45. Kapitel

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Celeste Bloodthorn saß auf einem prachtvollen Thron, an dessen Armlehnen jeweils ein Totenschädel angebracht war und redete mit einem Mann dessen Gesicht mir nicht bekannt vorkam.
Ich hob die Augenbrauen. Sehr originell.
Der Thronsaal in den mich Libby geführt hatte war nicht weit vom Eingangssaal entfernt und so hoch, dass ich das Dach auf den ersten Blick nicht erkennen konnte.
Libby hob kurz die Hand, was wohl ein Abschiedsgruß sein sollte und begab sich wieder durch die Tür hinaus.
Sie erschien mir eigentlich ganz nett, doch ich wusste nicht was ich mit ihrer Schwester anfangen sollte.
Generell wusste ich nicht inwieweit ich einer Hexe allgemein vertrauen konnte.
Als sich ihr Gesprächspartner verabschiedete, musterte mich Celeste von ihrem Thron aus und ich versuchte ihrem starren Blick Stand zu halten.
Es wunderte mich, dass sie nicht in der breiten, hohen Lehne unterging, sondern dem Thron erst das gewisse etwas verlieh, wodurch dieser erst mächtig und imposant wirkte.
“Also, wie kommt es dazu, dass du die Königin der Hexen wurdest?“, durchbrach ich schließlich die langsam quälende Stille.
Wenn ich schon meine Zeit hier verbringen musste, konnte ich wenigstens etwas über diese Person vor mir herausfinden.
Anstatt zu antworten, legte sie jedoch argwöhnisch den Kopf zur die Seite. Sie vertraute mir anscheinend genausowenig wie ich ihr. Dafür konnte ich sie nicht verurteilen.
“Ich bin kein Spion!“
“Ich vertraue deiner Großmutter nicht.“
Mir war sehr wohl bewusst auf was sie hinauswollte, dennoch ärgerte es mich, dass sie mich selbst, unabhängig von meiner offenbar allseits bekannten Oma, nicht für gefährlich hielt.
Ich war schon länger nicht mehr vollkommen hilflos wie zu Beginn, als meine Mutter mich in Sicherheit bringen wollte und mich somit mit in die Angelegenheiten der Vampire hineingezogen hat.
“Nun sie vertraut dir auch nicht.“
Das kam bei Weitem provozierender heraus als es geplant war.
Ups.
“Ich frage mich ob es mutig oder eher dumm von dir ist mich zu duzen...“
“Du tust es doch auch, außerdem siehst du in meinen Augen nicht viel älter als ich aus.“
Sie stieß ein Lachen aus.
“Oh Schätzchen, ich bin unsterblich!“
Diese Antwort hätte ich eigentlich vorhersehen können.
Ich fuhr herum als hinter mir ein hasserfüllter Ruf ertönte.
Ein mir bekannter Hexer marschierte auf uns zu, im Schlepptau einen Mann, dessen Geruch ich sogar aus dieser Entfernung wahrnehmen konnte. Ein Dryadoge!
Die rechte Hand der Königin berührte ihn weder, noch hatte der Typ ihn gefesselt, er schwebte einfach laut protestierend hinter ihm her.
“Der hier hat versucht in unser Terrain zu gelangen“, erstattete der Mann von gestern Nacht Bericht, den Blick dabei neutral auf die Hexenkönigin gerichtet.
“Lass den Mann sprechen Eliphas“, ordnete Celeste an.
Nun erfuhr ich auch mal den Namen des Typen.
Der Mann wurde aus seiner Starre gelöst und fiel mit dem Kopf voraus zu Boden.
Er knurrte, hielt sich jedoch davon ab anzugreifen.
Kluge Entscheidung, schätzte ich mal.
Sein Blick fiel auf mich und er brüllte: “Übergebt sie mir und ich verlasse euer Gebiet sofort wieder ohne einen Aufstand zu machen. Es muss niemand verletzt werden!“
Die Königin schien kurz zu überlegen bevor sie sprach: “Einverstanden. Holen Sie sie sich.“
Ich schnappte entsetzt nach Luft.
Wie bitte? Die konnten mich doch nicht einfach so einem Dryadogen übergeben!
Doch selbst bei einem Kampf um Leben und Tod hätte ich nicht die geringste Chance gegen die Königin und Eliphas.
Aber ich würde mich nicht kampflos ergeben!
Es war als würde sich die Welt nur noch in Zeitlupe drehen und mein Kopf war wie leer gefegt.
Der Dryadoge verzog seinen Mund zu einem abscheulichen Grinsen, stand auf und rannte auf mich zu.
Ich stand einfach nur da und sah unter Schock zu wie er immer näher kam, während meine Knie immer weicher wurden.
Bevor ich in Deckung gehen konnte flog er jedoch plötzlich durch den Raum und wurde gegen eine Statue hinter sich geschleudert, sodass es knackte und sein Körper mit einem dumpfen Schlag zu Boden fiel.
Ich riss die Augen auf und mein Kopf zuckte zur Königin.
Ihre grünen Augen leuchtete kurz auf, erschloschen dann aber schnell wieder, sodass ich wusste, dass sie dafür verantwortlich war.
Ich starrte sie mit offenem Mund an, doch sie zuckte nur die Schultern: “Du bist mir bei vollen Sinnen nützlicher als unter der Kontrolle eines Dryadogen.“
“Hättest du mich ihm überhaupt übergeben können?“, fragte ich nachdenklich nachdem ich endlich meine Sprache wieder gefunden hatte.
Keine Ahnung wie viel Einfluss dieser vor Jahrtausenden geschwore Bluteid hatte.
“Wir hätten es ausprobieren sollen!“
“Nein danke!“
Eliphas räusperte sich laut: “Das wäre ein großer Spaß gewesen!“
“Allerdings“, pflichtete ihm Celeste bei.
Halb beleidigt, halb spaßeshalber entgegnete ich: “Ihr könnt alle zur Hölle fahren.“
Wahrscheinlich nicht die klügste Entscheidung, denn ich bereute es sofort, nachdem die Worte meine Lippen verlassen hatten, doch gesagt war gesagt.
Ich wusste nicht woher ich den Mut nahm aus dem Thronsaal zu stapfen, jedoch landete auch kein Dolch oder ähnliches in meinem Rücken.
“Violet warte!“, hielt mich die Königin der Hexen zurück und ich zwang meine Beine stehen zu bleiben und mich umzudrehen.
Die rothaarige Frau kam auf mich zu und meinte: “Wir müssen uns unterhalten.“
Da ich ihr nicht widersprechen konnte, hob ich erwartend den Kopf. Vielleicht sollte ich mich nicht immer so harmlos und machtlos geben...meinem nicht vorhandenen gefürchteten Image könnte das auf jeden Fall nicht schaden.
“Es gibt einen Grund weshalb du hier bist!“
“Hab ich mir schon fast gedacht.“
In ihren Augen blitzte etwas gefährlich auf, sodass ich beschloss lieber etwas weniger waghalsige Antworten zu geben.
Wahrscheinlich zweifelte sie ihre Entscheidung mich vor dem Dryadogen zu retten gerade an!
“Du verstehst sicher warum ich mein Volk nicht einfach so in einen Krieg schicken will, wenn sich dies vermeiden ließe? Nun da ist etwas was mir die Entscheidung deutlich erleichtern würde...“
Wusste ichs doch!
“Was?“
“In jeder Generation wurde von Königin zu Königin eine Krone weitergegeben, die den rechtmäßigen Erben meiner Familie gehörte. Diese Krone besaß eine besondere Macht, die es der wahren Königin ermöglichte sich selbst und soweit es die Magie erlaubte jede Hexe ihrer Wahl zu beschützen; sozusagen ein Schutzschild um sie zu legen“, fing sie an zu erzählen und ich erhaschte einen Blick auf ihr Haupt um zu sehen ob ich die Krone vielleicht übersehen hatte, doch da war keine.
“Als Eldon meine Eltern verbrannte, entschloss er sich ein Grab für sie zu errichten. Nicht aus Respekt oder sonst irgendwelchen Gefühlen, sondern um die Krone mit ihnen zu begraben, da er fürchtete, die Hexen könnten zu viele Macht haben. Das Grab lässt sich nur mit dem Blut eines Auserwählten öffnen, da Eldon dachte er könne so den Hass zwischen Vampiren und Hexen schüren, da niemals ein Auserwählter einer Hexe helfen würde mehr Macht zu bekommen.“
Ich wusste genau in welche Richtung sich das entwickelte.
“Und du willst, dass ich dir helfe das Grab deiner Eltern zu öffnen?“
Ein Nicken.
“Eldon war sich unserer Verwandtschaft durchaus bewusst, doch er wollte damit unsere Verbindung schwächen, sodass Hexen und Vampire sich nicht gegen ihn verbünden und an der selben Seite kämpfen.“
“Es hat noch kein Auserwählter zugestimmt dir zu helfen?“
“Nein. Ich kann verstehen wenn du ablehnst, schließlich kennst du mich viel zu wenig als mir so eine Macht anzuvertrauen, doch bedenke, dass es in diesem Krieg uns beiden von Vorteil ist!“
Ich würde es später vielleicht bereuen, doch da meine Oma so erpicht darauf war die Hexen an unserer Seite zu haben, stimmte ich zu.
Die Hexe vor mir sah mich überrascht an. Wie viele Absagen hatte sie in ihrem Leben von den Vampiren schon bekommen?
“Wir können sofort aufbrechen wenn du willst, dann musst du auch nicht mehr Zeit als nötig hier verbringen“, bot sie großzügig an und ich atmete innerlich froh auf.
Nichts für ungut, aber ich fühlte mich hier nicht besonders wohl!

Zusammen mit Celeste, Eliphas und Libby durchquerte ich eine endlos scheinende Wiese, die von den verschiedensten Blumen und Sträuchern nur so überwuchert war, bis wir endlich an eine kleine Baumgruppe kamen, vor welcher ein Grabmal stand. Es war so groß wie eine kleine Hütte und war durch einen großen Stein verschlossen, der mit einem sehr antik aussehenden Schloss versehen war. In den Stein waren zwei schwarze Namen eingraviert.
Mabel Redwood und Cathan Bloodthorn.
Das mussten Celestes und Libbys Eltern sein.
Ich neigte kurz respektvoll den Kopf, bevor ich mich an die beiden Schwestern wandte: “Was genau muss ich tun?“
Die Königin wies mich an meine Handfläche aufzuritzen und das Blut auf das Schloss tropfen zu lassen.
Ich tat wie geheißen und schnitt mir mit einer meiner Klingen in die Haut, wodurch ein kurzer Schmerz meinen Körper durchzuckte.
Schnell ließ ich das tropfende Blut auf den Stein und das Eisen laufen und zog meine Hand wieder weg, als sich die Wunde wieder geschlossen hatte.
Acht Augen starrten erwartend auf das Grab bis ein Ruck durch die Erde ging und der Stein mit einem lauten Krach wegrollte.
Eine der Hexen entfachte die Fackeln, die an der Innenseite des Grabes hingen um für etwas Licht in der dunklen Gruft zu sorgen.
In der Mitte standen auf einem kleinen Podest zwei Urnen, die höchstwahrscheinlich die Asche von Celestes Eltern beinhalteten.
Diese zögerte jedoch nicht lange, sondern schob zielgerichtet das Podest vorsichtig etwas zur Seite, sodass darunter ein Loch im Boden zum Vorschein kam. Sie hob eine viereckige Kiste heraus und öffnete diese.
Ich hielt fasziniert den Atem an.
Ich hatte noch nie so eine schöne Krone gesehen. Sie glitzerte und funkelte sogar in der Finsternis dieses Grabes.
Libby stieß einen leisen Freundenschrei aus, bevor sie sich daran erinnerte, dass sie neben der Asche ihrer Eltern stand und drängte ihre Schwester dazu die Krone aufzusetzen.
Als das Erbstück auf den Kopf der Königin gesetzt wurde, schoss eine Welle der Magie daraus hervor, sodass die Mauern des Grabes leicht erzitterten.
Ich vermutete mal, die Krone hatte ihren rechtmäßigen Besitzer gefunden.

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