15. Kapitel

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Nachdem kurz Stille herrschte, erhob sich wieder eifriges Getuschel und Miss Fenton musste die Stimme erheben um gehört zu werden. „Jedenfalls!“, rief sie laut, “Sollt ihr als Hausaufgabe mehr zu der Sage von Delphi recherchieren. Vielen dank, die Stunde ist beendet.“ Nach diesem Satz ging ein Stöhnen durch die Reihen. Niemand hatte große Lust auf Hausaufgaben. Alle packten ihre Sachen zusammen und verließen nacheinander den Klassenraum. Nick, der hinter mir saß, ging ohne mich zu beachten an mir vorbei. Einmal hatte er mich noch im Krankenzimmer besucht, was aber in einem Streit geendet hat und seitdem redeten wir nicht mehr miteinander. Er war wohl immer noch sauer, dass ich ihm nicht glaubte, wie unschuldig er doch bei der ganzen Sache war. Obwohl ich diejenige sein sollte, die sauer ist. Aber bitte, schließlich bin ich ja hier die Vernünftige.

„Ich rede mal mit Nick!“, sagte ich leise zu Amilia und sie lächelte mir aufmunternd zu. „Gute Entscheidung. Einer muss ja den ersten Schritt machen.“, ich lachte kurz und schüttelte den Kopf. Das hört sich an als ob ich ihn auf ein Date einladen wollte. Ich realisierte, dass Nick schon weg war also packte ich ganz schnell meine Sachen zusammen, indem ich alles in meine Tasche warf, schulterte diese und lief aus dem Klassenraum. Ich sah Nick am anderen Ende des Ganges mit Joas und folgte ihnen schnell. Draußen im Garten angekommen, verabschiedete sich Joas und Nick sah sich suchend um. Er hatte mich noch immer nicht bemerkt. Also beschloss ich mich zu zeigen. „Nick.“, ich trat langsam hinter dem Busch hervor, hinter dem ich mich alberner Weise versteckt hatte. Er sah zu mir, nickte knapp und ging. „Hey, Nick warte mal!“, rief ich und holte ihn schnell ein. „Was ist?“, fragte er kurz angebunden. „Ich wollte mit dir reden.“, murmelte ich. „Schön, raus damit. Du hast zwei Minuten.“, murrte er. „Äh bitte? Was soll das denn jetzt? Was gibt dir das Recht so zu Handeln als wäre ich hier die Verbrecherin?“, fauchte ich ihn wütend an. Er sah auf seine schwarze Armbanduhr. „Noch 90 Sekunden.“, sagte er in herablassendem Tonfall. „Man was ist mit dir los? Ich dachte wir sind Freunde oder so was, aber anscheinend...“, ich wandte mich von ihm ab. „Oh Bitte! Warum sollte ich mit dir befreundet sein, wenn du mich eines Angriffes beschuldigst.“, rief er mir höhnisch nach. Aber etwas in seiner Stimme machte mich stutzig. Es lag nicht nur Hohn, Wut und Spott mir gegenüber darin, sondern irgendwie auch Trauer und Leere. Das klingt merkwürdig aber manche verstehen mich vielleicht. Nick kam mir einsam vor und Leer, ohne Wille. Also drehte ich mich um. „Nick, was ist los mit dir?“, fragte ich sanft und ging auf ihn zu. Er stieß mich weg und rief: „Das hast du schon mal gesagt! Geh mal wo anders hin und heul da ein bisschen rum aber nicht bei mir.“ Okay. Vielleicht hatte ich mich geirrt und es war nichts außer Hass in seiner Stimme. Und das Schlimme: Er galt mir. Das Leben ist wohl nicht wie in den Filmen, wo man von Anfang an weiß, Die kriegen sich! Ich habe mich immer deshalb aufgeregt und gemeint die Filmproduzenten sollten bitte realistisch sein. So läuft im echten Leben nichts ab! Aber grade wünsche ich mir nichts mehr als so ein Happy End.

Lizzy und Nick fallen sich in die Arme und küssen sich, Cut, nächste Szene am Altar bei der Hochzeit. Ende!

Vielleicht ist die Hochzeit ein bisschen weit hergeholt, aber zumindest sollten wir gute Freunde werden.

„Was stehst du noch so dumm rum? Verzieh dich!“, rief Nick mir zu und ich wollte mich gerade abwenden als ich eine weitere Stimme hörte. „Hey! Nick süßer, hier bin ich.“, Xenia kam winkend und rufend auf uns zu gestöckelt. Augenblicklich fiel sie Nick um den Hals und vergrub grinsend ihr Gesicht in seiner Schulter. Langsam drehte ich mich um. Um ehrlich zu sein wollte ich nicht wirklich wissen was das mit den beiden jetzt sollte. Betont ruhig ging ich weg und spürte die Blicke Nicks und Xenias auf mir. Kaum war ich außer Sichtweite, begannen die Tränen zu fließen. Ich rannte einfach los und Tränen liefen mir über die Wangen. Durch diesen Schleier konnte ich nichts mehr erkennen ich stolperte und fiel hart auf den Boden. Heulend saß ich im Gras, hysterisch schluchzend und fragte mich die ganze Zeit über, warum Nick so mies war. Nach einer Ewigkeit, beruhigte ich mich halbwegs und sah langsam auf. Meine Handflächen waren teilweise schwarz von meiner Wimperntusche und ich wollte nicht wissen wie ich jetzt aussah. Aber das war allem Anschein nach mein geringstes Problem. Ich befand mich in einem Wald. Es musste der neben dem Schulgelände sein, aber wie war ich hier hingekommen? Bin ich ohne es wirklich zu merken geflogen, oder hatte mich weggeflopst? Wie lange musste ich hier auf dem Boden gelegen haben, wenn es bereits dunkel war? Ich stand schnell auf und sah mich in alle Richtungen um. Überall waren Bäume, und außer deren Umrisse konnte ich nichts erkennen. Wo ging es hier nach draußen? Ich lief in die Richtung, in der mutmaßlich das Internat stand.  Doch als ich nach mindestens einer viertel Stunde nicht den Waldrand erreichte und ich merkte, dass hier alles gleich aussah, bekam ich langsam aber sicher Panik. Eine Zeit lang lief ich ziellos in der Dunkelheit umher. Mein Handy nützte mir nicht viel, da ich hier kein Netz hatte und das Handylicht von der Dunkelheit sofort verschluckt wurde und ich immer noch nichts sehen konnte.

Ich war gerade am überlegen, ob es nicht klüger war, einfach bis morgen zu warten, als ich ein Rascheln über mir hörte. Mein Blick schnellte nach oben und mindestens genauso schnell auch meine Hand die ich mir vor die Stirn schlug. Man, was war ich doch dämlich! Wozu war ich eine Elfe, wenn ich nicht ans Fliegen dachte. Nach dieser fantastischen Erkenntnis flog ich nach oben und stieß kurze Zeit später durch die Baumwipfel. Ich sah, endlos erleichtert, das Internat in einiger Entfernung vor mir aufragen. Wäre ich nicht auf die Idee gekommen zu Fliegen, hätte ich im Wald mit den wilden Tieren nächtigen dürfen und das wäre unangenehm gewesen. Mich grauste es bei dem Gedanken. Ich will gar nicht wissen, was das für ein Rascheln war, welches mich erst dazu verleitete, an meine Flugkünste zu denken. Aber innerhalb der nächsten Sekunden durfte ich es schon herausfinden. Mindestens ein duzend vermummter Gestalten, erschienen aus dem Wald und bildeten in der Luft schwebend einen Kreis um mich. Also mussten es Elfen sein. Alle richteten den ausgestreckten Arm auf mich. Oh nein! Gegen so viele hatte ich keine Chance.

 

Die magischen AmuletteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt