Flucht

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Tief bohrten sich seine Pfoten im schnellen Takt in den weichen Waldboden, erlaubten sich keine Pause, während Bäume und Sträucher an ihm vorbei rauschten, aus denen sich aufgeschreckte Vögel in die Lüfte erhoben. Es blieb keine Zeit ihnen Beachtung zu schenken, das Einzige was zählte, war zu rennen. Die Vögel würden den Schattenwölfen ihre Position verraten, aber sie hätten ihn ohnehin anhand seines Geruches gefunden, selbst wenn er sich um eine unauffällige Flucht bemüht hätte. Tobias erlaubte sich nicht zurück zusehen. Er starrte nur geradeaus, es brauchte keine Versicherung, dass sie ihm folgten. Ihr Knurren war laut genug um zu wissen, dass sie ihm dicht auf den Fersen waren.

Eigentlich hätte er Panik empfinden müssen. Todesangst. Der Wolf in ihm wollte sich irgendwo im Wald verkriechen, sich zu einem Bündel zusammenrollen und darauf hoffen, dass seine Unterwerfung ihn vor seinem sicheren Tod bewahren würde. Doch ein anderer Teil von ihm war stärker, ließ der Angst keinen Platz mehr, weil sie ihn lähmen würde und konztrierte sich ganz auf das Kind auf seinem Rücken, dessen aufgeregtes Herz hektisch gegen sein Fell schlug. Solange dieses Herz nicht zum Stoppen kam, lohnte es sich zu kämpfen. Obwohl ihm der Sauerstoff ausging und seine Beine ihren Dienst zu versagen versuchten. Tobias Körper war solche Anstrengungen nicht gewöhnt, nie hatte er ein Training genossen, dass ihn darauf hätte vorbereiten können. Seine Verfolger waren ihm haushoch überlegen.

Ihr Abstand hatte sich bereits beängstigend verkleinert. Ihr Lachen ertönte. Hämisch. Herablassend. Siegesgewiss. Aber noch hatten sie nicht gewonnen. Noch lebte der kleine Junge, leitete den Omega weiter in den Wald hinein. Das Laub der Bäume wurde dichter. Das Licht immer weniger. Den Boden richtig einzuschätzen erschwerte sich mit jeder Sekunde. Große Wurzeln durchzogen den Untergrund, bereit ihn bei jeder kleinsten Unachtsamkeit zu Fall zu bringen.

"Tobias!", es war James Stimme, "Warte nur, bis wir dich haben!"

Sein Kopf drohte zu explodieren, als sich die anderen Schattenwölfe einer nach dem anderen in seine Gedanken drängten, als sie ihn einen Verräter nannten, als sie ihm versprachen ihn umbringen. Er konnte ihre Vorfreude spüren. Es reichte um ihn für einen Moment abzulenken. Seine Lider schlugen nieder, in der Hoffnung sie irgendwie auszublenden, sie zum verstummen zu bringen. Doch sie waren sein Rudel. Ein Teil von ihm, der sich nicht ausschalten ließ. Die verschlungene Wurzel, verdeckt unter dem Laub, sah er nicht kommen. Als er seine Sicht wiedererlangte, hatte sich sein rechter Vorderlauf bereits in ihr verfangen und er strauchelte, verlor den Halt und stürzte. Mit der Schulter aufkommend, prallte er auf den Boden. Schmerzen durchzuckten seinen Körper, als seiner Kehle ein Jaulen entwich, sie machten ihn für einen Augenblick besinnungslos, bis sich der Schmerz in seinem Vorderlauf konzentrierte und ihn brutal zurück in die Wirklichkeit riss.

Blinzelnd sah er direkt in die erheiterten Gesichter der Schattenwölfe, die ihn nun eingeholt und umkreist hatten. James trat als Erster hervor, doch seine Aufmerksamkeit lag nicht auf Tobias, sondern auf dem kleinen Jungen, der durch den Sturz von Tobias Rücken geschleudert und einige Meter weiter aufgekommen war. Er rührte sich nicht. Aber sein Herz schlug noch. James stand genau über ihm. Mit dem Grinsen eines Jägers der seine Beute erlegt hatte. Die Zufriedenheit in seinen Zügen machte den Omega krank, es war die Art, wie er sich an dem Leid anderer ergötzte, ohne auch nur einen Hauch von Mitleid zu empfinden.

