9 - Ein interessantes Gespräch und dunkele Gedanken

59 8 4
                                    

Tess und ich redeten noch eine ganze Weile und ich musste sagen, dass es mir ziemlich gut tat. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie ich mich Stück für Stück geöffnet hatte, aber als wir dann ausgelassen über einen schlechten Witz von mir lachten, bemerkte ich es schlagartig. Tess hatte so eine aufgeschlossene und mitreißende Art, dass ich gar nicht anders konnte, als mich einfach zurückzulehnen und mich von dieser positiven Euphorie mitziehen zu lassen. "Du glaubst gar nicht wie viele Fragen ich noch über das Leben habe!", sagte Tess gerade angeregt und holte mich somit wieder aus meinen besinnenden Gedanken. Wir hatten eine interessante Konversation über Zeitreisen, das Weltall und Toilettenpapier geführt, bis hin zu merkwürdigen Fragen, auf die wir keine Antwort wussten.

"Ich meine, wieso stinken Fische denn eigentlich, obwohl sie ihr ganzes Leben lang nur im Wasser leben?!", gab sie verständnislos von sich. "Gute Frage..", sagte ich grübelnd und bevor ich eine Antwort darauf fand fuhr sie auch schon fort:"Oder was machen Leute in den drei Sekunden mit ihrem Handy, wenn man sie zurückrufen möchte?!" Ich lachte amüsiert. "Aber was viel wichtiger ist, was passiert mit falsch geschriebenen Wörtern im Wörterbuch?", konterte ich und stieg in das Spiel mit ein. "Werden wir das je erfahren?" Tess weitete die Augen und packte sich schauspielerisch an den Kopf: "Ach du scheiße du hast recht, ich glaub ich hab ein neues Weltbild im Kopf!"

Uns vielen noch etliche andere Fragen ein und um so mehr wir lachten und in unsere Teetassen hineinkicherten, desto weniger bereute ich die Entscheidung mich auf Tess eingelassen zu haben. Ich bekam etwas von dem zu schmecken, was ich einfach Glück nannte und nach dem riesigen Glück mit Kjetill, war das hier eine weitere Steigerung des Guten für mich.

"Sag mal, wie alt bist du eigentlich?", fragte mich Tess dann irgendwann, als unsere zweite Teetassen-Runde sich dem Ende zuneigte. Ich schluckte kaum merklich, da mich die Vorahnung nicht losließ, dass dies hier sehr schnell zu persönlich werden konnte. "Vierzehn..", sagte ich vorsichtig und fühlte mich so unglaublich klein, als ich das sagte. Deshalb fügte ich noch schnell ein: "Aber im Februar werde ich fünfzehn", hinzu. Tess grinste und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Reubuschtee. "Wie süß", sagte sie und ich verzog meinen Mund unzufrieden. Süß? Na toll, so klein war das jetzt auch wieder nicht.. "Ich bin sechzehn, werde aber im April siebzehn." Ich verschluckte mich beinahe an dem Tee. Oh. Ich hatte sie zwar ungefähr auf dieses Alter geschätzt, aber als ich es aus ihrem Mund hörte war das irgendwie trotzdem anders. Ach wie toll. Jetzt fühlte ich mich nur noch mehr unterlegen, als ohnehin schon. Doch ich lächelte nur und nahm dann den letzten Schluck aus der Tasse. "Okay Tess, war cool dich getroffen zu haben.", sagte ich ernst gemeint und erhob mich von meinem Sitzhocker. Diese grinste nur und machte mit ihrer Hand dieses Zeichen, wo Daumen, Zeigefinger und kleiner Finger ausgestreckt waren. Etwas verwirrt machte ich es ihr gleich und fühlte mich dabei etwas unbeholfen. Ich ging meinen Tee bezahlen und winkte Tess beim vorbeigehen nochmal zu: "Tschüss", rief ich freundlich und sie blickte von ihrem Smartphone auf und hob mit einem halben Lächeln die Hand. "Tschau, man sieht sich."

Als ich den Laden verließ lächelte ich zufrieden. Es fühlte sich tatsächlich mal ein bisschen wie Urlaub an, genauso wie ich mich bei Kjetill gefühlt hatte. Bloß mit dem Unterschied, dass ich hier alleine war. Das machte mich schon ein wenig stolz. Ich hatte es geschafft Verantwortung für mich zu übernehmen und ich fühlte mich durch meine Erfahrungen und neu geschöpften Kenntnisse jetzt schon wie ein neuer, viel reiferer Mensch. Und die Stadt hier gefiel mir wirklich sehr. Sie war ziemlich lebendig, aber dennoch hatte ich das Gefühl, die Leute würden sich hier mehr Zeit lassen. Die Läden sahen zum Teil noch so schön alt aus, es gab viele kleine Cafès und Buchläden und die Straße im Stadtzentrum bestand noch aus gepflasterten Steinen. Das hier war meine Welt. Es gab so viel inspirierendes und als ich so durch die Straßen ging, überlegte ich, ob ich mich nicht vielleicht irgendwo hinsetzten sollte und mal wieder Inspiration für einen neuen Song sammeln sollte. Zuhause hatte ich das ziemlich oft getan. Mein Fokus war dort ziemlich stark auf die Musik gerichtet gewesen, vor allem auch durch die Verarbeitung meiner Gefühle. Aber der Stress in den letzten Wochen hatte das total in den Hintergrund rücken lassen.

HE WILL SEND HIS ANGELSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt