Für einen Augenblick stand ich bloß weiterhin regungslos im Gang und starrte Tess durch die Scheiben der Türen an. Die Tess, die gerade bloß in einem Pullover, einer Jogginghose und Hausschuhen am Bahngleis stand, die Arme bibbernd um den Körper umschlungen. Es hatte ihr wirklich Leid getan.
Schwer wog der weiße Umschlag in meiner Tasche und drückte mir eine ungeheuere Last auf.Der Zug setzte sich ruckelnd in Bewegung und dann verschwand Tess aus meinem Blickfeld. Es tat mir im Herzen weh sie dort alleine am Bahnsteg zurückzulassen und obwohl ich wütend auf sie war und vor allem verletzt, hatte ich einen solchen Abschied nicht gewollt. Wir waren im Konflikt auseinander gegangen, und dennoch wusste ich Tess' Geste als eine Art Wiedergutmachungs- Versuch zu sehen.
Wie in Trance setzte ich mich in Bewegung, viel zu aufgewühlt von den Geschehnissen. Mein Herz raste immer noch wie verrückt, während ich mich in einen der weichen Sitze am Fenster sinken ließ. Mal wieder begann ich mich zu fragen ob das hier das war, was mich glücklich machte. War es nicht viel einfacher in mein altes Leben zurückzukehren und den Schmerz zu ertragen, wie zuvor auch schon? Ständig auf der Flucht zu sein, hin und her gerissen zwischen Entscheidungen und Gefühlen machte mich so müde wie noch nie. Aber immer noch war die Angst mir lieber, als das Gefühl eine Gefange zu sein.
Erschöpft ließ ich den Kopf gegen die kühle Fensterscheibe sinken. Kjetill ich vermisse dich, dachte ich im Stillen. Es war jetzt schon ein paar Tage her, wo ich ihm in die Arme gefallen war und es kam mir bereits jetzt vor wie eine halbe Ewigkeit. Ich fühlte mich so schutzlos ohne ihn, auch wenn ich ab und zu etwas wie Stärke verspürte wenn ich mich an ihn erinnerte. Er war das größte Rätsel was mir jemals in meinem Leben begegnet war und dennoch der Einzige der mich voll und ganz verstanden hatte. Vielleicht machte ihn auch gerade das zu dem Rätsel.
Mit diesen Gedanken und dem Hauch von Kaffeegeruch in der Nase schlief ich ein.<><><><>
Jemand legte seine Hand auf meine Schulter und im ersten Moment dachte ich an Kjetill, bis mir bewusst wurde dass sich die Hand zu zart für seine anfühlte. Mein zweiter Gedanke war Tess, doch schlagartig erinnerte ich mich, dass ich im Zug saß. Erschrocken riss ich meine Augen auf und blickte verwirrt in das Gesicht einer jungen Frau, welche in einer dunkelblauen Uniform gekleidet war, ihr blondes Haar streng in einen tiefen Dutt gebunden hatte und eindeutig ein schwarzes Gerät in ihren Händen hielt, was mich viel zu heftig zusammenzucken ließ. Sie lächelte mich mit einem eingeübten Lächeln an und hielt auf meinen verwirrten und auch erstarrten Blick ihr Umhängeschild mit ihrem Gesicht hoch, das mir wohl ihr Kontrolleurrecht beweisen sollte. "Ihr Fahrticket bitte.", forderte sie mich freundlich auf.
Unter Schock schluckte ich einmal. Die Müdigkeit war wie verflogen. Mit klammen Fingern nickte ich einmal und begann so zu tun, als würde ich mein Ticket in meiner Jackentasche suchen. "Moment, ich hab's gleich.", gab ich nervös von mir, während die Kontrolleurin mich misstrauisch musterte. "Das muss doch hier irgendwo sein..", murmelte ich gespielt zu mir selbst und sah dann ratlos zu ihr auf. Ich versuchte so verzweifelt wie möglich zu gucken und hielt mir schockiert eine Hand vor den Mund. "Es tut mir leid, ich bin mir ganz sicher dass ich es eben noch hatte!"
Die Frau sah mich mitleidig an und notierte etwas auf einem Zettel. "Tut mir leid,dass kostet dich 80€ Strafgeld, sind deine Eltern hier irgendwo in der Nähe?"
Wie erstarrt blickte ich sie an und schüttelte langsam meinen Kopf, während ich versuchte meine Augen feucht werden zu lassen, was mir leichter gelang als ich dachte. "Ich bin alleine unterwegs.", jammerte ich und sah wie ich das Mitleid in ihren Augen erregte. Was für einen miesen Beruf sie hatte.
"Was soll ich denn jetzt machen?", heulte ich aufgelöst und starrte sie aus großen grünen Augen an. Sie kaufte es mir ab.
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HE WILL SEND HIS ANGELS
Paranormal[*Longlist Wattys2018*] "Er kam wie vom Himmel geschickt. Trat in mein Leben und prägte es. War mein Anker in der Not und bewahrte mich vor einem Absturz in das schwarze Loch der Verzweiflung. Doch dann verschwand er, -nichts wies auf seine Existenz...