6. Kapitel

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Als ich aufwachte erinnerte ich mich gleich wieder an die gestrigen Ereignisse. Ich wollte kein Vampir sein, wenn ich dafür alles und jeden angriff! Mum hatte mir gestern noch erzählt, dass es in den nächsten Tagen noch zu Ausbrüchen kommen konnte und ich war drauf und dran gewesen, mich in meinem Zimmer einzuschließen, obwohl mich das wahrscheinlich auch nicht aufhalten würde. Außerdem fragte ich mich, wie ich den anderen Schülern jemals wieder unter die Augen treten sollte, wenn ich eine Mitschülerin beinahe umgebracht hatte. Es hatte nicht viel gefehlt und ich hätte eine Beerdigung besuchen dürfen. Wobei ich nicht einmal wusste wie sowas hier abläuft. Bestimmt ist hier auch noch niemand gestorben! Mir wurde verboten heute zum Essen nach unten zu gehen, zu meinem eigenen Schutz, hatten sie gesagt, aber ich hätte mich eh nicht getraut. Vielleicht sollte ich das Mädchen besuchen gehen, aber ich an ihrer Stelle würde mich auch nicht sehen wollen. Ich stand auf um mir mein Handy zu holen und meine Freundin Leonie anzurufen. Während ich die Nummer wählte, stieg wieder dieses Hungergefühl in mir hoch. Oh nein, bitte nicht jetzt schon wieder! Ich klammerte mich verzweifelt an der Kommode fest, doch es half nichts gegen den Vampir zu dem ich gerade wurde. Ich lief zur Tür und riss sie auf. Ein kalter Luftzug strömte mir entgegen, doch ich schenkte meine Aufmerksamkeit nur einem blonden Mädchen, das am Ende des Flurs in einem Sessel saß und eine Zeitschrift in der Hand hielt. Ich starrte sie an, oder wohl eher ihren Hals. Aus dem Seitenflur nahm ich Liz war, welche bei meinem Anblick entsetzt sagte: "Viola, das wirst du nicht tun." Ich grinste hämisch. "Und was hindert mich daran?" Liz trat einen Schritt vor und verdrehte meinen Arm auf den Rücken. Wäre ich bei normalem Verstand, hätte ich vor Schmerz aufgeschrien, doch so entfachte dies nur Wut in mir. Ich stieß sie mit einer Leichtigkeit von mir, von der ich selbst überrascht war und sie flog mehrere Meter von mir weg. Nun richtete ich meinen Blick wieder auf Blondie vor mir. Sie hatte mich mittlerweile bemerkt und sah mich etwas panisch an. Ehe ich mich versah war ich auch schon bei ihr und drückte sie gegen die Wand, meinen Blick stets auf ihren Hals gerichtet. Meine Zähne wuchsen und näherten sich ihrer Haut. Doch bevor ich zubeißen konnte zogen mich zwei Arme mit unheimlicher Kraft zurück und nun war ich die jenige, die an der Wand stand. Ich bickte in zwei blaue Augen, die mich entschlossen ansahen. "Komm zu dir!" Erstaunlicherweise verzog sich mein Vampir sofort und mein Verstand kehrte zurück. "So ist es gut." Aus dem Augenwinkel beobachtete ich wie Liz Blondie hinter sich herzog, sie hatte sich anscheinend früher erholt, als geplant. Schneller als ich bis drei zählen konnte, stand ich vor dem Büro meiner Oma. "Da du leider zu stark für Vampire wie Liz bist kann ich dich nicht allein lassen, also wirst du mich solange begleiten, bis keine Ausbrüche mehr kommen", weihte sie mich in ihren Plan ein und führte mich ins Zimmer. Unter diesen Umständen hätte mich nichts glücklicher machen können. Ich hatte schon wieder jemanden angegriffen, auch wenn dieser jemand eine dumme Gans war. Ich nicht weiter wahllos durch die Gegend laufen und Leute beißen! "Ich werde mich heute allerdings mit einem alten Bekannten treffen, der als Spion tätig ist. Vielleicht kann er uns mehr über die Absichten der Dryadogen mitteilen." Ohh ja ich kam auch noch aus der Academy raus, das stimmte mich etwas fröhlicher. "Vorher wirst du aber noch frühstücken."

