14 - Zuhause

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Schweigend fuhren wir nach Hause. Die Umgebung war mir so vertraut und doch regte sich in mir nichts als Abscheu. Ich merkte, dass es mich nicht beruhigte durch die bekannten Straßen zu fahren, sondern mich bloß an mein eigentliches Leben erinnerte. Plötzlich musste ich an die ganzen Leute denken, die ich hier zurückgelassen hatte.
Schulkameraden, Lehrer, wenige Freunde und Bekannte.
Mein Verschwinden war überall in den Nachrichten gewesen. Ich verstand immer noch nicht warum, meine Eltern mussten doch gewusst haben, dass ich bloß wieder Reiß aus genommen hatte. Und beim letzten Mal war ich sogar freiwillig zurückgekehrt.
Hatte mich jemand vermisst? Hatte sich jemand Sorgen um mich gemacht? Plötzlich war mir der Gedanke mehr als unangenehm. Es war nicht meine Absicht gewesen irgendwen damit leiden zu lassen.Auch wenn es mich bei meinen Eltern mit Genugtuung erfüllt hätte, war es auch nicht mein Ziel ihnen etwas aufzubürden. Unbehagen stieg in mir auf, als ich daran dachte wieder zur Schule zu gehen. Denen in die Augen zu blicken,die nun mehr ahnten als ich jemals preisgeben wollte.

"Was sollte das Ella?", hörte ich meinen Vater von vorne fragen. "Er ist nüchtern.", sagte ich mir immer wieder, um mich zu beruhigen. Ich wollte ihn mit Schweigen bestrafen. So, wie sie es damals getan hatten und wie es sich jetzt gerade auch wieder anfühlte. Aber der Trotz stieg in mir hoch. Ich würde mich nicht mehr kommentarlos fügen.

"Was genau meinst du denn?", fragte ich provokant und blickte nach vorne in den Rückspiegel, so dass sich unsere Blicke trafen. "Oh, war das zu unhöflich von mir?" Ich lächelte gespielt entschuldigend. "Macht ja nichts, wenn ihr mich einfach wieder in mein Zimmer sperrt. Da kann ich dann keinem etwas sagen,richtig?" Ich sah die Zornesfalte meines Vaters im Spiegel, wie er mich mit seinem Blick fixierte und niederstarrte. Er hasste mich. Aber ich sah den Unglauben in seinen Augen, wie er verarbeiten musste, wie ich mit ihm redete. "Pass auf was du sagst.", knurrte er, während er unruhig mit seinen Fingern auf der Tür herumtrommelte. Ich versuchte den Blick meiner Mutter aufzufangen. Suchte nach einer Regung in ihr, einer Emotion die zeigte, dass sie sich um mich scherte. Aber sie starrte steif und angespannt nach vorne. Kein Wort kam über ihre zusammengepressten Lippen.
Enttäuschung überrollte mich. Erneut. Und das ärgerte mich mehr denn je. Warum konnte es mir nicht einfach egal sein?!

Sobald der hässliche Wagen in unserer hässlich perfekten Einfahrt hielt, stieß ich die Tür auf und stürmte hinaus. Ich wollte nicht. Fühlte mich jetzt schon gefangen und ungewollt, aber konnte nicht weg.
An der Tür trat ich unruhig von einem Fuß auf den anderen. Es dauerte viel zu lange, wie meine Mutter den Schlüssel aus ihrer Tasche kramte und ihn wie in Zeitlupe ins Schloss schob. "Ella.", flüsterte sie plötzlich und hielt in der Bewegung inne. Sie hauchte es fast und eine unangenehme Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Sie wirkte schwächer denn je. Ihr Blick huschte kurz nach hinten, um meinen Vater in Augenschein zu nehmen, der sich aus dem Kühlschrank unserer Garange eine Bierflasche holte. "Es tut mir leid.", wisperte sie. Ich war wie erstarrt, konnte nicht atmen. Wie bitte? In mir keimte etwas auf. Verständnislosigkeit, Trauer, Wut und Schmerz. "Was?", fragte ich harscher als ich wollte. Der Blick meiner Mutter sprang unruhig zu mir und zurück zu meinem Vater. "Was tut dir leid.", formulierte ich meine Frage präziser und ich erschrak mich selbst vor dem Hass, den ich darin hören konnte. Sie zuckte zusammen. Was sollte das? Hatte sie Angst, dass mein Vater gleich kam und wieder einen seiner Wutausbrüche hatte? Sie war doch eh nicht die jenige, die die Schläge abbekam!
Als sie nicht antwortete schnaufte ich verachtend. "Was soll das?", fragte ich. "Glaubst du ein einfaches 'tut mir Leid' macht all das wieder gut, was ich durchmachen musste?! Du weißt genau was für ein Monster du bist."

Ich selbst erschrak vor dem, was ich da gesagt hatte. Das war hart gewesen. Auch meine Mutter sah erschrocken hoch. Blickte mir das erste mal in diesem Moment richtig in die Augen. Dann wandte sie sich ruckartig ab, drehte den Schlüssel um und stieß die Türe auf. "Ach, vergiss es.", sagte sie verbittert und verschwand in ihrem Zimmer.

HE WILL SEND HIS ANGELSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt