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Am nächsten Mittwoch fuhr Miga mit gemischten Gefühlen in die Stadt Richtung Tanzstudio. Auf der einen Seite freute sie sich auf das Training und war froh, der Schule einen Moment zu entkommen, auf der anderen Seite schrieb sie am nächsten Tag die letzte Prüfung des Blocks und hatte die ganze Zeit Angst, irgendetwas übersehen zu haben, dass noch unbedingt einen Platz in ihrem Gedächtnis brauchte.

Als sie jedoch wenig später aus der Damenumkleide kam und den großen Tanzsaal betrat, wurde mit einem Schlag auch der letzte Gedanke an die Schule beiseite gedrängt.

Wie eine flauschige, hyperaktive Kanonenkugel schoss Jimin auf sie zu, riss sie dabei versehentlich zu Boden und quietschte ihr, bevor sie irgendetwas tun konnte, ins Ohr. Sie holte Luft, um ihren stürmischen Tanzpartner zu bitten, zumindest seinen Ellenbogen aus ihrem Magen zu entfernen, doch er unterbrach sie sofort.

„Miga, es ist passiert."

Verwirrt runzelte Miga die Stirn. Hatte Yoongi ihm doch schon einen Antrag gemacht? Ihr Blick wanderte zu ihrem Freund, der halb verwirrt, halb belustigt auf Jimin hinabsah. Nein, das scheint es nicht gewesen zu sein.

„Was ist passiert, ChimChim? Ich verstehe gar nichts."

Mit großen, leuchtenden Augen sah der kleine Tänzer sie an.

„Wir sind in der Qualifikation, wir beide."

Nun fiel auch bei Miga der Groschen und sie musste sich Mühe geben, um nicht vor lauter Euphorie zu hyperventilieren.

„Wirklich?" Ihre Stimme überschlug sich fast und Jimin nickte. Dann zog er sie wieder auf die Füße und die beiden lagen sich für ein paar Sekunden einfach nur kreischend und lachend in den Armen, bevor sich Jimin löste, um nun auch endlich seinen Freund aufzuklären, der mittlerweile vollkommen überfordert schien, während Miga es immer noch nicht fassen konnte.

Jedes Jahr fand in Seoul ein großes Tanzturnier statt, bei dem sich die besten Tänzer der Stadt und deren Umfeld in den verschiedenen Tanzrichtungen maßen, um sowohl ein hohes Preisgeld für ihre Tanzschulen zu gewinnen, als auch die Aufmerksamkeit diverser Talentscouts auf sich zu zuziehen, die schon dem ein oder anderen kleinen Tänzer zu einem großen Namen verholfen hatten.

Jimin und Miga hatten sich bereits die letzten Jahre immer in der Kategorie Hip-Hop-Duo beworben, hatten es aber nie geschafft, sich zu qualifizieren. Doch jetzt war es soweit und bei dem Gedanken daran lief Miga ein Schauer purer Freude über den Rücken.

Sie hatte schon beinahe nicht mehr daran geglaubt, jemals Teil dieses Events zu sein, und jetzt hatte sich dieser Traum erfüllt.

Nachdem Jimin und sie die Stunde beendet hatten, betrat Migas Trainer den Saal und setzte sich noch mit ihnen zusammen, um die nächsten Schritte für das Turnier zu besprechen. Auch Hoseok war qualifiziert worden, allerdings als Solo-Künstler, und da sie alle selbst eine Choreographie erschaffen mussten, beschlossen sie, sich schon zuhause ein paar Gedanken zu machen. Da Jimin eine Zeitlang Contemporary Dance gemacht hatte, planten sie einige Elemente aus diesem Stil zu übernehmen.

Zur Feier des Tages besuchten Miga, Jimin und Yoongi dann noch Mr. Yangs Restaurant und machten sich schließlich glücklich auf den Heimweg.

Als Miga allerdings wenig später frisch geduscht aus dem Badezimmer kam und in ihr Zimmer zurückkehrte, in dem sowohl auf ihrem Schreibtisch als auch auf ihrem Bett und sogar dem Boden Hefte, Bücher und Zettel verteilt lagen, wich die Euphorie in Anbetracht der Qualifikation zum Turnier immer mehr einer unbehaglichen Anspannung. Morgen würde sie eine Geographie-Klausur schreiben, und obwohl sie die letzten Tage intensiv gelernt hatte, war Geographie das Fach, das ihr am schwersten fiel. Einen Moment lang überlegte sie, noch einmal über Alles drüber zu lesen, verwarf den Gedanken aber, da sie sich einerseits damit nur noch verrückter machen würde und da der Nachrichtenton ihres Handys andererseits in diesem Moment eine neue Nachricht ankündigte. Um dem Anblick ihrer Materialien zu entgehen, verließ Miga ihr Zimmer und ließ sich im Wohnzimmer neben dem schlafenden Gaho auf der Couch nieder.

