Es war ihm keineswegs leichtgefallen, Sam zurückzulassen, aber er wusste, dass es im Moment keinen Ort gab, der sicherer gewesen wäre, als Sebastians Schloss. Niemand würde ihn dort anrühren, schließlich war er James Beta und zum Glück außer Gefecht gesetzt, so dass er nicht wie die anderen zur Front aufbrechen musste. Es mussten hunderte Vampire sein, die Sebastian um sich gescharrt hatte, um sie in die finale Schlacht zu führen. Auf ihrem Weg würden sich die Schattenwölfe anschließen. Sebastian führte seine Artgenossen an, mit James, Tobias und Cara an seiner Seite. Wobei Tobias durch seinen schweren Gang herausstach. Es hatte keine Möglichkeit gegeben, sich zu erholen. Zacharias lief ein wenig hinter ihnen und ging sicher, dass alles seine Ordnung hatte. Cara hatte es am Anfang nicht glauben wollen, dass Tobias doch auf den Handel eingegangen war. Sie hatte die Wächter der Lüge bezichtigt, bis Tobias selbst ihr erklärt hatte, dass sie die Wahrheit sagten. Die Vampirin hatte ihn ungläubig gemustert. Ein bisschen so, als habe er den Verstand verloren. Cara hatte Erklärungen verlangt, die er ihr nicht gegeben hatte, nicht hatte geben können, weil die Gefahr zu groß war, dass sie jemand belauschte und sein Plan aufflog. Bis jetzt waren James und Sebastian zu versessen auf den nahenden Erfolg, zu gierig und ungeduldig, als dass sie ihn in Frage stellten.
Es war besser sie in diesem Zustand zu belassen, auch wenn es nur schwer mit anzuhören war, wie sie sich auf der Reise an die Front über die Zukunft unterhielten, die sie für sich vorhersahen. Nicht nur einmal lief dabei ein kalter Schauer Tobias Rücken hinunter, wenn sie darüber sprachen, wie sie die Menschen entrechten und sie sich zu eigen machen wollten. In ihrer Welt waren Menschen nicht mehr als herumlaufende Beute, perfekt für die Jagd, um den Blutdurst zu stillen und ihnen zu dienen. Sie würden ein grauenvolles Sklavendasein fristen, während es den Vampiren und Schattenwölfen an nichts fehlen würde. Sie träumten von einem Leben in Saus und Braus. Sie wollten nichts weniger als die absolute Herrschaft, die Folgen kümmerten sie nicht.
Cara schien es neben ihm schwerzufallen, ihnen nicht zu widersprechen. Ihre Wangen waren eingezogen und offensichtlich biss sie sich hart auf ihre Zunge. Gleichzeitig warf sie ihm immer wieder Seitenblicke zu. Ungestellte Fragen hingen in der Luft, nur sprach sie sie nicht aus. Vielleicht rief sie sich seine Worte in Erinnerung.
Du musst mir vertrauen. Begleite mich zur Front.
Es war viel, was er von ihr verlangte, doch er konnte sich mit nichts weniger als blindem Vertrauen zufriedengeben. Zum Glück hatte sie dem zugestimmt. Ob seine Entschlossenheit der Grund dafür gewesen war? Ihm blieb nicht die Gelegenheit, sie danach zu fragen. Stattdessen liefen sie im einvernehmlichen Schweigen nebeneinander her, durch die Tiefen des Waldes, dem Lager der Schattenwölfe entgegen.Sie wurden bereits von unzähligen Rudelmitgliedern erwartet, die in schon in ihre Wolfsform verwandelt waren. Die Wölfe waren bereit zu kämpfen, ihr aufgeregtes Hecheln war überall zu hören, genauso wie das vorfreudige Scharren ihrer Pfoten. Tobias würde sie nie verstehen. Er konnte nicht nachvollziehen, wie sie sich darauf freuen konnten, anderen Leid zu zufügen, so wie sie es auch bei den Jagden taten. Ohne zu zögern mischten sie sich unter die Vampire, man wollte keine Zeit verlieren, alle drängten der finalen Schlacht entgegen. Nur der Omega sah zurück. Auf das Rudelhaus. Wo alles begonnen hatte. Unzählige düstere Erinnerungen waren mit diesem Ort verbunden, aber ebenso seine Verwandlung in den weißen Wolf. Jetzt würde er dieses Haus niemals wieder betreten. Niemals in das Schattenzimmer zurückkehren. Es war ein merkwürdiges Gefühl mit einer Spur von Endgültigkeit, die ihn tatsächlich berührte. Für einen Moment kam ihm die Frage auf, ob nicht alles hätte anders laufen können. Ob das Rudel vielleicht sein Zuhause geworden wäre, hätte er seine weiße Gestalt von Anfang an gezeigt. Vielleicht hätte man ihn dann akzeptiert und er wäre wirklich mit Sam und den anderen glücklich geworden. Vielleicht hätte er ihnen den Sieg geschenkt und Elijah getötet, ohne ihn jemals richtig kennengelernt zu haben.
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Gefangen
WerewolfTobias hat mit dieser Welt seit langem abgeschlossen. Den Angriffen und Beleidigungen seiner Rudelmitglieder schutzlos ausgesetzt, gibt es für ihn nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Bis auf seinen kleinen Bruder. Um diesen zu schützen ergibt sich...