26. Kapitel

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“Du wirst ganz bestimmt nicht teilnehmen!“
Ich war gerade auf den Weg zum Frühstück, als ich zwei Menschen hörte, die sich aufgebracht miteinander unterhielten. Ich blieb stehen und spitzte meine Ohren.
“Ich will aber!“ Ich erkannte, dass es sich hierbei um Liz handelte.
“Es ist mir egal was du willst, du hast dich noch nicht komplett erholt und ich werde keinen Verletzten zulassen.“ Diese Stimme gehörte ganz eindeutig Lady Devone.
“Es ist wegen Violet stimmts? Weil ich mich mit ihr zerstritten habe.“
“Wagst du es etwa mir vorzuwerfen, dass meine Gefühle...“, sie schleuderte das Wort so verächtlich in Liz Richtung, dass selbst ein Blinder erkannte, dass sie nicht irgendwelche Emotionen in wichtige Entscheidungen einfließen lassen würde. In meinem Fall war es kein Blinder, sondern jemand der heimlich ein Gespräch belauschte. Ich fragte mich in diesem Moment, ob Lady Devone ihre Gefühle einfach so gut unter Kontrolle hatte, oder ob sie wirklich glaubte, sie wäre gefühlslos und kalt, wie sie mancher beschreiben würde. In letzterem Fall würde ich sie leider enttäuschen müssen, denn ich wusste dass dem nicht so war.
“mein Urteilsvermögen trüben?“, zischte sie verstimmt weiter.
“Naja, genau genommen tue ich exakt das!“ Liz Stimme hatte inzwischen einen sehr rebellischen Unterton angenommen.
Was war denn nur mit ihr los, dass sie meine Oma und ihre Schulleiterin so anfuhr?
“Hör mir zu, denn ich sage das nur einmal, ich habe alle Mittel und Wege dich von der Schule zu schmeißen und dir dein Leben zur Hölle zu machen und glaube mir, dich würde in diesem Fall niemand mehr aufnehmen oder auch nur eines Blickes würdigen!“
Ich konnte mir ihren aufgebrachten Ausdruck durchaus vorstellen.
“Warum tun Sie es dann nicht?“ Ich erkannte meine Freundin kaum wieder. Die Liz die ich kannte sprach nicht so mit anderen Leuten, vor allem nicht wenn es sie das Leben kosten könnte! Wann war sie so lebensmüde geworden?
“Weil es eine Verschwendung wäre.“ Mehr sagte sie dazu nicht und ich versteckte mich blitzartig hinter einer Kommode, als sie mürrisch an mir vorbeikam. Eigentlich lächerlich sich vor meiner eigenen Oma zu verstecken, aber ich wollte nicht, dass sie herausfand, dass ich ihr Gespräch belauscht hatte.
Atemlos schnappte ich nach Luft, da ich erst jetzt merkte wie ich die Luft angehalten hatte.
Irgendetwas stimmte nicht mit meiner Freundin, denn sie war ganz bestimmt nicht bei Sinnen wenn sie sich so benahm. Erst ihre Feindseligkeit gegenüber Jonah und dann auch noch ihr aggressives Verhalten gerade eben. Das letzte Mal war sie so zickig gewesen, als sie verhaftet worden war und tief in der Klemme steckte, weshalb ich annahm, dass auch dieses Mal etwas vorgefallen sein musste. Natürlich hatte sie sich gestern im Wald verletzt, aber ich bezweifelte, dass sie sich deshalb so aufführte, immerhin war die Wunde schon wieder vollständig verheilt.
“Ist das jetzt deine neue Spezialität, Leute zu belauschen?“ Ich schrak vor Schreck zusammen, ich hatte Liz nicht kommen hören. Unbeholfen stolperte ich aus meinem Versteck und richtete mich auf.
“Was ist los mit dir? Warum benimmst du dich so?“, fragte ich sie bestürzt.
“Nichts“, erwiderte sie nur schulterzuckend und ging davon. Hatte sie denn nicht vor etwas zu essen? Ich machte mich jedenfalls auf, um im Speisesaal zu frühstücken.

“Wo ist Liz?“, fragte Alex verwundert nachdem sich diese nicht blicken ließ.
Ich zuckte nur die Schultern und tat so, als wüsste ich von nichts. Genau genommen traf das auch zu, denn ich wüsste wirklich gerne was in sie gefahren war.
Gerade als ich aufstehen wollte um mir Nachschlag zu besorgen, stand auch Lady Devone auf um etwas zu sagen. Traurig setzte ich mich wieder hin, ich würde wohl mit dieser mickrigen Portion Müsli auskommen müssen.
“Diejenigen, die disqualifiziert sind, werden später ihren Aufgaben zugeteilt. Herzlichen Glückwunsch an die, die bestanden haben! Ihr werdet euch später alle einen Zettel abholen auf dem eure Gruppennummer steht“, sie zeigte auf Akila Maleski, die neben ihr stand und dreinschaute, als ginge ihr das alles gehörig gegen den Strich.
“Danach findet ihr euch in unterschiedlichen Räumen ein, die wir zuvor verdunkelt haben, damit ihr euch nicht so gut sehen könnt. Ihr müsst die anderen aufspüren und ausnocken, wie ihr das anstellt ist euch überlassen, aber es darf niemand getötet werden, obwohl ich bezweifle, dass ihr das schafft, da ihr durch eure Vampirsinne der Dunkelheit nicht gänzlich ausgeliefert seid. Die, die am Ende noch alleine im Raum übrig sind, treten im nächsten Level gegeneinander an, das findet dann aber erst morgen statt.“
Erschüttert blickte ich mich um und sah in viele schockierte Gesichter. Anscheinend hatte niemand damit gerechnet, dass wir einander ernsthaft verletzen mussten, auch mir war nicht besonders wohl bei dem Gedanken. Wie sollte ich nur jemals so viele Menschen auf einmal besiegen?
Ohne lange nachzudenken wusste ich die Antwort sofort, ich konnte es nicht!
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus und hinterließ ein schmerzhaftes Ziehen.
Ich stellte mich in die Reihe vor Maleski um meine Nummer abzuholen. Als ich bei ihr ankam, kniff sie gehässig die Augen zusammen und drückte mir grob einen Zettel in die Hand, während sie unbemerkt einen Schritt auf mich zumachte und mir angewidert ins Ohr flüsterte: “Gutes Verlieren!“
Entgeistert zuckte ich zurück und meine Augen begegneten ihren. Ich hatte noch nie jemanden so böse schauen sehen!
Bei jedem Anderen hätte ich sofort etwas passendes gekontert, aber so traute ich es mich nicht. Sie konnte mir das Leben zur Hölle machen, ohne dass jemals jemand davon erfahren würde!
Was hatte ich der nur jemals getan, dass sie mich so verabscheute?
Prüfend sah ich mich um, doch niemand schien das gerade eben mitbekommen zu haben. Es sah nicht einmal jemand in meine Richtung und erst jetzt merkte ich, wie einsam ich mich ohne Liz fühlte. Niemand beachtete mich.
Maleski hatte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Schüler hinter mir gerichtet, sodass ich mich unbemerkt davonstehlen konnte.
Eilig verließ ich den Saal und wollte nach draußen flüchten, als sich mir nach der Eingangstür jemand in den Weg stellte und mich somit aufhielt: “Du wirst in der entgegengesetzten Richtung erwartet!“
“Jake?“, fragte ich verdattert, da ich schon lange nicht mehr mit ihm geredet hatte und deshalb nicht damit gerechnet hatte, dass er mich ansprach.
“Wen hast du denn sonst erwartet?“
“Ich bin nur überrascht dich zu sehen. Meinen Glückwunsch übrigens zu deinem Sieg gestern!“
“Danke, ich habe mich auch sehr angestrengt!“
“Wie hast du das eigentlich geschafft?“
“Siegergeheimnis!“
“Siegergeheimnis?“ Hatte er sich das Wort gerade ausgedacht, denn mir war es noch nie untergekommen.
“Wie fühlt es sich an, mal nicht die Beste gewesen zu sein?“
Das hatte wehgetan, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, wann ich je die Beste gewesen war.
“Ich fühle mich super“, log ich und vermied es ihn anzusehen.
Das war auch erst der Grund, dass ich Liz zufällig entdeckte, die weinend unter einem Baum stand. Jedoch richtete sie sich sofort auf und wischte ihre Tränen weg, als sie sah, dass ich sie bemerkt hatte und rannte ins Gebäude.
Verwirrt sah ich ihr hinterher, was hatte sie denn bloß?
“Also ich würde mich an deiner Stelle nicht so super fühlen, immerhin kann es sein, dass ich den Wettbewerb auch heute gewinne.“
“Was meinst du damit?“
“Das wirst du schon früh genug erfahren!“
“Ich gönne es dir wirklich, wenn du gewinnst, aber stell bitte nichts Dummes an!“
“Du kennst mich doch, du kannst mir vertrauen“, merkte er an und ich seufzte zustimmend.
“Ich weiß.“
“Viel Glück heute, wir müssen langsam los.“
“Weißt du denn wo ich genau hinmuss?“
“Ich glaube nicht, dass wir im selben Team sind, also nein.“
Woher wollte er das wissen, ich hatte ja selbst noch gar nicht auf meinen Zettel gesehen.
“Welche Nummer hast du?“
“Eins und du?“
Ich zog den Zettel aus meiner Westentasche und sofort sprang mir eine große rote drei ins Auge. Ich zeigte es Jake und er lächelte nur besserwisserisch.

Ich sah mir meine Gegner an und merkte mir jedes einzelne Gesicht unter ihnen. Ich wusste zwar nicht, wie ich sie dann später wieder-erkennen sollte, aber man konnte nichts falsch machen, wenn man wusste mit wem man es zu tun hatte.
Die Meisten waren aus meinem Jahrgang, aber es waren auch ein paar unbekannte Gesichter dabei, welche ich mir besonders gut einprägte.
Einige von ihnen sahen erfahren aus und als hätten sie eine gewisse Vorahnung, was uns gleich erwarten würde, doch wieder andere blickten eher hilflos drein und ich befürchtete, dass ich wohl genauso ängstlich aussah.
“Hi, ich bin Serilda und du musst Violet sein“, sprach mich auf einmal jemand von der Seite an und ich zuckte kurz zusammen, als mich dieser brutal aus meinen Gedanken riss. Ich drehte meinen Kopf nach links und blickte in zwei haselnuss-braune Augen, die mich freudig anstarrten.
“Ja, ähm, interessanter Name“, stotterte ich und schlug mich innerlich für meine unüberlegte Antwort.
“Danke, ich wurde nach einer sehr alten Vorfahrin meiner Familie benannt.“ Offensichtlich nahm sie es mit Humor.
“Cool“, nickte ich. Ich war viel zu aufgeregt vor dem was noch kommen würde, als dass mir eine gute Antwort einfiel.
“Bist du auch schon so nervös wie ich?“
“Merkt man das?“, fragte ich gequält und versuchte das Zittern meiner Hände zu unterdrücken.
“Naja, jeder hier ist ja irgendwie aufgeregt, ich meine niemand weiß was gleich passiert.“
“Ich schätze wir kommen in den Raum und müssen uns gegenseitig besiegen?“
“Man munkelt, dass einige grausame Hindernisse aufgebaut wurden...“
“Oh mann du machst mir aber Hoffnung!“
Sie lachte und zog damit ein paar böse Blicke auf sich, woraufhin sie unsicher einen Schritt zurückwich.
Sofort kniff ich warnend die Augen zusammen und legte empört den Kopf schief. Wieso mussten immer alle so unfreundlich sein?
Bevor es zu einer Auseinandersetzung kommen konnte, kam Akila Maleski geräuschlos angeschlichen und ich stöhnte innerlich entnervt auf. Nicht die schon wieder! Ich ließ meinen Blick über die anderen Gesichter schweifen und erkannte, dass sich auch deren Begeisterung über das Erscheinen der stellvertretenden Schulleiterin in Grenzen hielt.
Schweigend bahnte sich diese ihren Weg durch die angesammelten Schüler und zog mit einem Ruck die schwere Metalltür auf, die sich am Ende des Flurs befand.
Mit Erschrecken musste ich sogleich feststellen, dass es an der Innenseite keinen Griff gab.
Wie wollte der Gewinner denn dann wieder herauskommem?
“Ihr werdet überwacht, damit ihr euch an die Regeln haltet“, beantwortete sie meine unausgesprochene Frage.
“Aber wie denn wenn es dunkel ist?“
“Denk gefälligst nach bevor du solche dummen Fragen stellst!“
Angespannt presste ich meine Lippen aufeinander. Ich konnte diese Frau überhaupt nicht leiden! Wie hatte meine Oma sie bitte einstellen können?!
“Los macht schon, Einer nach dem Anderen“, befahl sie und deutete mit dem Kopf in den stockfinsteren Raum. Alle traten durch die Tür und drückten dabei Maleski ihren Zettel in die Hand, da diese kontrollieren wollte, dass auch die richtigen Vampire in den richtigen Raum gehen. Als ich an der Reihe war, nickte ich Serilda aufmunternd zu, ignorierte Maleskis bohrenden Blick auf meinem Rücken, blieb kurz auf der Türschwelle stehen und atmete tief ein und aus.
Ich würde es niemals öffentlich zugeben, aber ich hatte eine Heidenangst. Was wenn sich jemand nicht an die Regeln hielt und mich nicht nur ausnockte?
Bevor ich in die Schwärze des dunklen Raums trat, fasste ich einen Plan, mit dem ich hoffentlich gute Chancen haben würde und ließ mich von der wartenden Dunkelheit verschlingen.

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