Instinktiv versuchte er sich von den Gitterstäben abzustoßen, an denen er zuvor noch mit seinem Rücken gelehnt hatte, da schoss eine kalte Hand durch die Stäbe und presste sich unnachgiebig auf seinen Mund. Panisch versuchte er sich zu wehren, bis hinter ihm ein genervtes Seufzen erklang.
"Wenn du die Klappe hälst, lass ich dich wieder los", erklang eine Frauenstimme, "Aber wehe du fängst wieder an zu schreien. Ich werde noch taub. Ist das ein Deal?"
Obwohl sein Puls noch immer raste, stellte er sein Zappeln ein, denn anscheinend wollte ihm die Fremde nichts Böses. Gerne hätte er der Unbekannten darauf eine bejahende Antwort gegeben, nur war es ihm in seiner Lage leider nicht möglich zu sprechen, aber dass er sich beruhigte, schien ihr zu reichen, denn schon bald zog sie ihre Hand wieder zurück. Tobias drehte sich daraufhin um und erblickte die Umrisse einer jungen Frau hinter den Gitterstäben. Je mehr sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto mehr konnte er von ihr erkennen. Dass es sich bei ihr um einen Vampir handelte, hatte bereits ihre Hauttemperatur verraten. Die Fremde besaß wundervolle rotbraune Locken, die ihr bis zu ihrer Hüfte reichten, und leuchtend grüne Augen. Sie erinnerte ihn ein wenig an die Wächterin der Urhexen, doch waren ihre Haare glatt gewesen und die junge Hexe reichte nicht einmal ansatzweise an die Schönheit seines Gegenübers heran. Eine Augenbraue der Vampirin wanderte nach oben, gefolgt von einem ihrer Mundwinkel.
"Fertig mit dem Starren?", fragte sie ihn amüsiert.
Tobias schmunzelte bloß, er hatte sie lediglich gemustert und nicht auf die Art und Weise angesehen, auf die sie anspielte. Dies tat er nur bei Elijah.
"Wer bist du?", fragte er sie also stattdessen geradeheraus.
Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter. "Mein Name lautet Cara. Die Höflichkeit würde es wohl verlangen, dass ich dich dasselbe frage, aber da die Wächter seit Tagen über nichts anderes sprechen, kann ich mir diese Fragen gestrost sparen. Ich will ehrlich mit dir sein, nach allem, was ich über dich gehört habe, war ich sehr gespannt den Verrückten kennenzulernen, der so dumm war, auf den Vorschlag des Alphas der Schattenwölfe einzugehen."
"Ich musste diese Entscheidung treffen", verteidigte er sich, "Hätte ich mich anders entschieden, hätten sie meinen Bruder getötet."
"Wie herzerweichend. Und doch wird dieser Krieg so oder so einen Tod bedeuten. Immerhin steht er im Moment nicht auf der Gewinnerseite."
In diesem Punkt musste er ihr leider, so schwer es ihm auch fiel, zustimmen. James und Sebastian hatten eine starke Allianz erschaffen, gegen die Elijahs Rudel nicht ankommen würde, aber dafür hatten sie ihn. Er mochte derzeit in Gefangenschaft sein, nur änderte dies nichts daran, dass er niemals für die Schattenwölfe und die Vampire kämpfen würde. Selbst Sebastian würde ihn nicht dazu bekommen.
"Nicht, wenn ich es verhindere", erwiderte er daher und deutete dann auf ihr Verließ: "Und weshalb hat man dich hierher gebracht?"
"Sebastian ließ mich einsperren, ich bin mir sicher, dass du ihn bereits kennengelernt hast. Er war gelinde gesagt, unzufrieden mit meiner Kritik an seinem Führungsstil und da er mich nicht töten konnte, blieb ihm nur diese Option. Außerdem war das die ideale Gelegenheit für ihn, sich an mir zu rächen. Vor einigen Jahrhunderten waren wir mal soetwas wie ein Paar und er hat es nie überwunden, dass ich ihn verlassen habe."
"Vampire zeichnen sich durch ihre nachtragende Art aus", wiederholte Tobias leise Benjamins Worte, die auch auf Sebastian zuzutreffen schienen.
"Du sagst es. Er wollte einfach nicht verstehen, dass ich mich nicht auf einen Partner festlegen wollte, geschweige denn ist er jemand für die Ewigkeit", sie verzog bei diesem Gedanken das Gesicht, "Im Nachhinein frage ich mich, wie ich es überhaupt die paar hundert Jahre mit ihm ausgehalten habe. Vielleicht war es der Sex. Der war immerhin gut."
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Gefangen
WerewolfTobias hat mit dieser Welt seit langem abgeschlossen. Den Angriffen und Beleidigungen seiner Rudelmitglieder schutzlos ausgesetzt, gibt es für ihn nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Bis auf seinen kleinen Bruder. Um diesen zu schützen ergibt sich...