Nachdem ich ausführlich gegessen hatte, zog ich mir meine Jacke über und folgte meiner Oma hinaus in die kalte Morgenluft. Der Wind wehte so stark, dass sich die Bäume zur Seite neigten und ich meine Schritte beschleunigte. Am Tor wurden wir bereits von ein paar Aufpassern, ich beschloss sie einfach Wächter zu nennen, da mir kein passenderer Name einfiel, empfangen. Unter ihnen erkannte ich auch Riley wieder, der nun zögernd vortrat und das Tor öffnete. "Der Wagen steht bereit Lady Devone", sprach er mit vorsichtiger Stimme. Was war denn mit den passiert, bei unserer letzten Begegnungen war er doch auch nicht so zurückhaltend gewesen. "Was hast du denn mit dem gemacht?", flüsterte ich Oma fragend zu, als sie den anderen Wächtern zur Begrüßung zunickte. "Der wird sich hüten dir noch einmal zu drohen!" Ich sah sie entsetzt an. "Ich hab ihm nur etwas ins Gewissen geredet, keine Sorge", wandte sie ein und hob beschwichtigend die Hände, als sie meinen Blick bemerkte. Was wusste denn ich wie es hier zuging? Wir stiegen in den Wagen und schon fuhr dieser los. "Wo treibt sich eigentlich meine Mutter rum? Ich habe sie heute noch gar nicht gesehen." "Oh Leah hat ein paar Besorgungen in der Stadt zu machen", bekam ich als Antwort. Ich fragte nicht weiter nach, sondern nahm mir vor sie später selbst danach zu fragen. Ich beobachtete den Wald, der an uns vorbeischoss und lehnte mich entspannt zurück. Wenn ich nicht in der Schule war, konnte ich schon niemanden angreifen oder gar töten. "Wie lange dauert es noch, bis die unkontrollierten Verwandlungsstöße aufhören?", sprach ich die Frage aus, die mir durch den Kopf schoss. "Bei den meisten passiert das nur einmal, aber da du eine der Auserwählten bist, kann das schon noch den ganzen Tag dauern." Sie streckte ihre Beine aus, soweit das möglich war und ich konnte sehen wie sie wieder in ihren Gedanken versank. Sie war heute aber sehr abwesend, doch ich bezweifelte, dass es etwas mit mir zu tun hatte. Also ließ ich sie in Frieden und dachte über mein eigenes Leben nach. Ich erinnerte mich an den Tag, als ich das erste Mal durch die Eingangstür gekommen war und mir alles so fremd und unheimlich vorgekommen war. Inzwischen war dies mein Zuhause geworden und ich konnte mir gar nichts anderes mehr vorstellen. Wie sauer ich gewesen war, als meine Mutter mir eines Tages aus heiterem Himmel verkündet hatte, dass ich die Schule wechseln würde und in ein Internat ziehen sollte. Meine ganze Welt war zusammengebrochen. Doch wenn ich mir vorstellte, was passiert wäre wenn ich mich an meiner alten Schule verwandelt hätte, daran wollte ich erst gar nicht denken. Ich konnte nicht verhindern, dass die Schuldgefühle wieder hochkamen und ich mir überlegte, dass ich dem Mädchen, Elea Roth war ihr Name, so hatte man mir gesagt, im Krankenzimmer einen Besuch abstatten sollte. Ich fragte mich, ob andere Schüler auch schon ihre Mitschüler angegriffen hatten oder ob ich die einzige war, das würde die ganze Sache noch peinlicher machen.
Der Wagen hielt, als wir mitten in einem Wald angekommen waren. Der Fahrer stieg aus und öffnete uns die Tür, woraufhin wir ausstiegen. Ich folgte den Anderen durch die Bäume hindurch auf eine Lichtung, auf der wir von einem älteren Mann erwartet wurden. "Alice! Ich dachte schon ihr kommt nicht mehr", begrüßte er uns. Mir fiel auf, dass ich bis jetzt nicht einmal den Vornamen meiner Oma gewusst hatte. Das schockierte mich dann schon leicht. Ich schätze ihn etwa so alt wie meine Großmutter, allerdings war er wahrscheinlich ein Vampir, da wusste man nie so genau... "Entschuldige Ray, wir sind etwas spät dran", erhob nun auch Oma das Wort und trat langsam auf ihn zu. Ray. Den Namen hatte ich auch schon lange nicht mehr gehört. "Wie ich sehe bist du nicht allein. Oh...ist sie das?", fragte er bei meinem Anblick erstaunt. Ich trat hinter den Wächtern hervor und sagte kurz: "Hallo", da es mir ein bisschen unangenehm war, so angestarrt zu werden. "Sie sieht dir ähnlicher, als du vielleicht denken magst", murmelte er nachdenklich an meine Oma gerichtet. "Wenn man vom Altersunterschied absieht", kommentierte sie seine Äußerung. "Für mich bist du kein Stück gealtert." Oha was kam denn jetzt? Anscheinend kannten die Beiden sich besser als ich zuerst angenommen hatte und vor allem länger, wenn er sich an die junge Alice Devone erinnerte, denn sie musste schon eine ganze Zeit lang leben um als Vampir das Alter zu erreichen, dass sie jetzt hatte. Vom Aussehen her meinte ich, obwohl sie gar nicht mal SO alt aussah. Ok, jetzt war ich abgedriftet.
"Wollen wir hineingehen?", fragte Ray in diesem Moment und zeigte auf ein kleines Häuschen am Rande der Lichtung, das ich ohne ihn gar nicht wahrgenommen hat, da es ziemlich gut in den Büschen versteckt war. Wir liefen zu ihm hinüber und er stieß die kleine Holztür auf. Es bestand nur aus einem Raum und war sehr klein, wodurch es aber auch gemütlich wirkte. Wir setzten uns auf die Eckbank und ich lehnte mich gegen die Rückenlehne. "Gibts was neues aus der Schule?" "Naja, die üblichen Problemchen", seufzte Lady Devone und verzog ihr Gesicht, als würde sie dabei an etwas bestimmtes denken. Ich hoffte sehr, dass dies nicht auf mich bezogen war. "Ich bin überzeugt, du wirst es genauso meistern wie immer", sagte Ray voller Zuversicht. Da musste ich ihm allerdings zustimmen, ich hatte keinen Zweifel an ihren Führungsqualitäten. Dennoch fragte ich mich was sie wegen Sallys Mord unternommen hatte, ich musste sie später unbedingt danach fragen. "Was hast du herausgefunden Ray?" "So stürmisch. So warst du früher auch schon immer!" "Lass das und erzähl mir lieber von den Dryadogen!", bestimmte sie energisch und funkelte ihn an. "Also gut. Im letzten Jahr ist viel passiert. Sie haben das mit Violet herausgefunden und wissen auch, dass sie deine Enkelin ist. Sie wollen sie um jeden Preis als ihre Waffe nutzen, denn sie sind überzeugt von ihren Kräften", begann er. Die hielten ja mehr von mir als ich selbst, obwohl sich mein Selbstwertgefühl dadurch nicht wirklich gestärkt fühlte. "Bis jetzt haben sie keinen Hinweis darauf wo sie sich aufhält und wissen vor allem nicht von der Academy." "Cole Feyler ist Violet begegnet, er weiß wer, was und wo wir sind", unterbrach sie ihn. Ich hatte immer noch niemandem davon erzählt, dass er sich sogar in meinem Zimmer aufgehalten hatte. "Das wundert mich sehr. Anscheinend hat er den Anderen nichts über ihren Aufenthaltsort mitgeteilt, sonst wäre sie schon längst nicht mehr so munter", teilte er uns mit einem Nicken in meine Richtung mit. Ich war doch nichts besonderes! Bis jetzt hatte ich noch nichts von besagten Kräften gespürt, außer, dass mein Vampir mir nur Ärger gemacht hatte.

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