7 - Aufbruch

66 11 4
                                    

Als ich am nächsten Morgen erwachte, tat ich es nicht, weil mich die Sonnenstrahlen kitzelten, oder weil mich der Hunger aus dem Bett trieb. Ich wusste nicht wie spät es war, geschweige denn wie lange ich überhaupt geschlafen hatte. Alles was ich wusste war, dass das mulmige Gefühl in meinem Magen ein klarer Hinweis darauf war, dass das gestern wirklich geschehen war und leider kein böser Alptraum gewesen sein konnte.

Als ich meine Orientierung wieder gefunden hatte, musste ich feststellen, dass ich gestern tatsächlich auf dem Sofa eingeschlafen war. Da ich mit der Decke aus meinem Zimmer zugedeckt war schloss ich darauf, dass Kjetill mir diese gebracht hatte um mich zuzudecken. Ein wohliges Gefühl durchströmte meinen trägen Körper und ich hätte mich am liebsten wieder ganz tief darin eingekuschelt und weiter geschlafen. Jedoch quälte mich die Tatsache, dass die Polizei uns ganz dicht auf den Fersen war und nicht mehr viel fehlte, bis sie eine Spur entdecken. Wer weiß, wann sie das nächste Mal hier aufkreuzen würden und wie das Ganze dann ausging.

Also rappelte ich mich schweren Gemüts auf und trotte in die Küche, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Es war draußen noch Stockdunkel und die Zeiger der Uhr zeigten gerade mal auf 7 Uhr Morgens. In meiner ganzen Zeit die ich hier bei Kjetill verbracht hatte, war ich noch nie so früh aufgewacht und ich nahm es als ein Zeichen der Aufmachung.

Als ich daran gedacht hatte, dass meine Zeit hier nur begrenzt war und dass sich mein Weg bald von Kjetills trennen würde, hatte ich nicht geahnt, dass dies so bald eintreffen würde. Ich hatte gedacht, -oder sogar gehofft, dass ich höchstens noch die Weihnachtstage bei Kjetill verbringen würde. Aber der Zeitpunkt war gekommen und nun war ich dazu gezwungen diesen Ort zu verlassen. Mein Herz wurde schwer als mir langsam immer bewusster wurde, dass dies der endgültige Abschied war. Ich wusste nicht, ob wir uns jemals wieder sehen würden und selbst wenn, dann erst nach einem bestimmten Zeitraum, der in meinem kindlichen Kopf Jahrzehnte andauern würde. Ich würde ihn so vermissen.

Kjetill war mir in dieser kurzen Zeit wahnsinnig ans Herz gewachsen. Damit meinte ich nicht nur die Zuneigung die ich für ihn empfand, sondern sein komplettes Wesen. Seine freundliche und lustige Art. Die Wortspiele die wir miteinander machten und die Ehrlichkeit in seinen wunderschönen Augen. Unsere Gespräche über Gott und die Welt und die Momente in denen wir still schweigend unser Lieblingsgetränk tranken, für einen Moment völlig zufrieden mit der Welt. Das alles war so wunderschön gewesen und ich beschloss in diesem Moment, dass ich nichts davon jemals vergessen werden würde. Ich würde unsere Begegnung tief in meinem Herzen aufbewahren und Kjetill auf Ewig dafür dankbar sein, was er für mich getan hatte.

Ich versuchte nicht all zu sehr an das Anstehende zu denken und betätigte den Knopf für den Wasserkocher. Ich steckte immer noch in meinem schwarzen Kleid und sehnte mich danach etwas warmes, gemütliches anzuziehen. Bei dem Gedanken runter zu gehen und meinen sicherlich vereisten Koffer hoch zu holen, überkam mich wieder das Gefühl der Angst. Was, wenn mich jemand sehen würde? Aber dann schüttele ich den Gedanken schnell wieder ab. Es war morgens früh und die Polizei hatte sicherlich nicht an Heiligabend auf der Straße gecampt, um mich unten abzufangen. So wie es aussah, hatten sie selbst nicht so wirklich eine Ahnung wo genau sie nach mir suchen sollten. Kjetills genaue Adresse hatten sie also nicht gehabt. Noch nicht.

Ich schlüpfte in meine Schuhe und ließ die Wohnungstür einen Spalt offen. Kjetill schlief sicherlich noch und nach unserem traumatischen Erlebnis mit dem Geräusch der Klingel, würde er mir sicherlich nicht freiwillig die Türe öffnen. Unten angekommen sah ich mich erst nach links und rechts um, doch niemand war zu sehen. Die Straße lag in schlummernder Dunkelheit und ein Kältestoß wehte mir entgegen, sobald ich die Tür nach draußen öffnete. Ich schob eine Zeitung zwischen die Tür, damit sie nicht zufiel und huschte dann so leise und schnell es ging über die zugeschneite Rasenfläche, um meinen Koffer zu suchen. Beinahe dachte ich, jemand hätte diesen mitgenommen, da fand ich eine kleine Erhebung in der flachen Schneelandschaft. Es hatte über Nacht noch etwas geschneit, weshalb das auffällige blau perfekt getarnt war. Schnellen Schrittes eilte ich darauf zu und befreite ihn davon. Ich bibberte und klapperte mit den Zähnen, da ich meine Jacke oben gelassen hatte. Kurz warf ich einen Blick hoch zu meinem Fenster, dann hievte ich den Koffer an seinem Griff hoch und eilte zurück in die Wohnung.

HE WILL SEND HIS ANGELSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt