Die Zeit die ich bei Kjetill verbrachte war wie Urlaub. Wir lachten so unglaublich viel. Er munterte mich unaufhaltsam auf und lenkte mich von meinen schrecklichen Gedanken ab. Und Abends, wenn ich im Bett lag dachte ich an ihn und schwärmte vor mich hin. Ich wusste, dass das alles nicht so perfekt war, wie es sich anfühlte. Es war nur diese Traumblase in der ich schwebte, die mir das Gefühl gab abgehoben zu sein. Abgekapselt von dem Rest der Welt.
Doch wir wussten alle, dass diese Illusion nicht von Dauer war. Es war nur ein kurzer Abschnitt, in dem der Sturm von außen es nicht schaffte in meine abgekapselte Welt einzudringen.
Ich hatte es im Radio gehört. Einmal, als ich mit Kjetill mit dem Auto etwas mehr einkaufen gewesen war. Wir hatten Weihnachtskugeln für seinen kleinen Tannenbaum gekauft, nachdem ich Kjetill damit bombardiert hatte, dass ich ihn unbedingt schmücken wollte. Kjetill hatte gesagt wir würden ihn zusammen schmücken. Und auf der Rückfahrt schaltete ich das Radio ein, mit der Absicht unsere gute Laune durch die Musik noch mehr aufzuheizen. Doch als die monotone Stimme der Nachrichtensprecherin durch die Lautsprecher im Auto drang, zog es mich runter wie eine Seifenblase, die zerplatzt war.
"Seit dem sechzehnten Dezember wird ein Mädchen Namens Ella Nessel vermisst. Ihre Eltern bezeugen, sie hätte während des Schneesturms das Haus verlassen und sei nicht wieder...-"
Ich hatte das Radio schweigend ausgeschaltet. Kjetill den laufenden Motor still gestellt und sich ebenfalls schweigend zurück in den Sitz gelehnt. Das Schweigen hatte mir in den Ohren gebrannt. Die Stille, die mich vernichten wollte war in diesem Moment zurückgekehrt und es hatte mich wahnsinnig gemacht, dass Kjetill sie nicht vertrieb. Dass er sie gewähren ließ einzutreten. Dass sie sich mir feindselig gegenüber stellen konnte. Ich wollte, dass seine Stimme erklang. Dass sie die Angst vertrieb. Und als er endlich etwas sagte, hatte ich viel zu lange gebraucht um mich auf seine Worte zu konzentrieren, weil ich den geflüsterten Ton in seiner Stimme versucht hatte aufzusaugen als wäre ich davon abhängig geworden.
"Ella, deine Eltern suchen nach dir.", hatte er gesagt. Ja. Das war alles gewesen, was er sagte. Ich war dankbar, dass er keine Fragen stellte. Und doch wusste ich, dass mein Schweigen für ihn eine große Last bereitete. Oder noch viel konkreter: meine Anwesenheit.
Also hatte ich nur stur geradeaus gestarrt und seinen besorgten Blick ignoriert. Ich weiß, ich hätte ihn endlich fragen sollen. Es war der perfekte Augenblick um meine schon vom ersten Tag an brennende Frage seit dem er mich aufgenommen hatte zu stellen. Jedoch war mein Mund wie versiegelt gewesen. Ich hatte versucht etwas zu sagen, doch alles was ich zustande gebracht hatte war ein kratziges Räuspern meiner Stimme.
Und als Kjetill den Motor wieder gestartet hatte und seufzend mit mir zurück zu seiner Wohnung gefahren war, hatte ich mich unglaublich schlecht gefühlt.
Ich konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Ich war so dreckig.
Sobald wir in der Wohnung waren entschuldigte ich mich und verschwand in meinem Zimmer. Ich hasste mich so sehr dafür, dass ich mich ihm nicht öffnen konnte. Dass ich mich schon wieder zurückzog um in meinem Loch zu ertrinken. Und dass ich so ungerecht war. Ich war ihm so viel schuldig. Er hatte es verdient zu wissen, was mit mir los war und weshalb ich nicht nach Hause wollte. Aber ich schaffte es nicht mit den Dingen fertig zu werden, die mich immer wieder einholten.
Ich saß schluchzend auf dem von mir ordentlich gemachten Bett und presste mir mit zittrigem Atem die Hände vors Gesicht. Warum musste ich so schwach sein?
Ich zuckte richtig zusammen, als sich nach einem zögerlichen Klopfen die Tür mit einem leisen Quitschen aufschob und Kjetill besorgt seinen Kopf durch den Türspalt steckte. Als er mich so sah, trat ein mitleidiger Ausdruck in sein Gesicht. Schnell versuchte ich meine Augen trocken zu wischen, aber das war eh nicht mehr von Bedeutung. Es war schon zu spät.
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HE WILL SEND HIS ANGELS
Paranormal[*Longlist Wattys2018*] "Er kam wie vom Himmel geschickt. Trat in mein Leben und prägte es. War mein Anker in der Not und bewahrte mich vor einem Absturz in das schwarze Loch der Verzweiflung. Doch dann verschwand er, -nichts wies auf seine Existenz...