Das Nächste was ich wahrnahm, waren zwei Stimmen, die sich angeregt unterhielten. Zögernd öffnete ich die Augen und sah in einen von Wolken bedeckten Nachthimmel. Zwei starke Arme trugen mich einen gepflasterten Weg entlang, während eine weitere Person neben uns herlief.
"Wir sollten uns beeilen", schlug Jonah befehlerisch vor, woraufhin die Person, in deren Armen ich mich befand, antwortete: "Wir haben nicht mehr weit."
Ich wollte etwas sagen, doch aus meinem Mund kam nur ein erschöpftes Stöhnen. Sofort richteten sich vier Augen auf mich und ich blickte direkt in Coles Gesicht, welcher besorgt auf mich herabsah.
"Verlass mich ja nicht!"
Ich wollte ihn beruhigen, indem ich den Kopf schüttelte, was sich allerdings als weniger gute Entscheidung herausstellte, denn dieser fing augenblicklich an stark zu pochen.
Cole sah wieder geradeaus und verlangsamte seine Schritte.
Selbst in meinem Zustand konnte ich sagen, dass wir nicht alleine waren.
Ein Knurren ertönte und ein blonder, schmaler Mann schlich aus dem Dickicht vor uns.
"Ich mach das!"
Jonah holte aus, sprang in die Luft und ließ das Gesicht des Mannes Bekanntschaft mit ihrem Fuß machen. Dessen Kopf zuckte zurück und er stieß einen gedämpften Schrei aus. Seine Hand wanderte zu seinem getroffenen Gesicht. Jonah packte ihn am Kragen seiner Jacke und beförderte ihn gegen einen der Felsen am Wegrand, wo er reglos liegen blieb.
"Das war einfach."
Cole zuckte die Achseln und lief weiter, bis selbst ich wusste, dass wir nicht mehr weit von der Academy entfernt waren. Ich erkannte die Umgebung und seufzte erleichtert.
Vorfreudig auf ein gemütliches Bett, schloss ich erschöpft die Augen und lehnte meinen Kopf an Coles Brust.Lady Devone beobachtete mit verschränkten Armen, wie die Ärztin die letzten Holzsplitter aus meinem Arm zog.
Mir ging es schon wieder ein bisschen besser, was wahrscheinlich an dem Zeug lag das mir eine Schwester vorhin gespritzt hatte.
Es war zum Glück gerade Zeit fürs Abendessen gewesen, als Cole mich die Treppe zur Academy hochgetragen hatte, sodass wir wenige Zuschauer gehabt hatten. Er hatte mich geradewegs auf die Krankenstation gebracht, wo ich sofort hektisch in Empfang genommen wurde.
"Na los, sag es!"
Sie warf mir einen irritierten Blick zu, während die Ärztin das Zimmer verließ.
"Sag mir wie dumm und unüberlegt es von mir war, alleine da hinzugehen."
"Ich werde gar nichts sagen, du weißt selbst gut genug was das für Folgen hatte."
Ich konnte ihr nicht widersprechen.
"Hast du den Rat informiert?"
"Wozu? Ich wollte keinen unnötigen Aufstand."
Da kam mir wieder Mrs Mason in den Sinn und mir fiel auf, dass ich noch niemandem gesagt hatte, dass sie tot war.
"Mrs Mason...", fing ich an, doch wurde sofort unterbrochen. "Ich weiß, ich war dort."
Ich hob verblüfft den Kopf.
"Schau mich nicht so an, ich hab die Suche nach dir nicht nur Jonah und Cole überlassen. Als ich ankam warst du schon weg und Claire tot."
Kaum hatte sie ihren Satz zu Ende gesprochen, kam die Ärztin herein und meinte, dass ich mich nun lieber ausruhen sollte, immerhin hätte ich mich noch nicht vollständig erholt.
Ich wollte ihr schon widersprechen, Lady Devone verhinderte dies allerdings indem sie warnend einen Zeigefinger hob und das Zimmer verließ.
Kaum hatte ich es mir auf dem Bett bequem gemacht, ging das Fenster, welches einen Spalt geöffnet war, auf und Cole schlich sich herein.
Er war bei Lady Devones Erscheinen gegangen, doch er hatte offenbar gar nicht erst daran gedacht nach Hause zu gehen.
Ich lächelte ihn freudig an und machte etwas Platz auf dem Bett, sodass er sich neben mich setzen konnte.
Er drückte mir einen leichten Kuss auf den Mund und sagte anschließend mit einem Blick auf meine Lippen: "Die hätte ich echt vermisst, wenn du gestorben wärst!"
Ich lachte empört auf.
"Ach und den Rest etwa nicht?"
"Das müsste ich schnell testen..."
"Und wie willst du das anstellen? Ich nehme mal nicht an, dass du mich töten willst..."
"Ich wüsste da eine Methode", flüsterte er leise in mein Ohr und fuhr mit seiner Hand meinen Rücken hinunter, bis ich diese stoppte.
"Hast du nicht gehört was die Ärztin gesagt hat? Ich brauche Ruhe!"
Cole schüttelte gespielt entsetzt den Kopf.
"Unerhört was man sich heutzutage von seiner Freundin bieten lassen muss!"
"Die Freundin tritt dir gleich in den Arsch!"
Er grinste amüsiert bei dem Gedanken und ließ sich auf den Rücken fallen. Ich blieb gegen das Kissen gelehnt sitzen und beobachtete seine Züge.
Nachdem er eine Weile so da gelegen hatte, runzelte er die Stirn, als dächte er über etwas nach, das ihm gehörig den Kopf zerbrach.
"Was ist?", fragte ich und legte meine Hand sanft auf seine Schulter.
Wortlos schüttelte er den Kopf, woraufhin ich ihn warnte: "Cole!" Er verbarg ganz offensichtlich etwas vor mir und rang mit sich, ob er mir davon erzählen sollte.
"Es ist nur so, dass sich die B.O.J nächstes Wochenende wieder trifft, das ist die Untergrundorganisation, von der ich dir erzählt habe und sie wollen dich dabeihaben, um einen Vertreter der Vampire zu haben."
"Warum dann ausgerechnet mich?"
"Deine Oma würde niemals kommen und sie sind der Meinung, dass du vielleicht zustimmen würdest, da du mir ja vertraust."
Ich wusste nicht was ich von dem Vorschlag halten sollte, denn ich wollte nicht schon gleich wieder die nächste waghalsige Aktion bringen, wenn dann musste wenigstens etwas Zeit dazwischen liegen oder meine Oma würde mich höchstpersönlich im Schlaf heimsuchen und auf brutalste Weise ermorden.
Andererseits vertraute ich Cole und wenn er der Meinung war, diese Leute seien auf unserer Seite...
"Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist. Von den Mitgliedern würde dir zwar keiner was tun, doch es kann immer etwas passieren, wir könnten zum Beispiel angegriffen werden und ich will dich keiner weiteren Gefahr aussetzen!"
Ich überkreuzte meine Beine um eine bequemere Position einzunehmen und antwortete: "Ich fühle mich eigentlich ziemlich sicher, immerhin warst du ja selbst der Meinung, dass du mächtige Kräfte besitzt."
"Ich werde aber nicht rund um die Uhr in deiner Nähe sein können", widersprach er mir kopfschüttelnd, ohne auf meine nett gemeinte Provokation einzugehen.
Ich dachte kurz nach, bis mir eine perfekte Lösung einfiel: "Deshalb wird Jonah mitkommen!"
Ich konnte sehen wie sich Cole ein Stöhnen verkneifen musste. Es hatte ihm offenbar schon nach ihrer gemeinsamen Suche nach mir gereicht.
"Sie würde mich die nächste Zeit eh nicht alleine aus dem Haus gehen lassen", warf ich ein um ihn von meiner Idee zu überzeugen, denn ich war mir ganz sicher, dass Jonah ohne zu zögern mitkommen werde.
"Die anderen werden sich darüber bestimmt sehr freuen", sagte er ironisch und ich wusste, dass er allein schon, um besagte andere zu ärgern, zugestimmt hätte.
Zufrieden mit seiner Antwort, lächelte ich und strich ihm durch das schwarze Haar, welches nun nicht mehr ganz so ordentlich war.
“Außerdem kann ich mich eigentlich auch selbst ganz gut verteidigen.“
“Das weiß ich, du würdest sie alle in Schutt und Asche verwandeln, dass ihnen nicht einmal mehr Zeit bleiben würde dich mit offenen Mündern anzustarren, aber vier Augen sehen trotzdem besser als zwei.“ Ich konnte in seinen Augen lesen, dass er mir schon so Einiges zutraute und lächelte zufrieden.
Meine Gedanken drifteten ab und ich fand mich in der Höhle wieder. Hätte ich Mrs Mason wirklich sterben lassen sollen? Es traf mich härter als ich erwartet hätte, denn dies war nicht das einzige Leben das wegen mir ausgelöscht wurde. Irgendwie musste ich lernen damit klarzukommen, ich konnte mir doch schließlich nicht mein ganzes restliches Leben lang Vorwürfe machen! Ich schüttelte mich wortwörtlich, um aus meinen Gedanken aufzutauchen, sodass mich Cole fragend ansah und beruhigend meine Hand drückte.
Sobald ich einmal tief aus und ein geatmet hatte, breitete sich eine ermutigende Ruhe in meinem Körper aus.
Als mir nach einiger Zeit langsam die Augen zufielen, legte ich mich neben Cole und bettete meinen Kopf an seine Schulter.
Er legte einen Arm um mich und drückte mich an sich, während ich gähnen musste.
Wie gut es sich anfühlte, endlich wieder in einem Bett liegen zu können und sich nicht mit dem kalten Felsenboden zufrieden geben zu müssen.
Meine Muskeln entspannten sich dankbar und der Schlaf übermannte mich unbarmherzig.
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The Vampire World
VampireDie 17 jährige Violet Chase wird eines Tages urplötzlich von ihrer besorgten Mutter an eine Vampir Akademie gebracht, welche versteckt in den tiefen Wäldern Englands liegt. Nur dort sei sie sicher. Bevor sie sich überhaupt an ihre neue Umgebung gew...