Der Alpha öffnete sein Maul, bleckte seine Zähne, um dem Leben des Jungen ein Ende zu machen. Aber Tobias war noch nicht bereit aufzugeben. Es mochte so aussehen, als habe er schon verloren, als wäre alles auswegslos. Trotz allem hörte er noch den Herzschlag des Jungen, dem er auf der Lichtung das stumme Versprechen gegeben hatte, dass er noch so viel mehr in seinem Leben sehen und erleben würde. Es war zu früh. Zu früh um aufzugeben und zu sterben. Woher die Kraft kam, mit der er sich trotz seiner Verletzung nach oben wuchtete und sich zwischen James und den Kleinen warf, konnte sich der Omega nicht erklären. Ein Lächeln lag auf seinen müden Lippen, als sein Alpha in seine Schulter, statt in die Kehle des Jungen, biss. Sofort strömte Blut aus der Wunde, verklebte sein Fell und raubte ihm die kaum noch vorhandene Kraft. Tobias fiel zusammen wie ein Kartenhaus. Diesen zweiten Aufprall spürte er schon nicht mehr, sein Bewusstsein schwand mit jeder Minute, aber es reichte noch aus, um sich vor den Jungen zu werfen. In der Hoffnung James würde sich jetzt ihm zuwenden und den Jungen damit beschützen zu können. Ein lachhafter Plan. Besser als nichts und trotzdem zum Scheitern verurteilt, nur würde Tobias seine Hoffnung bis zum Schluss nicht aufgeben.

"Du bist und bleibst Abschaum", zischte sein Alpha, "mit deiner heutigen Aktion hast du dir deinen Platz im Rudel endgültig verspielt."

Der Tonfall seiner Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass James keine Gnade walten lassen wieder, auch nicht für Sam. Gewiss würde man seinem kleinen Bruder die Wahrheit verschweigen und ihm von einem Unfall erzählen, der Tobias das Leben gekostet hatte. Die Schattenwölfe waren kreativ und erstaunlich gute Lügner, niemand würde ihre Geschichte anzweifeln.

Die Brust des Omegas hob sich immer langsamer, der Blutverlust blieb nicht ohne Folgen, aber seine aufkommende Ohnmacht beruhigte ihn. Sie war wie ein Tuch aus Seide, dass sich langsam und sanft über ihn legte, die Schmerzen Stück für Stück von ihm nahm und ihm Trost spendete, als wüsste sie von seinem baldigen Ende und würde seine Hand halten, während sie beruhigende Worte in seine Ohren flüsterte.

Der Alpha setzte indes erneut an ihn zu beißen, nur dieses Mal in seine Kehle. Tobias vernahm sein erwartungsvolles Knurren. Es war soweit. Doch es folgte nichts. Kein Schmerz. Kein Ende. Nur die Ohnmacht, die sich weiter ausbreitete. Der Omega konnte nichts mehr sehen und auch seine Ohren versagten. Das Einzige, das er vor seinem tiefen Schlaf wahrnahm, war ein äußerst merkwürdiger Geruch. Und als er der Realität den Rücken kehrte, galt sein letzter Gedanke einer hoffnungsvollen Erkenntnis. Wölfe. Sie hatten es bis zur Grenze geschafft.



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Und das nächste Kapitel <3 Ich möchte mich an der Stelle für die Rechtschreibungsfehler im letzten Teil entschuldigen :x Ich kränkle im Moment etwas, deshalb entgehen mir mehr Fehler als sonst... Ich habe euch auch ganz vergessen zu fragen, wie euch eigentlich mein Cover gefällt? Im Moment bin ich mir selber nicht so ganz sicher, wie es mir selbst gefällt, deshalb wollte ich mal eure Meinung hören :P Das alte behalten? Oder lieber einer von diesen Entwürfen? Freue mich auf eure Anregungen.

 Ich habe euch auch ganz vergessen zu fragen, wie euch eigentlich mein Cover gefällt? Im Moment bin ich mir selber nicht so ganz sicher, wie es mir selbst gefällt, deshalb wollte ich mal eure Meinung hören :P Das alte behalten? Oder lieber einer v...

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