Die Nachricht kam von DragonG6 und Miga fühlte sich gleich ein winziges bisschen besser.

DragonG6: Hey, Kleines. Wie geht's dir? Hat der Stress dich schon aufgefressen?

Crazyhead: Hi, DragonG6. Ich hab keine Ahnung, wie's mir geht, wenn ich ehrlich bin. Wahrscheinlich ganz gut, aber ich hab keinen Bock mehr und Geo macht mich echt fertig. -.-

DragonG6: Kopf hoch, Crazyhead. Morgen hast du es erstmal geschafft. Und in ein paar Monaten sind wir frei. Fighting!

Crazyhead: Ich weiß. Trotzdem hab ich irgendwie Panik. Dieser Prüfungsblock war echt anstrengend. Was, wenn ich den Rest nicht schaffe.

DragonG6: Wie lange gehst du jetzt schon zur Schule?

Crazyhead: 11 einhalb Jahre?

DragonG6: Siehst du, dann schaffst du das letzte halbe Jahr auch noch. Du bist doch ein intelligentes Mädchen. Mach dich nicht so fertig. <3

Crazyhead: Danke. <3

DragonG6: Nur die Wahrheit. Aber mir fällt das alles ja auch nicht leicht. Ich bin ehrlich gesagt sehr froh, dich zu haben.

Crazyhead: Wie geht's dir denn im Moment? Hast du immer noch so Schwierigkeiten mit den Prüfungen wie im ersten Block?

DragonG6: Nein, es hält sich echt in Grenzen, seit ich bei Freunden wohne. Allerdings fürchte ich, dass ich ihnen gegenüber manchmal ziemlich unausstehlich bin.

Crazyhead: Ach, ich bin sicher, sie verstehen das. Ich bin übrigens auch froh, dass es dich gibt. Ich glaube, du hast mich gerade vor einem kleinen Panikanfall bewahrt. <3

DragonG6: Dann bin ich ja froh, dass ich gerade an dich gedacht habe.

DragonG6: Hast du denn schon Pläne fürs Wochenende?

Miga wollte gerade antworten, da klingelte neben ihr auf dem Sofatisch das Telefon. Ein Blick auf das Display zeigte an, dass ihre Mutter anrief. Miga hob ab, bat aber um einen Moment, um DragonG6 noch schnell zu antworten.

Crazyhead: Tut mir Leid, ich werde gerade angerufen. Danke für alles. <3

DragonG6: <3

Miga lächelte, als sie seine Antwort sah und begann dann das Gespräch mit ihrer Mutter. Sie rief an, um sich nach ihren Kindern zu erkundigen und wünschte Miga viel Glück für die Prüfung. Diese erzählte ihrer Mutter sofort euphorisch von der Qualifikation für das Seoul-Dance-Turnier, was am anderen Ende der Leitung eine ähnliche Reaktion auslöste, wie sie Miga vor ein paar Stunden gezeigt hatte. Die beiden unterhielten sich eine Weile und irgendwann gab Miga das Telefon an ihren Bruder weiter, der gerade anfangen wollte, das Abendessen zu kochen.

Das Klingeln des Telefons hatte Gaho geweckt, der nun auf Migas Schoß kletterte, um sich von ihr Streicheln zu lassen. Nach einer Weile musste sie mit dem Welpen in den Armen eingedöst gewesen sein, denn ein leises „Klick" schreckte sie auf. Ein wenig verwirrt blickte sie auf und direkt in den Blitz von Jiyongs Handykamera. Er stand knipsend in der Tür, mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Was wird das?", fragte sie. „Erpressungsfotos?"

Er senkte sein Handy und steckte es dann wieder in seine Hosentasche.

„Dafür brauche ich keine Fotos.", erwiderte er mit einem Zwinkern.

„Komm, kleine Schlafmütze, es gibt Essen."

Damit verschwand er in Richtung Küche, und Miga erhob sich grummelnd vom Sofa, um ihm zu folgen.

Idiot.

Crazyhead | BigBang/K. JYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt