Sie war mir gegenüber noch nie laut geworden und das traf mich...obwohl ich es erwartet hatte, weshalb ich nicht antwortete. "Sieh mich an!" Langsam hob ich den Kopf. Ihr Mund war zu einer schmalen Linie verzogen und sie sah mich vorwurfsvoll an. Als sie den Schock über ihre Reaktion in meinen Augen las, wurde ihre Stimme weicher: "Entschuldige bitte...der Tag war lang." Hatte sie sich gerade entschuldigt? Dass ich das noch erleben durfte. Dann würde ich mich ihr wohl mitteilen müssen. Überrascht erzählte ich ihr von dem früheren Vorfall mit Jake und weshalb wir heute nach dem Monster gesucht hatten. "Wieso hast du denn niemandem davon erzählt?" "Ich wusste nicht, ob mir jemand geglaubt hätte, Jake behauptete doch das Gegenteil." Ein Hauch von Verletzung blitzte in ihren Augen auf, als sie entgegnete: "Ich hätte dir geglaubt." Betroffen knetete ich meine Hände und wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Im Nachhinein kam es mir dämlich vor, dass ich zugelassen hatte, dass Andere in Gefahr geraten waren, nur weil ich es nicht auf die Reihe brachte, mein Verhältnis zu meinem neusten Familienmitglied zu bessern. "Es tut mir leid, ich weiß nicht was in mich gefahren ist." Sie schüttelte den Kopf und seufzte. "Du vertraust mir nicht, aber wie kann ich dir das verübeln? Du hast dein komplettes Leben ohne das Wissen meiner Existenz gelebt. Für dich bin ich fast eine Fremde und hinzu kommt noch, dass ich auch nicht gerade die typische Oma bin..." Sie stand auf und lief zum Spiegel hinüber, wo sie den Knoten in ihren Haaren löste und sie sich dann an die Kommode daneben lehnte. Ich betrachtete sie und mir fiel auf, dass sie mit offenen Haaren deutlich weniger angsteinflößend aussah, allerdings nahm ich auch wahr, wie ausgelaugt sie aussah, als würde sie von einer nicht veränderbaren Müdigkeit verfolgt. Solche Anzeichen hatte ich vor langer Zeit auch bei meiner Tante beobachtet, bevor sie bei einem Einsatz ihr Leben verloren hatte. Sie war die Schwester von Mum gewesen und hatte ihren Beruf Psychologin zuerst voller Elan ausgeübt, aber mit der Zeit hatten sie die Probleme ihrer Patienten zu fertig gemacht. Man vermutete, dass sie deshalb nicht schnell genug reagiert und vorausschauend gehandelt hatte, als sie einen schwer depressiven Patienten besucht hatte und dieser mit einer Waffen auf sie losgegangen war. Das war das erste Mal gewesen, dass ich mit dem Tod Bekanntschaft gemacht hatte und ich verspürte definitiv keinen Wiederholungsbedarf! Deshalb keimten langsam bittere Schuldgefühle in mir auf, wenn ich mir ausmalte, was alles hätte passieren können und wer als verletzt werden hätte können, oder sogar schlimmeres! Ich dachte an meine Freunde Liz und Alex, an Jake und natürlich meine Mum...oder meine Oma...wenn ihnen etwas zugestoßen wäre...es wäre meine Schuld gewesen und ich bezweifelte, dass ich einen solchen Verlust überleben würde. Ein Räuspern holte mich zurück in die Realität.
"Warum hat Mum mir nie von dir und all dem hier erzählt? Selbst wenn sie das Gegenteil gehofft hatte, sie wusste dass ich ein Vampir war und früher oder später hätte ich eh an die Academy kommen müssen. " "Es war ihre Entscheidung, sie wollte, dass du unter normalen Verhältnissen aufwächst und hatte Angst, dass dir in unserer Welt etwas zustößt." "Das kannst du doch nicht gewollt haben! Es ist viel gefährlicher ohne Training und ohne die Kenntnisse über meine tatsächliche Spezies. Zudem werde ich als Auserwählte doch sowieso zu Tode gejagt." "Es war auch nicht gerade in meinem Sinne, aber deine Mutter kann sehr stur sein wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat." Ja, von wem hatte sie das bloß? "Ich verstehe es trotzdem nicht..." Sie erwiderte nichts, sondern starrte nachdenklich ins Leere. Das sah gruselig aus. Ich hasste es wenn Leute sowas taten. Außerdem wirkten sie dann immer so, als wären sie mit ihren Gedanken ganz woanders und merkten nicht was um sie herum geschieht, wodurch sie leichter angreifbar waren. Aber ich merkte selbst, wie ich teilweise abschweifte und in Gedanken versank. "Hast du schon jemanden mit dem du zum Ball gehst?", wechselte sie das Thema. "Ähm....also ich bin mir nicht sicher, ob ich hingehe..." "Natürlich gehst du! Ich plane dich ein paar einflussreichen Gästen vorzustellen und du wirst einen exzellenten Eindruck hinterlassen", eröffnete sie ihr Vorhaben und meine Motivation sank damit noch mehr. Ich war nicht sonderlich gut mich vor anderen Leuten zu präsentieren. Mum konnte das im Gegenzug recht gut. Manchmal fragte ich mich, ob wir uns überhaupt in irgendetwas ähnlich waren. "Es ist auch erlaubt ohne Date zu kommen", deutete sie meinen mies gelaunten Blick falsch und traf damit bei mir auf einen empfindlichen Nerv. Ich konnte ja auch nichts dafür, dass mich niemand fragte oder dass ich zu uninteressant für einen Freund war. In meinem tiefsten Innersten hatte ich gehofft, dass Jake mit mir hingehen wollte, aber anscheinend waren die Gefühle nur einseitig und das tat weh. Mehr als ich mir eingestehen wollte. Es klopfte und auf ein "Herein" meiner Oma trat einer der Wächter ein, der bei dem Besuch bei diesem Spion dabei gewesen war. "Lady Devone, das ganze Gelände wurde durchsucht und gesichert. Wir konnten nirgends einen Eindringling ausmachen und auch keinen Schaden in der Sicherung", berichtete er neutral. "Das ist äußerst seltsam...danke Bellingham, halten Sie die Augen offen!" Er nickte und verließ das Büro. "Was wirst du jetzt tun?" "Ich werde ein paar Nachforschungen anstellen, wir finden das Ding!" Es klang als sei das Gespräch beendet und ich stand auf. "Aber Violet...keine Alleingänge mehr, haben wir uns verstanden?" "Ja natürlich nicht, ich würde nicht mal im Traum an eine Wiederholung dessen denken", versicherte ich und versuchte meine Stimme so überzeugend wie möglich klingen zu lassen, allerdings zog das wohl nicht ganz so wie ich es mir vorgestellt hatte, denn meine Oma zog skeptisch eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ok...ich werde dann besser gehen...nicht dass ich es mir gleich wieder verscherze. Das wollen wir doch nicht oder?" "Nein das wollen wir nicht!" Es klang als sei sie genervt, aber auf ihren Lippen zeichnete sich ein leichtes Grinsen ab. Allem Anschein nach, hatte ich die Sprache wiedergefunden, nachdem ich vorher den Mund fast nicht aufbekommen hatte. Ich verabschiedete mich und begab mich auf mein Zimmer, wo ich vergeblich versuchte einzuschlafen. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Vor allem aber wunderte es mich, dass es das Wesen offensichtlich geschafft hatte den Wald zu verlassen ohne entdeckt zu werden. Klar, Cole machte das andauernd, aber ich schätzte ihn fähiger als irgendein Tier ein. Ich sah sein Bild vor meinen Augen aufblitzen. Er hatte etwas an sich...und wenn es nur sein schelmisches Lächeln war, das mich schlagartig dahinschmelzen ließ. Er war das komplette Gegenteil von Jake. Ach Jake... Ein Stich fuhr durch meine Magengegend, als ich an ihn dachte.
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The Vampire World
VampireDie 17 jährige Violet Chase wird eines Tages urplötzlich von ihrer besorgten Mutter an eine Vampir Akademie gebracht, welche versteckt in den tiefen Wäldern Englands liegt. Nur dort sei sie sicher. Bevor sie sich überhaupt an ihre neue Umgebung gew...