Als ich wieder Schritte vor der Tür vernahm, hielt ich leise inne und ging in Gedanken noch einmal unseren Plan durch. Wir mussten einfach nur schnell und gleichzeitig reagieren.
Es war nicht besonders schwer, doch es konnte sehr viel schiefgehen.
Ich atmete tief ein und aus, sodass sich sofort eine angenehme Ruhe in meinem Körper ausbreitete.
Ich konnte keine Nervosität gebrauchen.
Anscheinend hatten sie jetzt gleich zwei Personen geschickt, damit nicht wieder das selbe passiert wie heute Morgen.
Als die Tür entriegelt wurde und die beiden Typen in die Zelle traten, warf ich Mrs Mason einen signalisierenden Blick zu und wir schossen an den beiden vorbei.
Ohne zu zögern rammten wir die Tür hinter uns ins Schloss und schoben den schweren Riegel vor.
Wie dumm die zwei gewesen waren und beide in die Zelle getreten waren!
Bevor wir uns mit den ärgerlichen Rufen aus dem Inneren abgeben konnten, setzten wir auf Zehenspitzen unseren Weg fort.
Mrs Mason meinte, sie hätte sich den Weg ungefähr eingeprägt, auch wenn sie ihn nicht hatte sehen können.
Der Flur trennte sich vor uns in zwei weitere Gänge auf und ich sah meine Lehrerin fragend an.
“Nach links.“
Wir gingen immer weiter, bis sie mich alarmiert zurückhielt.
“Da vorne sind drei, ich lenke sie ab.“
Ich nickte, denn genauso hatten wir es geplant. Ich lugte gespannt um die Ecke und beobachtete wie Mrs Mason um die drei Personen herumschlich und diese laut aufschrien, als sie sie von vorne angriff. Das war mein Zeichen.
Ich rannte auf denjenigen zu, der mir am nächsten war und brachte ihn zu Boden, ohne dass er einen Laut von sich geben konnte.
Kampflustig wirbelte ich herum und sah wie Mrs Mason gerade einen zweiten ausschaltete. Wo war der dritte hin?
Gerade als ich eine Warnung rufen wollte, war es schon zu spät. Der dritte Werwolf, welcher eine große, braunhaarige Frau war, rannte auf Mrs Mason zu und stieß ihr einen Pflock in die Brust.
Sofort warf ich mich auf die Frau, welche bereits einen zweiten Pflock in der Hand hielt. Ich schlug ihr ins Gesicht, wofür sie uns umdrehte, sodass sie auf mir saß.
Blut tropfte aus ihrer Nase auf meinen Pullover.
Sie hob ihren Arm und wollte den Pflock ebenfalls in meiner Brust versenken, doch ich packte ihren Arm, um sie davon abzuhalten. Sie hielt hartnäckig dagegen, doch ihr Arm bewegte sich keinen Zentimeter.
Sie war stark, das musste ich ihr lassen.
Ich biss angestrengt die Zähne zusammen. Ich würde es nicht mehr lange halten können. Kurz bevor meine Kräfte nachließen, rollte ich mich zur Seite und ihr Arm schoss nach unten als ich diesen losließ.
Leider hatte sie meinen linken Arm unter ihr Knie geklemmt, sodass ich ihn nicht rechtzeitig wegziehen konnte und der Pflock sich schmerzvoll in meinen Arm bohrte. Trotz des Schmerzes zog ich ihn sofort wieder heraus und stieß ihn meiner Gegnerin ins Herz. Diese hatte wohl nicht damit gerechnet, denn sie riss schockiert die Augen auf und klappte zur Seite weg. Ich schrie auf, als sie mit ihrem gesamten Gewicht auf meinen verletzten Arm fiel. Verbissen schob ich ihren Körper vom mir weg und zog schweißgebadet meinen Arm hervor. Ein unglaublicher Schmerz jagte durch meinen ganzen Körper, als ich meinen Arm etwas bewegte.
Mit zusammengebissenen Zähnen rappelte ich mich auf und stolperte zu Mrs Mason hinüber, die stark blutend am Boden lag. Sie schüttelte den Kopf, als ich mich nach einer Möglichkeit umsehen wollte, sie hier herauszutransportieren.
“Aber...“
“Ich war niemals dazu bestimmt hier wieder lebendig herauszukommen“, erklärte sie angestrengt.
Ich starrte sie an. Sie konnte doch nicht ernsthaft wollen, dass ich sie hierließ, wo sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sterben würde!
“Verschwinde!“, zischte sie mich an, als ich mich kein Stück bewegte und sorgte so dafür, dass ich erschrocken zurückstolperte.
Sie sah mich eindringlich an, sodass ich ein leises “Danke“ flüsterte und dann meinen Weg nach draußen fortsetzte.
Ich konnte nicht glauben, dass ich gerade einen Menschen der dem Tod nahe war, einfach so zurückgelassen hatte.
Doch sie hatte es nicht anders gewollte. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie schon lange auf ihren wohlverdienten Frieden und den Tag an dem ihr Bruder freigelassen werden würde, gewartet hatte.
Sie hatte das von Anfang an geplant, sie hatte niemals vorgehabt lebendig aus der Sache herauszukommen.
Ich lächelte glücklich, als ich endlich den Ausgang gefunden hatte, ohne dass mir noch weitere Werwölfe über den Weg gelaufen waren.
Mein Arm schmerzte inzwischen immer mehr und ich spürte, dass noch einige Holzsplitter in der Wunde steckten, doch ich bekam sie mit meinen bloßen Fingernägeln nicht heraus.
Als ich die Höhle oder was auch immer das für ein Versteck gewesen war, verlassen hatte ließ ich kurz die warme Sonne auf mein Gesicht scheinen und atmete erleichtert auf.
Zwei Tage hatte ich die Sonne nicht mehr gesehen.
Ohne mich allerdings weiter auszuruhen, hetzte ich durch den Wald. Da ich nicht die geringste Ahnung hatte, wo ich mich gerade befand, hörte ich einfach auf mein inneres Gefühl und hielt auf Westen zu.
Ich musste so schnell wie möglich an die Rosehill Academy und meinen Arm versorgen lassen, sonst würde ich zu viel Blut verlieren, da sich die Wunde unter diesen Umständen nicht schließen würde.
Mit der Zeit wurde immer langsamer, denn es wurde zunehmend anstrengender so herumzurennen.
Ich hielt meinen Arm fest am Körper gepresst und hoffte, dass ich dadurch die Blutung etwas einschränken konnte. Allerdings konnte ich auch keine Pause machen und mich ausruhen, da die restlichen Entführer bestimmt bald merken würden, dass ihre Komplizen tot waren und sich dann sofort auf die Suche nach mir begeben würden.
Ich hastete durch die engstehenden Bäume und Sträucher, wodurch ich mir mein Gesicht etwas aufritzte, doch das störte mich nicht weiter.
Ich wollte einfach nur noch nach Hause!
Leider übersah ich in meiner eigenen Dummheit einen kleinen Erdhügel, über den ich stolperte und natürlich der Länge nach hinfiel.
Jetzt war ich auch noch komplett dreckig. Wirklich wunderbar.
Ich richtete mich wieder auf und eilte weiter.
Langsam wurde es dunkler und die Dämmerung setzte ein. War ich wirklich schon so lange unterwegs? Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Das einzige was ich wahrnahm war der stechende Schmerz in meinem Arm und meine protestierenden Beinmuskeln.
Ich versuchte beides so gut es ging auszublenden, presste die Lippen aufeinander und lief weiter.
Irgendwann wurde mir plötzlich etwas schwindelig und die Welt fing an sich zu drehen, sodass ich kurz anhalten musste. Ich tastete nach dem Baumstamm neben mir und wollte mich dagegenlehnen, doch ich griff ins Leere und mein Kopf schlug gegen das Holz. Ich fluchte ärgerlich. Wie unfähig war ich eigentlich?!
Ich schüttelte den Kopf und meine Sicht wurde langsam wieder etwas klarer.
Als ich in der Ferne schnelle Schritte wahrnahm, blieb ich wie erstarrt mit dem Rücken zur Geräuschquelle stehen und wartete schwer atmend. Ich dachte gar nicht erst daran mir die Mühe zu machen und mich ruhig zu verhalten, die beiden Werwölfe hatten meine Fährte eh schon aufgenommen.
Wissend, dass sich die beiden Entführer gerade wunderten, warum ich lautlos mitten im Wald stand, wartete ich, bis einer achtsam auf mich zukam.
Ich spürte wie seine Hand nach meinem nackten Hals greifen wollte, um mich außer Gefecht zu setzen. Blitzschnell schoss mein Arm nach hinten, packte sein knochiges Handgelenk und schleuderte ihn an mir vorbei auf den kalten Waldboden. Sein Kopf knallte auf einen großen Stein, sodass er bewegungslos liegen blieb.
Bevor sein Partner etwas unternehmen konnte, zog ich meine Klinge hervor und zielte damit auf seinen Oberkörper, in welchem sie nach einem lauten Zischen steckenblieb. Laut fluchend hielt ich mir den verletzten Arm, mit dem ich gerade dummerweise die Klinge geworfen hatte.
Der betäubende Schmerz trieb mir kurz die Tränen in die Augen, bis er schließlich wieder etwas abklang und ich meine Klinge aus dem blutenden Körper des Werwolfs ziehen konnte.
Tiefdurchatmend ging ich weiter durch den Wald und fing an leicht zu zittern, als ein kalter Wind meinen verletzten Arm streifte.
Mir war sehr wohl bewusst, dass es immer kälter werden würde und ich schnellstmöglichst zur Schule gelangen musste, wenn ich in der Nacht nicht zu einem Eiszapfen werden wollte.
Ich wusste allerdings nicht einmal ob ich überhaupt in die richtige Richtung rannte. Vielleicht entfernte ich mich auch die ganze Zeit nur immer weiter davon!
Panisch drehte ich mich einmal im Kreis und wusste plötzlich nicht mehr aus welcher Richtung ich gekommen war. Alles sah so gleich aus. War ich an dem selben Baum nicht vorhin schon vorbeigekommen?
Blind stolperte ich weiter in den Wald hinein. Wo zum Geier war ich hier?!
Ich würde hier nicht eines so erbärmlichen Todes sterben!
Bei jedem kleinsten Geräusch zuckte ich zusammen, auch wenn es meistens nur ein Vogel war, der in den Bäumen Laute von sich gab oder über meinen Kopf hinwegflog.
Bis auf dieses Zwitschern hier und dort war der Wald verdächtig ruhig, es wurde sogar fast dem Wort Totenstille gerecht. Es war beängstigend, als lauere in den dunklen Tiefen des Waldes ein böses Etwas, das nur darauf wartete seine Krallen auszufahren und jeden gierig zu verschlingen, der auch nur in die Nähe seines Reviers kam.
Ich hatte wahrscheinlich einfach zu viele Fantasy-Bücher gelesen.
Auf einmal hörte ich ganz in der Nähe eilende Schritte, die immer näher kamen. Ich hielt den Atem an. Kleine Zweige zerbrachen und das Laub raschelte am Boden, als es zusammengetreten wurde.
Was wenn das die restlichen Entführer waren? Ich war nicht mehr in der Verfassung zu kämpfen.
Ich stieß mich von dem Baum, an dem ich eben inne gehalten hatte, ab und wollte weglaufen, doch meine Beine versagten mir nun endgültig den Dienst, sodass ich zitternd dastand und nichts ausrichten konnte.
Zwischen den Bäumen tauchte eine Gestalt auf und ich blinzelte mehrmals, doch meine Sicht blieb weiterhin verschwommen.
“Violet!“, rief mich die Gestalt, doch ich konnte die Stimme nicht zuordnen.
Panik ergriff mich und das Herz schlug mir bis zum Hals.
Ich zwang meine Beine einen Schritt rückwärts zu machen, welcher mich jedoch so viel Anstrengung kostete, dass ich schwankte.
Die Gestalt rannte auf mich zu und ich versuchte sie mit meinem gesunden Arm von mir fernzuhalten.
Ein lautes Zischen ertönte, als ich mit der Faust den Kiefer der fremden Person erwischte.
“Cole ich hab sie!“
Ich hielt inne. Hatte sie gerade Cole gerufen?
“Ich bins!“
Ich kniff die Augen zusammen, als Jonahs Gesicht vor mir auftauchte.
Erleichtert stieß ich den bisher angehaltenen Atem aus.
Leider hatte ich meinen körperlichen Zustand um einiges unterschätzt, sodass mir schwarz vor Augen wurde und ich umkippte.
Irgendjemand hielt mich laut rufend davon ab, hilflos auf den Boden zu knallen und dann war ich weg.
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The Vampire World
VampireDie 17 jährige Violet Chase wird eines Tages urplötzlich von ihrer besorgten Mutter an eine Vampir Akademie gebracht, welche versteckt in den tiefen Wäldern Englands liegt. Nur dort sei sie sicher. Bevor sie sich überhaupt an ihre neue Umgebung gew...