Ihre Umarmung hatten sie die ganze Nacht über nicht gelöst und beide waren nicht besonders glücklich darüber, einander am frühen Morgen loszulassen, aber ihnen blieb keine Zeit dafür im Bett liegen zu bleiben. Es galt sich einen Plan zu überlegen, wie Tobias am besten noch einmal an Sam herankommen konnte. Seinen Bruder zurückzugewinnen, war im Moment ihr vordergründiges Ziel. Elijah hatte alle weiteren Kriegspläne auf Eis gelegt in dem Wissen, dass Tobias ihm ohnehin nicht zuhören würde und ohne den Omega brauchte er sich über den Krieg nicht den Kopf zu zerbrechen.
Elijah führte Tobias nach dem Aufstehen in den unteren Teil des Rudelhauses, in dem sich ein großes Wohnzimmer befand, dass zugleich auch das Esszimmer war. In der offenen Küche, die zu dem Raum gehörte, stand gerade Nat und machte sich einen Kaffee. An dem großen Esstisch waren bereits Miles, Benjamin und Cassandra versammelt, sowie ein paar weitere Werwölfe, die Tobias noch nicht kannte. Kaum hatte er den Raum betreten verstummten sie und starrten ihn an. Es erinnerte ihn unangenehm in das Leben in James Rudel, wobei Elijahs Rudelmitglieder ihn nicht herablassend musterten, sondern voller Neugier und Interesse. Trotzdem war Tobias dies mehr als unangenehm. Ohne Zweifel war es kein Geheimnis geblieben, dass es sich bei ihm um einen weißen Wolf handelte. Er konnte spüren, wie die Anspannung im Raum stieg, wie sich einige zusammenreißen mussten, um ihn nicht mit Fragen zu löchern, nur trauten sie sich nicht das Wort zu ergreifen, bei dem strengen Blick mit dem Elijah zu ihnen herübersah.
„Zum Glück ist dieses Begaffen des Omegas gar nicht unangenehm", warf Miles schließlich in die Runde, was viele dazu brachte beschämt ihre Blicke abzuwenden, „Habt ihr nichts Besseres zu tun?"
Während viele sich wieder in eigene Gespräche vertieften, klopfte Benjamin auf den leeren Platz neben sich und sah Tobias auffordernd an: „Setz dich zu mir, Tobias. Wir haben dir bereits ein paar Brote gemacht."
Um ehrlich zu sein, war der Omega nicht besonders davon angetan sich neben den Vampir zusetzen, der ihm immer noch suspekt war. Bisher hatte es noch niemand für nötig gehalten, ihm zu erklären, weshalb Benjamin Elijah unterstützte und solange dies ungewiss war, würde Tobias Benjamin nie ganz vertrauen. Er war und blieb ein Vampir. Allerdings, so entschied er, war dies nicht der geeignete Rahmen, um den Vampir nach seinen Beweggründen auszuhorchen. In der Zwischenzeit hatte sich Elijah auf den einzig anderen freien Stuhl neben Miles niedergelassen, so dass dem Omega nichts anderes übrigblieb, als Benjamins Aufforderung nachzukommen.
Sogleich schob der Vampir ihm einen Teller zu, auf dem sich tatsächlich einige köstlich aussehende Brote befanden.
„Vielen Dank", murmelte Tobias, während er nach einem Brot griff und vorsichtig hineinbiss.
„Keine Ursache. Da ich an menschlichem Essen ohnehin keinen Gefallen finde und den anderen immer nur zusehe, dachte ich, ich kann dein Essen ja schonmal vorbereiten. Ich hoffe, es schmeckt?"
Tobias nickte zögerlich, konnte aber ein Zittern nicht ganz unterdrücken. Es war für seine unterschwellige Angst nicht unbedingt von Vorteil, dass Benjamin darauf hinwies, wovon er sich für gewöhnlich ernährte. Blut. Der Omega zwang sich krampfhaft ruhig zu bleiben und nicht die Flucht zu ergreifen, da kam ihm Cassandra ganz recht, die ihn plötzlich ablenkte.
„Du siehst schon viel besser aus", strahlte sie, sie saß auf der anderen Seite von Benjamin und lehnte sich nun vor, um über Tobias Wange zu streichen, „Die haben schon ein bisschen Farbe wiederbekommen." Es schien ein stummes Übereinkommen zu geben, nicht über seinen gestrigen Versuch zu sprechen, sich das Leben zu nehmen und er hatte das Gefühl, dass Elijah dies veranlasst hatte. Er war dem Alpha unheimlich dankbar dafür, denn er wollte auf keinen Fall mit den anderen darüber sprechen.
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Gefangen
WerewolfTobias hat mit dieser Welt seit langem abgeschlossen. Den Angriffen und Beleidigungen seiner Rudelmitglieder schutzlos ausgesetzt, gibt es für ihn nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Bis auf seinen kleinen Bruder. Um diesen zu schützen ergibt sich...