41. Kapitel

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Ich zischte schmerzerfüllt auf als ich unvorsichtig gegen den Türrahmen des Klassenzimmers stieß. Cole und ich waren vergangene Nacht auf dem Boden eingeschlafen, sodass es meinem Rücken nun nicht sonderlich gut ging. Wir hatten noch so lange geredet, dass uns beide schließlich der Schlaf übermannt hatte und wir diesem hilflos ausgeliefert waren.
“Alles gut bei dir?“, fragte mich Liz besorgt.
“Nur Rückenschmerzen.“
“Die können ganz schön hartnäckig sein, glaub mir ich spreche aus Erfahrung!“
“Das sind ja schon mal tolle Aussichten“, freute ich mich seufzend.
“Geh am besten zur Krankenstation wenn es nicht besser wird“, schlug sie vor während sie ihre langen Haare zu einem Zopf band.
Ich nickte ihr dankbar zu und verließ das Klassenzimmer mit zusammengebissenen Zähnen.
Ich würde mir zuallererst ein heißes Bad gönnen und abwarten ob sich meine Lage verbesserte.
“Komm doch später auf mein Zimmer wenn es dir besser geht, ich treffe mich mit ein paar Mädels zum Chillen.“
“Danke, das werde ich!“
Wir verabschiedeten uns umarmend und ich machte mich auf den Weg zu meinem Zimmer.
Als ich unter Schmerzen endlich die Treppen hinter mir hatte, erkannte ich eine Person am Ende des Flurs um die Ecke huschen.
“Mum?“
Sie blieb wie ertappt stehen und drehte sich langsam um.
“Gehst du noch weg?“, fragte ich neugierig mit einem Blick auf ihren zugeknöpften Mantel.
“Ich muss nur kurz was erledigen!“
“Und deshalb trägst du hohe Schuhe?“, fragte ich misstrauisch.
“Darf ich das etwa nicht?“
Es war also eine dieser Erledigungen von denen ich nichts wissen durfte.
“Es ist gefährlich oder?“
“Och das würde ich so nicht sagen...“
“Mum!“
“Mach dir keine Sorgen mein Schatz, ich bin bald zurück.“
Das war nicht die Antwort die ich erhofft hatte.
“Es besteht keine Chance, dass ich mitkommen kann oder?“
“Nein!“
Die Härte in ihrer Stimme ließ mich wissen, dass weiteres Betteln sinnlos und vergeudete Zeit war.
“Triffst du dich mit jemandem?“
“Von mir erfährst du gar nichts.“
“Also ja. Ich hoffe du stellst mir den eines Tages vor“
“Da ist nichts ernstes zwischen uns und jetzt Schluss damit, ich werde nicht mein Liebesleben mit dir bereden!“
Ich wollte eigentlich auch gar keine genauen Infos dazu haben!
“Ich muss jetzt los!“
“Viel Spaß bei was auch immer du vorhast.“
Sie nickte und sprach leise während sie davonging: “Den werd ich haben!“
Ich schüttelte angewidert den Kopf und beschloss meiner Mutter ihren Spaß zu lassen. Ich konnte mich nicht entsinnen wann sie das letzte mal jemanden mit nach Hause gebracht hatte und ich gönnte ihr auf jeden Fall ihr Glück. Wenn es hier einer verdiente glücklich zu sein, dann meine Mum!

Leah Chase hasste es ihre Tochter anzulügen, doch in diesem Fall ging es nicht anders. Sie sollte nicht wissen was sie zu tun hatte. Gut, es war nicht komplett gelogen doch es gefiel ihr trotzdem nicht.
Doch sie konnte jetzt nicht darüber nachdenken, sondern musste das Geplante noch einmal im Kopf durchgehen. Sie durfte auf keinen Fall abgelenkt sein!
Leah richtete den Kragen ihres schwarzen Mantels auf um ihren Nacken vor den kalten Windböhen draußen zu schützen und verließ die Academy. Bestens bewusst, dass ihr vier ausgebildete Wächter folgten, die es verstanden sich im Schatten zu halten.
Sie sah sich einmal in alle Richtungen um, bevor sie die Glastür aufschob und den Club betrat.
Es war niemand ungewöhnliches zu sehen, doch sie wusste ganz genau, dass sie beobachtet wurde.
Sie zog den Mantel aus und fuhr sich einmal durch die langen, blonden Haare die ihr locker auf die Schultern fielen. Nachdem ihr jemand den Mantel abgenommen hatte schritt sie auf durch den Club und ließ sich an einem Platz nahe der Bar nieder, von dem sie einen recht guten Überblick über den gesamten Raum hatte.
“So ganz allein?“, vernahm sie kurz nachdem sie etwas zu trinken bestellt hatte, die schmierige Stimme eines suchenden älteren Mannes.
“Ich bin nicht alleine hier“, entgegnete sie spitz und schoss ihm einen Blick zu, der ihm mitteilte sich besser zu entfernen.
Dieser zog sogleich enttäuscht in Richtung Bar ab.
“Wartest du auf mich?“, fragte eine vertraute Stimme und ein Mann setzte sich ihr gegenüber.
“Ausnahmsweise mal nicht“, antwortete sie und ihre Lippen verzogen sich zu einem glücklichen Lächeln, nachdem sie ihrem Freund einen schnellen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte.
Sie waren seit ungefähr einem Jahr zusammen und sie hatte es immer noch nicht geschafft ihrer Tochter davon zu erzählen.
“Das war aber recht spärlich“, kommentierte er enttäuscht und sah sie fragend an.
“Ich bin in einem Auftrag hier.“
“Ach? Hat deine Mutter sich endlich überwinden können dir etwas zuzutrauen?“
“Jacob...“
Sie mochte es nicht über ihre Mutter zu reden und schon gar nicht an einem schönen Abend wie diesem.
“Ist doch wahr! Ich verstehe einfach nicht wie du deine Tochter zu ihr bringen konntest.“
“Das hatten wir doch schon, sie ist dort sicherer als irgendwo sonst“, versuchte sie ihm wie so oft klarzumachen, obwohl sie wusste dass er sich damit nicht zufrieden geben würde.
Jacob nahm einen hastigen Schluck seines alkoholhaltigen Drinks.
Auch er konnte anhand ihres Gesichtsausdrucks deuten, dass sie heute nicht weiter mit ihm diskutieren würde, weshalb er es für besser hielt seinen Mund geschlossen zu lassen.
“Willst du mir erzählen was du hier vorhast?“
“Einen Werwolf zur Strecke bringen“, flüsterte sie ihm leise zu, damit niemand um sie herum etwas von ihrem Gespräch mitbekam.
Jacob verschluckte sich an seinem Drink und sein Kopf zuckte ungläubig in ihre Richtung.
“Das machst du aber nicht alleine oder?“
Leah lächelte still in sich hinein, als sie die leichte Besorgnis in seiner Stimme hörte.
“Nein, ich habe Verstärkung dabei“, beruhigte sie ihn indem sie in die Ecke nickte in welcher die Wächter saßen und mit ihren Augen den Raum abscannten. Wie unauffällig...
Der schwarzhaarige Mann vor ihr atmete befreit aus.
Leah musterte ihn liebevoll. Es war süß was er sich gleich für Sorgen um sie machte.
“Wie lange hast du noch Zeit bis das Viech auftaucht?“
“Nicht mehr lange fürchte ich.“
Wie auf Kommando öffnete sich die Glastür des Clubs und ihr Opfer trat ein.
Er trug seine langen, braunen Haare zu einem Zopf gebunden und biss auf seinem Lippenpiercing herum. Schwarze Tinte erstreckte sich von seinen Handgelenken bis hinauf zu seinem Hals.
Leah hatte sein Gesicht lange genug angestarrt und sich eingeprägt, dass sie es überall wiedererkennen würde.
“Schnell, er ist hier, verschwinde!“, zischte sie Jacob zu und drängte ihn dazu aufzustehen, was er auch widerwillig tat.
“Was ist das denn für eine Verabschiedung?“
“Jacob!“
“Ok ich habs verstanden, viel Glück.“ Er schenkte ihr ein fröhliches Lächeln bevor er sich vom Acker machte um nicht gesehen zu werden.
Leah richtete ihre Frisur und versuchte möglichst einsam auszusehen, was auch nicht allzu schwer war, immerhin saß sie hier alleine herum.
Es dauerte nicht lange bis der Werwolf auf sie aufmerksam wurde und sie zufrieden ins Visier nahm. Sie war das perfekte Opfer. Einsam, unschuldig und wunderschön. Er grinste böse und bahnte sich seinen Weg durch die tanzende Menge.
“Darf ich der Dame etwas zu Trinken bestellen?“, fragte er mit rauchiger Stimme.
“Gerne“, lächelte Leah Chase schüchtern und bot ihm den Platz vor sich an auf dem zuvor Jacob gesessen hatte.
“Was macht eine so schöne Frau wie Sie hier so ganz ohne Gesellschaft?“, schmeichelte er geplant.
“Die habe ich ja jetzt.“
Leah unterhielt sich eine ganze Weile lang mit ihm und versuchte möglichst gut vorzutäuschen, dass sie an ihm interessiert war.
Man könnte meinen er sei wirklich nur hier um neue Bekanntschaft zu machen, doch sie wusste genau was sich hinter den bemüht freundlichen Augen verbarg.
Als er ihr vorschlug sich an einem ruhigeren Ort weiter zu unterhalten, willigte sie bereitwillig ein und signalisierte den Wächtern mit einem kurzen Blick, dass es an der Zeit war. Sie nahm sich ihren Mantel und folgte dem Werwolf nach draußen in eine der Seitengassen.
Sie verzog angewidert das Gesicht. Hier roch es bestialisch!
“Solch Schönheit und doch so unwissend“, hauchte er und kam ihr immer näher, sodass sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß.
Leah legte auffordernd den Kopf schief und starrte dem Mann aufmerksam in die Augen.
“Warum bin ich denn unwissend?“, fragte sie herausfordernd obwohl sie die Antwort schon kannte.
Er lachte laut auf und ließ von ihr ab um sich zu verwandeln. Doch kurz nachdem er seine Krallen ausfuhr, ergriffen ihn die Wächter von hinten, welche wie aus dem Nichts auftauchten.
“Vampire“, knurrte der Werwolf und fauchte wütend, dass er gefasst worden war.
Nachdem sie ihn abgeführt hatten trat Leah Chase aus der dunklen, stinkenden Seitengasse und legte entspannt den Kopf in den Nacken. Das war schon fast zu einfach gewesen.
Sie setzte ein zufriedenes Lächeln auf und wollte zurück in den Club gehen um noch etwas Zeit mit Jacob zu verbringen, doch sie wurde von einer plötzlich auftauchenden Gestalt daran gehindert. Sie blickte direkt in zwei braune, zu Schlitzen verengten Augen und trat verdutzt einen Schritt zurück.
“Was wollen Sie?“, fragte sie alamiert.
“Seinen Plan vervollständigen“, gab der Typ zur Antwort und sie bemerkte ihren Fehler. Es war viel zu unwahrscheinlich, dass ein Werwolf ausgerechnet in diese Gegend gelangte und dann auch noch ohne ein Rudel oder wenigstens einen Partner. Sie hätte die Wächter noch nicht gehenlassen dürfen!
“Dryadoge!“, knurrte sie zornig über ihre eigene Dummheit.
“Ganz genau.“
Seine Stimme war viel zu ruhig, zu kontrolliert. Das hier war genauestens geplant worden und sie musste so schnell wie möglich von hier verschwinden!
Ihr Herz pochte immer lauter in ihrer Brust, während sie ihre Möglichkeiten abwägte.
Wenn sie in den Club kam, war sie in Sicherheit, sie musste nur unter Leute gehen.
Doch bevor sie etwas tun konnte, drückte ihr jemand von hinten ein Tuch auf Mund und Nase und versperrte ihre freien Atemwege, sodass sie gar nicht anders konnte als einzuatmen.
Sie zappelte und versuchte dem schmerzend Griff zu entkommen, doch sie wusste, dass es hoffnungslos war.
Es wurde alles schwarz um sie herum und sie merkte noch wie ihre Beine unter ihr nachgaben, ohne etwas dagegen ausrichten zu können.
Sie hätte nicht so unvorsichtig handeln dürfen, sie hätte es kommen sehen müssen. Es war zu offensichtlich gewesen.

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