Aufkommende Probleme

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Aus dem befürchteten Albtraum wurde eine ganz besondere Nacht, die Tobias damit verbrachte, sich abwechselnd an Elijahs Brust zu kuscheln oder ihn zu beobachten, was ihn sogar die dünnen Felle vergessen ließ. Elijah hatte einen Arm um ihn geschlungen und brummte stets, wenn Tobias sich zu weit zurücklehnte, um den Alpha anzusehen und sein Gesicht zu mustern. Am liebsten hätte der Omega nichts anderes getan, als mit seinen Fingern Elijahs Züge zu erkunden, seine Lippen nachzuzeichnen, seine Augenbrauen glatt zu streichen oder das kratzige Gefühl zu genießen, das sich in seinen Fingern ausbreitete, sobald er über Elijahs Dreitagebart fuhr. Aber er hielt sich zurück, da er Elijah nicht aus seinem Schlaf reißen wollte. Dieser mochte zwar nicht tief sein, schließlich blieb der Alpha wachsam, bereit bei dem kleinsten, verräterischen Geräusch aufzuspringen, doch immerhin konnte er sich dadurch etwas erholen. Etwas, das Tobias für diese Nacht verwehrt blieb. Es hätte ihn nicht weniger kümmern können. Diese Stunden an Elijahs Seite würde er stets dem Schlaf vorziehen.

Als sie die Felle wieder zusammenpackten und das Feuer löschten, hatten sie einander noch immer nicht losgelassen. Keiner von ihnen wollte diese Verbindung lösen, auch wenn sich das Packen dadurch unpraktisch und schwierig gestaltete.

Den Wald hatten sie bald hinter sich gelassen, er wurde von einer wunderschönen Wiesenlandschaft abgelöst. Sie gab den Blick frei auf den Horizont, der zuvor von den Bäumen verdeckt gewesen war und an dem sich nun in der Ferne eine Bergkette abzeichnete. Der Omega war in seinem Leben noch nie viel aus dem Wald herausgekommen, den die Schattenwölfe bewohnten. Selbst Elijahs angrenzendes Gebiet war ihm bis vor kurzem völlig fremd gewesen. Er hätte es sich nie erträumen lassen, dass es ihm je möglich sein würde, den Wald zu verlassen und die Welt zu sehen. Der Wind war hier draußen fiel stärker zu spüren, er zerrte fester an Tobias Haaren, doch dieser lächelte nur dabei und beobachtete fasziniert, wie sich die langen Grashalme mit dem Wind bewegten.

"Es ist wunderschön oder?", flüsterte Tobias und drehte sich zu dem Alpha, der ihn anstarrte und in seiner ganz eigenen Welt zu sein schien. Der Omega wartete für einen Moment und legte seinen Kopf dann fragend schief, als er noch immer keine Reaktion erhielt. "Elijah?"

"Huch?", entfuhr es dem Alpha, der urplötzlich errötete und wieder im Hier und Jetzt ankam, "Ja, wunderschön." Tobias hatte nicht das Gefühl, dass er damit die Graslandschaft meinte.

"Woran hast du gedacht?"

Elijahs Wangen wurden noch dunkler und er wich Tobias aus, offensichtlich peinlich berührt, auch wenn sich der Omega dies nicht erklären konnte.

"An dich. Wie könnte ich an etwas anderes denken?", nuschelte der Alpha, wovon Tobias kein Wort verstand und nun besorgt zu seinem Begleiter sah.

"Vergiss es", murmelte der Alpha und zuckte mit seinen Schultern, während er offenbar versuchte wieder Herr über seine Gesichtsfarbe zu werden.

"Wenn wir gut vorankommen, sollten wir die Urhexen in zwei Tagen erreichen. Ehrlich gesagt bin ich gespannt, wie sie uns empfangen werden. Ich war noch nie in ihrem Dorf. Im Grunde sind sie nicht gut auf Werwölfe zu sprechen, wie Cassandra sagte, doch ich hoffe sehr, dass sie uns helfen werden", versuchte Elijah abzulenken und Tobias ließ ihm diesen Versuch durchgehen und nickte bloß, bevor sie den Wald gänzlich hinter sich ließen und sich ihren Weg durch das hohe Gras bahnten.

Das Laufen war eine wahre Herausforderung, da das Gras zum Teil bis zu ihren Hüften reichte. Elijah fiel es noch etwas Leichter, da er größer als der Omega war, aber Tobias hatte ständig Schwierigkeiten und war schon bald mit seinen Nerven am Ende. Nur Elijah, der hin und wieder seine Hand drückte, sorgte dafür, dass er sich nicht einfach  an Ort und Stelle niederließ und den Kampf gegen das Gras aufgab.

GefangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt