6 - Unwillkommener Besuch

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Nach dem Gottesdienst begann Kjetill einige Leute zu grüßen, jedoch fasste er sich relativ kurz und ersparte mir somit ungeduldige Wartezeit. Allerdings stellte er mich nie jemandem vor. Zuerst nagte ein leiser Gedanke an mir der Kjetill dafür anklagte, doch schnell fiel mir wieder ein, was der Grund dafür war.

Er versuchte mich zu schützen. Würden die Leute meinen Namen erfahren, könnte es gefährlich für mich werden..

Resigniert schüttelte ich den Kopf. Ich dachte viel zu egoistisch. Natürlich würde es in erster Linie viel gefährlicher für ihn werden, wenn herauskam was er getan hatte! Mein schlechtes Gewissen begann wieder an mir zu nagen. Die Angst, er könne wegen mir irgendwelche Probleme bekommen stieg wieder an, ließ meinen Puls unkontrolliert schneller schlagen. Er hatte das nicht verdient. Jemand der sich so herzensgut hingab, sollte nicht für etwas bestraft werden, was keinem geschadet hatte. Ein flaues Gefühl legte sich auf meinem Magen ab. Zeitgleich schwand das Gefühl der Gelassenheit und ich begann mich verstohlen und angsterfüllt immer wieder umzublicken. Die Menschenmasse kam mir plötzlich so groß und laut vor, dass die Stimmen und Gespräche begannen mir in den Ohren wehzutun.

Ich zupfte Kjetill leicht an seinem Jackett. Ich musste hier ganz schnell raus. Die Berührung war nur ganz sachte, jedoch drehte sich Kjetill sofort zu mir um, da ich hinter ihm stand. Er sah mich besorgt an, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte: "Alles okay?" Ich schluckte unwohl. Ich hatte ihn während eines Gesprächs mit einem älteren Mann unterbrochen, welcher mich nun neugierig musterte, als wäre ich ihm erst soeben aufgefallen. Ich hatte die Aufmerksamkeit nicht auf mich ziehen wollen und vor allem hatte ich nicht gewollt, dass sich wieder einmal alles um mich drehte. Ich wollte Kjetill nicht den Abend zerstören, indem ich mit meinen egoistischen Bedürfnissen dazwischenfunkte. Also schluckte ich kaum merklich und rieb mir unwohl über den linken Ärmel meines Arms. "Ich.. Ich geh etwas an die frische Luft.", stotterte ich unbeholfen. Ich wollte nichts falsches sagen. Ein falsches Wort könnte uns in Schwierigkeiten bringen.

Ich sah an Kjetills Blick, dass er meinen Gedankengang verstand. Jedoch schüttelte er nur kaum merklich den Kopf, als würde er sagen wollen "Keine Sorge, du wirst nicht auffliegen". Aber die Panik kroch in mir hoch, als mir bewusst wurde, was wir hier eigentlich taten. Ich hätte nie zusammen mit Kjetill in die Öffentlichkeit gehen sollen! Vor allem nicht in so einen privaten Umkreis von ihm.

Man musste mir mein Unbehagen ansehen, denn Kjetill legte besorgt seine Hand auf meine Schulter, was mir einen kleinen Adrenalienschub in der Magengegend versetze. "Geht es dir nicht gut?" Schnell machte ich eine wegwerfende Handbewegung und setze ein Lächeln auf. "Alles gut, ich warte draußen."

Ich drückte mich schnell an den beiden vorbei und lächelte dem Mann noch höflich zu, ehe ich mich durch die Menschenmenge davonmachte. Mein Herz pochte immer noch unangenehm. Ich versuchte möglichst niemandem ins Gesicht zu sehen, während mich die Schuldgefühle und die Angst begleiteten. Was hatte ich mir nur gedacht? Als ich an der Tür ankam, stieß ich diese mit einem Ruck auf. Kalte Nachtluft schlug meinem erhitztem Gesicht entgegen und ich saugte gierig den frischen Geruch auf. Schnell schlüpfte ich zurück in meine Jacke und zog den Kragen bis ganz nach oben, während hinter mir die Tür zufiel.

Ich blickte über den Parkplatz und entdeckte eine Bank, die halbwegs zugeschneit unter dem milden Lichtkegel einer Laterne stand. Zielstrebig lief ich darauf zu und wischte mit dem Ärmel kurz über einen Teil der Sitzfläche, damit ich mich zumindest auf den Rand der Bank setzen konnte. So langsam beruhigte sich mein Puls wieder. Die kühle Nachtluft gab mir die nötige Klarheit, um den Kopf wieder frei zu bekommen.

Ich würde hier einfach auf Kjetill warten und dann würden wir ganz locker wieder zu seiner Wohnung fahren. Wir würden einen schönen Abend miteinander verbringen, ich würde ihm mein Geschenk geben und das war's. Keine Komplikationen oder gar Gefahren. In Zukunft würden wir einfach nicht wieder zusammen in seine privaten Umfelder gehen, obwohl mir der Gedanke einen Stich versetzte. Ich würde Kjetill also nie wirklich komplett kennen lernen können, denn ich würde auf so viele Seiten von ihm verzichten müssen, die mir vielleicht nur in Verbindung mit anderen Menschen offenbart werden konnten. Zudem war diese Kirche für mich erstmal tabu. Frust stieg in mir hoch. Das konnte doch wohl nicht wahr sein, dass ich ständig auf alles und jeden verzichten musste, nur weil mich meine Umstände andauernd dazu zwangen!

HE WILL SEND HIS ANGELSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt