du Chuhan für heute und die nächsten Tage in Ruhe lässt.
Ihr geht es nicht gut und ich möchte, dass sie sich in frieden erholt."
Mit finsterem Blick sah Luhan zu ihm.
"Du hast ihr wehgetan." fauchte er und verwandelte sich in seine tierische Gestalt.
Chen lachte leise. "Chuhan hat es so weit heraus provoziert. Ich hab ihre offene Art nur als eine Einladung angenommen." redete er sich heraus, doch Luhan glaubte ihm kein Wort.
Dennoch setzte er sich in Bewegung und ließ den Zettel in seiner Hosentasche verschwinden.
"Wenn du etwas braucht melde dich bitte bei mir Chuhan." waren Chens letzte Worte, bevor er die Tür zu zog und ich aus Leibeskräften und voller Wut schrie, bis mir Tränen in den Augen standen und ich keine Stimme mehr hatte.

FallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt