34. Kapitel

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Braunen Locken umrahmten ihr kantiges Gesicht, während ein angenehmer Luftzug ihren Nacken streifte. Sofort nachdem sie den Raum betreten hatte, war sie zum Fenster hinter ihrem Schreibtisch geeilt und hatte es geöffnet um die stickige Luft zu entfernen. Die ältere Frau hatte sich auf ihrem Schreibtischstuhl niedergelassen und ließ die Tür nicht aus den Augen. Im Büro brannte nur eine kleine Lampe über der Tür, damit sie sehen konnte wer den Raum betrat, denn ihr war die geheimnisvolle Dunkelheit um einiges lieber als das grelle Licht der großen Lampe über ihrem Kopf. Die nächtliche Finsternis hatte etwas beruhigendes an sich, doch sie konnte auch vielseitig zum Vorteil genutzt werden. Vorausgesetzt man wusste sich leise und unauffällig zu verhalten. Sie schlug lustlos ein Bein über das andere und musterte gedankenverloren ihre Nägel. Sie atmete tief durch und bereitete sich auf das Bevorstehende vor. Es war nicht selten, dass manche Angelegenheiten nachts erledigt wurden, jedoch ging es dabei meist um andere Dinge. Es gab Momente in denen sie eher ihren Verstand sprechen ließ, doch diesmal hatte eine schwarze Schicht puren Hasses ihr Herz überzogen, sodass sich beide einer Meinung waren, was die Entscheidung um einiges leichter machte.
Sie betrachte den Kugelschreiber, der vor ihr auf dem Tisch lag und ließ ihn über die Finger gleiten.
Ein kraftvoller Wurf ins Herz und die Sache hätte sich erledigt.
Doch sie wollte eine Antwort.
Als ein energisches Klopfen zu hören war und kurz darauf die Tür geöffnet wurde, setzte sie sich aufrecht hin und betrachtete die eintretenden Personen. Es war Akila Maleski, welche einen jungen Mann am Kragen gepackt hereinzerrte.
“Nein bitte, ich bin unschuldig“, flehte dieser und versuchte sich aus Maleskis Griff zu befreien, jedoch erfolglos.
Dadurch kassierte er einen ordentlichen Tritt gegen das Schienbein, sodass er schmerzerfüllt aufschrie.
Alice Devone erhob sich aus ihrem Stuhl und verdrehte missmutig die Augen. Jedes Mal versuchten sie ihre Taten zu verleugnen, obwohl sie eh schon durchschaut worden waren.
“Ich weiß, dass du derjenige warst, der die Flasche Johannisbeersaft gekauft und nur wenige Minuten bevor Violet Chase daran vorbeikam, auf der Theke platziert hast“, konfrontierte sie ihn und trat ein paar Schritte auf ihn zu.
“Warum hätte ich das tun sollen?“ Tränen liefen ihm über die geröteten Wangen und er schluchzte verzweifelt auf. Erbärmlich!
“Ich habe dich gesehen und weiß was du von meiner Enkelin willst. Du hast sie beim Ball beobachtet und wolltest sie ansprechen um sie zum Tanzen aufzufordern, doch sie ist einfach an dir vorbeigelaufen und hat dich nicht eines Blickes gewürdigt. Doch das war nicht das einzige Mal, dass sie dich übersehen hat, oder?“
“Nein, sie...sie hat bekommen was sie verdient hat!“
“Dann streitest du nicht einmal ab, dass du sie gehasst hast?“
Er schüttelte den Kopf und Akila Maleski warf Lady Devone einen fragenden Blick zu, welchen diese mit einem warnenden Handheben beantwortete.
Sie würde sich selbstverständlich selbst um den Mann kümmern, der das Leben ihrer Enkelin auf dem Gewissen hatte.
“Wer war dein Auftraggeber?“
“Niemand, wer sollte mir denn so etwas auftragen?“, stammelte er und runzelte verwirrt die von Schweisperlen überzogene Stirn.
Lady Devone entfuhr ein spöttisches Lachen: “Willst du mich für dumm verkaufen?“
“N-nein...“
Es hatte keinen Sinn weiter nachzuhaken, er würde es niemals zugeben.
“Ich kannte deine Urgroßmutter Moira, sie war so eine arrogante, hinterlistige Person. Damals konnte ich nichts gegen ihre Machenschaften tun und sie war nicht unbedingt von schwacher Natur. Du verstehst bestimmt, dass sich meine Trauer über ihr Ableben in Grenzen gehalten hat. Sicher hat sie, wenn auch nur einen sehr kleinen Teil ihrer Fähigkeiten weitervererbt, was meinst du?“
Der junge Mann sah Alice Devone nur verschreckt an, während seine Nasenflügel vor Panik bebten.
Sie konnte die bloße Angst, welche von dem jungen Mann ausging, deutlich riechen und rümpfte verächtlich die Nase.
Sie verstand einfach nicht warum man bereit sein könnte seine Angst zu zeigen, sofern man derartige Empfindungen überhaupt verspürte.
Furcht bedeutete Schwäche und Angreifbarkeit. Wieso ließen andere sie dann nur zu?
“Mich hat Moiras Macht schon damals interessiert, nun habe ich endlich die Gelegenheit ihr eins auszuwischen“, fuhr die ältere Frau zufrieden fort und setzte ein gieriges Grinsen auf, während ihre Augen den Mann wie besessen fixierten.
Sie hatte schon länger kein frisches Blut mehr gekostet und so langsam verlangte ihr Körper danach.
“Selbst wenn du also unschuldig wärst, siehst du doch bestimmt ein, dass mir dein Tod einen gewissen Vorteil verschaffen würde?“
Er riss panisch die Augen auf und bat verzweifelt um Gnade, doch jedem Anwesenden im Raum war klar, dass er schon so gut wie tot war, seit er Fuß ins Zimmer gesetzt hatte und es nur noch eine Frage der Zeit war.
“Du hast vermutlich den größten Fehler deines Lebens begangen!“
Lächelnd legte die Schulleiterin den Kopf schief und entblößte ihre bereits ausgefahrenen Zähne. Bevor er reagieren konnte, legte sie einen Finger auf die Lippen um ihm zu signalisieren, nicht zu schreien. Ihr Opfer starrte sie erstarrt vor Schreck an, bevor er wie verrückt anfing zu zappeln. Maleski ließ ihn los und grinste Lady Devone zufrieden und auffordernd an, woraufhin er zur Tür stürzte und vergeblich versuchte diese zu öffnen.
Im Nu war Lady Devone bei ihm und riss ihm gierig die Kehle auf. Sie war inzwischen so geübt darin, dass sie jeden Tropfen aufsaugte und kein Blut ihren hellen Fußboden versauen konnte.
Nachdem sie fertig war, ließ sie den blutleeren Körper achtlos zur Seite fallen und wischte sich mit dem Taschentuch, welches ihr ihre Stellvertreterin entgegenhielt, den Mund ab.
“Glauben Sie, dass er unschuldig war?“, fragte Akila Maleski nebenbei und betrachtete uninteressiert die Leiche des Mannes.
“Was spielt das für eine Rolle? Es ist nicht Ihre Aufgabe nachzufragen aus welchen Gründen ich ein Leben beende!“
“Reine Neugier“, Maleski hob abwehrend die Hände und warf ihr einen besonnenen Blick zu, als wolle sie die höhergestellte Frau besänftigen.
“Auch wenn es Sie nichts angeht, er war schuldig!“
Erfreut über eine Antwort, verschränkte die schwarzhaarige Frau die Finger hinter dem Rücken und wartete auf weitere Befehle.
“Kümmern Sie sich um das hier!“ Alice Devone verschwendete keinen weiteren Blick auf ihr Opfer, sondern verließ majestätisch ihr Büro und überließ es Maleski sich mit der Leiche auseinanderzusetzen.

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